KI-Influencer: Die stille Revolution im Schatten der sozialen Medien

Digitale Revolution

In einer Welt, in der soziale Medien das Bild unserer Realität zunehmend prägen, entsteht eine neue Art von Berühmtheit: KI-Influencer. Doch die digitalen Charaktere sind mehr als nur eine technische Spielerei – sie repräsentieren einen Wendepunkt in der Art und Weise, wie wir mit Medien, Werbung und sogar mit unserer eigenen Wahrnehmung von Realität interagieren. Was steckt also hinter dem Phänomen?

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Bild: stock.adobe
Was Influencer sind und was sie machen, sollte mittlerweile fast jedem bekannt sein. Auf Plattformen wie Instagram, TikTok und YouTube teilen sie ihr Leben und ihren Alltag, ihre Meinung und vor allem Produkte, die sie lieben, mit einer breiten Anhängerschaft. Dabei sind Influencer mehr als nur Werbeträger – sie sind Trendsetter, Meinungsmacher und oft auch Vorbilder für ihre Follower. Ihre Macht liegt in ihrer Authentizität und ihrem Vermögen, eine persönliche Verbindung zu ihrem Publikum aufzubauen.

Was sind KI-Influencer?

Parallel zu diesen menschlichen Influencern entsteht aktuell eine neue, revolutionäre Form digitaler Berühmtheit: die KI-Influencer. Diese virtuellen Charaktere, geschaffen aus dem Zusammenspiel von Grafikdesign und Künstlicher Intelligenz, beginnen, die Landschaft der sozialen Medien neu zu gestalten. Denn sind nicht einfach nur animierte Figuren, sondern vielmehr sorgfältig konstruierte Persönlichkeiten, die mit ihren menschlichen Gegenstücken in Sachen Stil, Einfluss und Engagement mindestens konkurrieren können. Doch wie kam es überhaupt zu der Entwicklung?

Wieso wird eine KI zum Influencer?
Der Aufstieg der KI-Influencer ist eng verknüpft mit dem rasanten Fortschritt in der KI-Technologie und dem wachsenden Bedürfnis der Marken nach innovativen Marketingstrategien. Unsere Welt wird nun mal von visuellen Medien dominiert – hier bieten KI-Influencer eine perfekte Symbiose aus unendlicher Flexibilität und makelloser Ästhetik. Sie sind also einfach das Produkt einer Zeit, in der Kreativität nicht mehr nur menschlichen Köpfen entspringt, sondern auch aus komplexen Algorithmen erwachsen kann.

Ein weiterer treibender Faktor ist die wachsende Nachfrage nach ständig verfügbarem Content. KI-Influencer sind nicht an menschliche Einschränkungen wie Zeitpläne gebunden und können rund um die Uhr aktiv sein. Genau das macht sie zu einem wertvollen Werkzeug für Marken, die eine konstante Präsenz in den sozialen Medien anstreben.

Was macht eine KI anders als ein menschlicher Influencer?
Im Gegensatz zu ihren menschlichen Gegenspielern sind KI-Influencer das Ergebnis fortschrittlicher Algorithmen und sorgfältiger Programmierung. Sie benötigen keine Pausen, keine Erholung und sind nicht den Launen menschlicher Emotionen unterworfen. Die unermüdlichen digitalen Charaktere können demnach Inhalte in Rekordgeschwindigkeit produzieren und gleichzeitig auf mehreren Plattformen präsent sein. Ihre Fähigkeit, sich schnell an Trends anzupassen und Inhalte in verschiedenen Sprachen zu generieren, macht sie zu einem mächtigen Werkzeug in der globalen Marketingstrategie.

Ein weiterer entscheidender Unterschied liegt in der Perfektion, die KI-Influencer verkörpern. Auch wenn Influencer auf Instagram und Co. für uns oft scheinbar schon perfekt scheinen – die KI-Version ist wirklich komplett frei von menschlichen Unvollkommenheiten, was sie zu idealen Repräsentanten für Marken macht, die ein fehlerfreies Image anstreben. Ihre Erscheinung und Persönlichkeit können also genau nach den Wünschen der Marken gestaltet werden.

Doch mit all diesen technischen Vorteilen kommen auch Herausforderungen. KI-Influencer mögen zwar in der Lage sein, menschliche Emotionen nachzuahmen, aber die Echtheit und Tiefe menschlicher Erfahrungen können sie nicht vollständig replizieren. Während menschliche Influencer authentische Geschichten und persönliche Erlebnisse sowie auch Misserfolge und einfach generell ihren Alltag – beispielsweise in Instagram-Storys – teilen, was Vertrauen bei ihrem Publikum erzeugt, fehlt KI-Influencern diese Dimension der Menschlichkeit. Sie können zwar Interesse wecken und faszinieren, aber die tiefe emotionale Verbindung, die menschliche Influencer aufbauen, bleibt eine Herausforderung für ihre digitalen Gegenstücke.

