Kann Slow Work für gesteigerte Produktivität sorgen?

Weniger ist mehr

Sie sind anhand der Überschrift vollends euphorisch und planen Ihrem Vorgesetzen den Vorschlag zu unterbreiten, langsamer zu arbeiten? Einfach mal „fünfe gerade sein lassen“? Sich Zeit nehmen, um aus dem Fenster zu sinnieren? Vielleicht eine Bürokatze anzuschaffen? Dann sollten Sie weiterlesen. Denn was Slow Work bedeutet, wie dieses Prinzip genau funktioniert und wie es umgesetzt werden kann, könnte (und sollte) Sie dazu bringen, an Ihren Argumenten gegenüber Ihrem Chef noch ein wenig zu feilen. Lesen Sie langsam. Wir haben Zeit.

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Was bedeutet „Slow Work“?

Prinzipiell handelt es sich dabei um nichts anderes als die wörtlich übersetzte „langsame Arbeit“. Sie mögen sich nun fragen, ob es das gewesen ist? Mit Nichten. Denn weiter gefasst ist diese Bewegung nur ein Puzzleteil einer viel größeren Initiative. Mit dem Wort „Langsam“ ist in diesem Zusammenhang „bewusst“ gemeint. Und wenn wir etwas bewusst tun, dann machen wir das mit hoher Wahrscheinlichkeit langsam und nicht schnell. Trends wie z.B. „Slow Food“, „Slow Travel“ oder „Slow Reading“ tragen ebenfalls zur Zusammensetzung dieses Puzzles bei. Und was kann Slow Work? Es soll die Fehlerhäufigkeit verringern, Kreativität und Problemlösungskompetenz steigern, Energie speichern und besser verwerten, geistige und körperliche Gesundheit fördern, vorbeugend gegen stressbedingte Krankheiten helfen, den Leistungsdruck verringern und und und - diese Liste ist nur der Anfang von einer positiven Wirkung auf unser ganzes Wesen.

Was beinhaltet diese Bewegung? 

Auf den Punkt gebracht: Es geht darum, bewusster zu leben, sich Zeit für die kleinen Freuden des Alltags zu nehmen und achtsam mit Körper und Geist umzugehen. Slow Work ist damit Ausdruck einer Zeit des Umdenkens, weg von Materialismus und dem ewigen Streben nach Geld. Die Work-Life-Balance rückt in den Fokus, die Vollzeitarbeit weicht flexiblen Arbeitszeitmodellen. Privates Glück, Ausgeglichenheit, Wohlbefinden, Gesundheit und mehr Freizeit stehen im Mittelpunkt - also eine hohe Lebensqualität. Die langsame oder auch achtsame Arbeit nimmt den Druck aus dem Berufsalltag und nährt langfristig das psychische und physische Wohlbefinden. Doch wie jede Revolution – mag sie noch so klein oder groß sein – trifft auch „Slow Work“ auf Widerstand. Das „Höher, schneller, weiter- Modell“ genießt noch Prestige. Wer es langsam angeht, wird belächelt und als arbeitsscheu abgestempelt. Die sozialen Hürden sind zur Zeit noch beachtlich. Es gehört Mut dazu, gegen den Strom zu schwimmen und die Arbeit ab sofort „slow“ anzugehen. 

Woher stammt die Bewegung?

Kurz und knackig: Aus den USA. Und von dort aus verändert diese Bewegung nachhaltig die Einstellung zur Arbeit. Relativ langsam findet dieser Gedanke in Deutschland Akzeptanz, denn er beißt sich mit vielen Werten der modernen Arbeitswelt. Dennoch sind Experten sich einig: die „Slow-Work“-Bewegung wird auch hierzulande langsam aber sicher ihren Platz finden.

Wie funktioniert Slow Work?

Wir haben bisher gelernt: Slow Work bedeutet nicht, dass Sie in Zeitlupe Ihre Arbeit erledigen. Vielmehr werden Aufgaben achtsamer und dadurch auch konzentrierter erledigt - ohne Zeitdruck und Hektik. Erstellen Sie morgens oder abends einen kurzen Tagesplan. Der Clou dabei: Rechnen Sie für jeden Punkt auf dieser To-Do-Liste doppelt so viel Zeit ein, wie Sie eigentlich veranschlagen würden. Hilft den Überblick zu behalten: Kontrollieren Sie am Ende des Tages Ihre Liste um ein Gefühl für Ihre neue Arbeitsweise zu bekommen und Aufgaben sinnvoll zu priorisieren. Gönnen Sie sich regelmäßige Pausen und bauen sich Entspannungszeiträume in Ihren Alltag ein, zum Beispiel eine Massage nach Feierabend. Genießen Sie den Büro-Smalltalk mit Kolleginnen und Kollegen und sehen Sie tatsächlich einmal mehr aus dem Fenster, um Ihre Augen zu entspannen. Die Kirsche: Gönnen Sie sich in der Mittagspause eine Slow-Food Mahlzeit. Wichtig: Vermeiden Sie jede Art von Multitasking. Konzentrieren Sie sich auf eine Sache und betreiben Sie „Monotasking“ - heißt: eine Aufgabe abschließen und dann der nächsten widmen. Slow Work kann auch eine Umgestaltung der Arbeitszeit bedeuten, sprich: schlichtweg weniger zu arbeiten. Eine Reduzierung der Stunden kann bei zu viel Stress Erleichterung verschaffen, wenn es der Geldbeutel verkraften kann. Im Übrigen ist Slow Work nicht nur das Konzept in der Arbeitsumgebung selbst, sondern betrifft ebenso die Arbeitsvorbereitung. Morgens gestresst im Bad und dann gestresst im Stau ist eine weniger gute Basis für diese neue Arbeits- oder eher Lebensbewegung. Üben Sie sich in Geduld - sich und anderen gegenüber. Ungeduld führt zu schlechter Laune. Slow Work ist auf Nachhaltigkeit ausgelegt und als Konzept auf langfristige Erfolge ausgerichtet. Geben Sie sich selbst die Zeit, die manche Dinge benötigen. 

FAZIT: 

Grundsätzlich ist die „Slow Work“-Bewegung ein realistisches und gesundes Modell. Je mehr Ruhe wir wieder in die moderne Arbeitswelt bringen, umso vitaler und leistungsfähiger wird unsere Gesellschaft bleiben. Jedoch könnte es noch eine Weile dauern, bis Slow Work nicht als Larifari-Philosophie, sondern als Heilmittel für unsere Geschäftswelt angesehen wird. Aber daran können Unternehmen und wir selbst im Einzelnen arbeiten. Ganz langsam versteht sich. Text: Stefanie Steinbach