Trends für Marken
Marken stehen heutzutage stets vor der Herausforderung, sich in einem überfüllten und wettbewerbsintensiven Umfeld abzuheben. Virtuelle Influencer bieten hier eine einzigartige Lösung: Sie sind vollständig anpassbar und können so gestaltet werden, dass sie perfekt zur Identität und zum Image einer Marke passen. Das ermöglicht eine maßgeschneiderte Markenkommunikation, die in der Welt der menschlichen Influencer oft nur schwer zu erreichen ist.

Ein weiterer Vorteil für Marken liegt in der Kontrolle, die virtuelle Influencer bieten. Während menschliche Influencer durch ihre Persönlichkeit und Unvorhersehbarkeit charakterisiert sind, können virtuelle Influencer präzise nach den Wünschen und Bedürfnissen der Marke gestaltet und eingesetzt werden. Das reduziert das Risiko von Fehltritten oder Skandalen und damit einhergehenden Shitstorms, die das Markenimage schädigen könnten.

Darüber hinaus eröffnen virtuelle Influencer neue kreative Möglichkeiten für Kampagnen. Sie können in jeder erdenklichen Umgebung platziert werden, von exotischen Reisezielen bis hin zu futuristischen Welten, die nur in der digitalen Sphäre existieren. Diese Flexibilität ermöglicht es Marken, ihre Kreativität voll auszuschöpfen und einzigartige, aufmerksamkeitsstarke Kampagnen zu entwickeln.

Steuerung der KI-Influencer

Hinter dem glänzenden Schein der KI-Influencer verbirgt sich allerdings eine Welt hochentwickelter Technologien und kreativer Prozesse. Die Steuerung der digitalen Persönlichkeiten ist ein faszinierendes Zusammenspiel von menschlicher Kreativität und maschineller Präzision, das die Grenzen zwischen Realität und Virtualität verschwimmen lässt.

Im Kern der KI-Influencer steht eine ausgeklügelte Software, die auf künstlicher Intelligenz basiert. Diese Software ermöglicht es den virtuellen Charakteren, menschenähnliche Interaktionen nachzuahmen und auf sozialen Medien aktiv zu sein. Doch die wahre Magie entsteht durch die Zusammenarbeit von Grafikdesignern, Programmierern und Marketingexperten, die den Charakteren Leben einhauchen. Sie kreieren nämlich nicht nur das visuelle Erscheinungsbild, sondern auch die Persönlichkeit, die Hintergrundgeschichte und die individuellen Eigenheiten, die einen KI-Influencer einzigartig machen.

Die Steuerung eines KI-Influencers ist daher auch ein kontinuierlicher Prozess, der eine sorgfältige Planung und Anpassung erfordert. Die Teams hinter den Kulissen arbeiten unermüdlich daran, die Inhalte aktuell zu halten, auf Trends zu reagieren und die Interaktionen mit den Followern authentisch zu gestalten. Dabei nutzen sie fortschrittliche Techniken wie Motion-Capture, um realistische Bewegungen und Ausdrücke zu erzeugen, und Sprachsynthesetechnologie, um den Influencern eine Stimme zu verleihen.

Beispiele für KI-Influencer

Besonders in Regionen wie Asien und den USA, wo die Akzeptanz von Technologie und digitalen Innovationen besonders hoch ist, haben virtuelle Influencer eine beeindruckende Anhängerschaft gewonnen. 

Eines der bekanntesten Beispiele für einen KI-Influencer ist Lil Miquela (@lilmiquela), eine virtuelle Figur mit über 2,5 Millionen Followern (Stand Juli 2024) auf Instagram. Mit ihrem jugendlichen Aussehen und ihrem trendigen Stil hat sie sich als Modeikone etabliert und arbeitet mit großen Marken wie Gucci, Prada oder Calvin Klein zusammen. Ihre Posts reichen von alltäglichen Abenteuern bis hin zu professionellen Fotoshootings, wodurch sie die Grenzen zwischen einer digitalen und einer realen Influencerin verwischt.

Ein weiteres Beispiel ist Shudu (@shudu.gram), die als das weltweit erste dunkelhäutige digitale Supermodel gilt. Ihre atemberaubende Erscheinung und die realistische Darstellung haben sie zu einem gefragten Model für High-Fashion-Marken gemacht. Shudus Bilder sind so lebensecht, dass viele zunächst nicht glauben können, dass sie vollständig am Computer generiert wurde – so wurde sie beispielsweise auch schon in der Vogue abgebildet und hat gemeinsam mit BMW das neue „Freude Forever“-Magazin beworben.

Auch Noonoouri ist ein weiterer virtueller Influencer, der Aufmerksamkeit erregt hat. Mit ihrem einzigartigen, fast märchenhaften Aussehen und ihrer Liebe zur Mode hat sie eine eigene Nische in der Welt der digitalen Influencer geschaffen. Sie fokussiert sich vor allem auf Themen wie Diversity und Nachhaltigkeit und arbeitete bereits mit bekannten Marken wie Versace oder Balenciaga zusammen.

Gefahren und Kritik von KI-Influencern
Natürlich gibt es auch negative Aspekte an den KI-Influencern. Ein zentraler Kritikpunkt betrifft die Transparenz: Oftmals ist für die Nutzer nicht auf den ersten Blick erkennbar, dass es sich bei den Influencern um computergenerierte Figuren handelt. Diese mangelnde Klarheit kann zu Verwirrungen über die Authentizität der Inhalte führen und das Vertrauen in die sozialen Medien untergraben. Die Frage, wie transparent KI-Influencer über ihre künstliche Natur sein sollten, wird immer wieder heftig diskutiert.

Darüber hinaus gibt es Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen von KI-Influencern auf das Selbstbild und die psychische Gesundheit, insbesondere bei jüngeren Nutzern. Selbst „normale“ Creator stehen hierfür schon oft in der Kritik, doch die digitalen Charaktere verkörpern umso mehr unrealistische Schönheitsideale und Lebensstile, die Druck auf die Nutzer ausüben können, diesen unerreichbaren Standards nachzueifern. Vor allem bei jungen Mädchen kann das zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität und zu negativen Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl führen. Neben der potenziellen Ausbeutung von Nutzerdaten gibt es zuletzt auch Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen von KI-Influencern auf den Arbeitsmarkt. Während sie für Marken attraktiv sein können, da sie kostengünstiger und kontrollierbarer als menschliche Influencer sind, könnten sie langfristig menschliche Arbeitsplätze in der Influencer- und Kreativbranche gefährden.

Ausblick
Wo führt das Ganze nun also hin? Der Aufstieg der KI-Influencer wirft ein Schlaglicht auf die sich verändernde Landschaft der Online-Kommunikation und die Rolle, die künstliche Intelligenz in unserem Alltag spielt. Während sie einerseits eine Quelle der Faszination sind, rufen sie andererseits wichtige Diskussionen über Ethik, Transparenz und die menschliche Interaktion in der digitalen Welt hervor. In der nahen Zukunft könnten KI-Influencer jedoch erst einmal eine noch größere Rolle in der Marketingstrategie von Marken spielen. Ihre Fähigkeit, Inhalte schnell, effizient und in großem Umfang zu produzieren, macht sie zu einem wertvollen Werkzeug in einer immer schneller werdenden digitalen Landschaft. Gleichzeitig könnten sie Pioniere für neue Formen des Storytellings und der Markenrepräsentation werden, die die Grenzen zwischen Realität und Fiktion weiter verwischen.

Die Entwicklung von KI-Influencern wird wahrscheinlich auch neue technologische Fortschritte vorantreiben und gleichzeitig die Tür zu neuen Formen der Unterhaltung öffnen. Eine wichtige Rolle wird dabei allerdings die Entwicklung von Richtlinien und Standards für Transparenz und Datenschutz spielen, um das Vertrauen der User zu erhalten. Fest steht jedoch, dass KI-Influencer keinesfalls nur ein vorübergehender Trend sind, sondern vielmehr grundlegend die Art verändern können, wie wir kommunizieren und interagieren.

FAZIT:
KI-Influencer sind digitale Charaktere, erschaffen durch künstliche Intelligenz und Grafikdesign, die in sozialen Medien wie Instagram und Co. bereits vielfach aktiv sind. Sie bieten Marken neue Marketingmöglichkeiten durch ihre Anpassbarkeit und ständige Verfügbarkeit. 

Während sie bei vielen Nutzern und Unternehmen Interesse und Neugier wecken, werfen sie gleichzeitig auch Fragen bezüglich Authentizität, Datenschutz und ethischer Standards auf. |Text: Vera Mergle