Pro- und Contrastimmen aus dem Allgäu
Mehr Windkraft für das Allgäu wagen?
Anfang der 1930er Jahre wurden in Deutschland sogenannte „amerikanische Windräder" in ländlichen Regionen aufgebaut, um abgelegene Gehöfte mit durch Windkraft erzeugten Strom zu versorgen. Als die Welt ihre Energieversorgung auf fossile Energieträger umstellte, verschwanden diese Vorläufer der Windkraftnutzung. Nun sind ihre Nachfolger allgegenwärtig sichtbar und prägen mancherorts das Landschaftsbild. Ihr Anteil an der Bruttostromerzeugung lag 2020 bei 23,7%. Geht es nach Plänen der neuen Bundesregierung soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung 2030 80% betragen. Um dieses Ziel zu erreichen muss insbesondere beim Bau neuer Windenergienanlagen zugelegt werden, so Klimaminister Robert Habeck. Der Freistaat ist Schlusslicht, wenn es um die Windkraft geht. Insgesamt stehen in Deutschland 29.700 Windkraftanlagen, davon lediglich 1.440 in Bayern. 2021 wurden hier gerade einmal 12 neue Windkraftanlagen in Betrieb genommen, vier abgebaut. In Gesamtdeutschland wurden zur selben Zeit 240 neue Anlagen hinzugebaut. Bezogen auf Größe und Bevölkerungsanteil ist Bayerns Beitrag zur Windenergie damit tatsächlich bescheiden. Spitzenreiter ist Niedersachsen, gefolgt von Brandenburg und NRW.
Andreas von Lindeiner, Landesfachbeauftragter LBV Landesbund für Vogelschutz:
Die 10 H-Regel schränkt den Ausbau der Windenergie stark ein und muss zugunsten fachlich nachvollziehbarer Abstandsregelungen abgeschafft werden.
Bei der regenerativen Energiegewinnung kommt neben Photovoltaik, Biomasse, Geothermie und Wasserkraft insbesondere der Windkraft eine wichtige Rolle zu. Ziel ist es, auch mit Hilfe der Windenergie die C02-Reduktionsziele des Pariser Abkommens einzuhalten. […] Es bedarf einer überregionalen Betrachtung der Situation, die die verschiedenen von der Windkraft tangierten Belange sachgerecht berücksichtigt. Dabei ist nicht nur das Kollisionsrisiko für Vögel und Fledermäuse zu berücksichtigen, sondern auch der Verlust bzw. die Entwertung von Lebensräumen sowie Barrierewirkungen und andere Einflüsse. Dazu gehören z.B. mögliche sekundäre Effekte wie geänderte Prädationsverhältnisse durch die Wegeerschließung oder Flächenverlust für Gänse, Schwäne und Kraniche mit dem Ergebnis vermehrter Fraßschäden auf den verbleibenden Flächen. Die kollisionsbedingte Mortalität von einigen langlebigen Vogel- und Fledermausarten hat aus populationsbiologischer Sicht bereits ein kritisches Ausmaß erreicht, denn diese Arten weisen meist geringe Reproduktionsraten auf.
Thomas Frey, BUND Naturschutz in Bayern e.V.:
Der BUND Naturschutz befürwortet den Ausbau der Windenergie in Bayern. Neben der Energieeinsparung und dem Ausbau der Photovoltaik ist die Windenergie ein wesentliches Element einer heimischen, klimafreundlichen und erneuerbaren Energieerzeugung. Windenenergieanlagen können sehr flächeneffizient große Mengen Strom erzeugen, können aber das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen und bergen Risiken für Vögel und Fledermäuse. Daher müssen im Rahmen der Regionalplanung die am besten geeignetsten Standorte für neue Windräder gefunden werden. Während in der Region Donau-Iller bereits eine fundierte Regionalplanung vorliegt, In den Regionen Augsburg und Allgäu muss die Windkraft-Regionalplanung neu aufgezogen werden. Voraussetzung dafür ist, dass die 10H-Regelung abgeschafft wird. Der BUND Naturschutz lehnt die 10H-Regelung ab, weil sie den Windenergieausbau in Bayern gestoppt hat und die wenigen noch denkbaren Standorte in abgelegenen, meist ökologisch sehr wertvollen Waldgebieten lagen. Diese sollten aus Naturschutzgründen frei von Windenergie bleiben.
Indra Baier-Müller, Landrätin Oberallgäu, Freie Wähler:
Aus meiner Sicht ist Windkraft ein essentieller Bestandteil der Energiewende. Dabei muss die Standortsuche sehr sorgfältig unter Einbezug der lokalen Gegebenheiten und vor allem der Bürgerinnen und Bürger geschehen. Die Entscheidungsträgerinnen und –träger in den Gemeinden kennen ihre Gebiete sowie die Haltung ihrer Bürgerinnen und Bürger am besten. Sie sollten deshalb mehr Mitspracherecht bei der Standortwahl haben. 10H ist eine zu unflexible Lösung, die viele Standorte prinzipiell ausschließt, obwohl auf kommunaler Ebene die Akzeptanz viel größer ist als gedacht. […] Wir müssen offen und ehrlich zueinander sein. Die alleinige Nutzung von Photovoltaik würde riesige Flächen für Freiflächenphotovoltaik-Anlagen beanspruchen. Niemand will ein Gas-, Kohle- oder gar Atomkraftwerk in seiner Nähe haben. […] Am Ende sollte ein Diskussionsprozess unter Einbezug aller Argumente meiner Ansicht nach vor allem in den Kommunen stattfinden. Hier müssen Kompromisse gefunden werden. Ich denke, Betroffene sind kompromissbereiter, wenn sie sehen, dass sie persönlich oder zumindest ihre Gemeinde von einer im Umfeld errichteten Windkraftanlage direkt oder indirekt profitieren.
Alex Eder, Landrat Unterallgäu, Freie Wähler:
„Soll die Energiewende gelingen, ist auch die Windkraft ein essenzieller Baustein. Diese hat allerdings einige Hürden, da ist die 10H-Regel nur eine von vielen und eine mögliche Abschaffung würde den Windkraftausbau auch nicht sofort voranbringen. Ein gewisser Abstand zur Wohnbebauung muss in jedem Fall eingehalten werden. Ob aber pauschal die 10H-Regel richtig ist, sollte abzuwägen sein. Auch mit Vorrang- und Vorbehaltsflächen in Regionalplänen bestehen Steuerungsmöglichkeiten und auch die technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) schreibt gewisse Abstände vor. Einige eigentlich bereits gefundene Standorte für Windräder im Unterallgäu wurden durch die 10H-Regel unmöglich gemacht.
Die Landkreise sind sehr engagiert dabei, die Energiewende mit voranzubringen. Es sollte allerdings keine Selbstverständlichkeit sein, dass der ländliche Raum zum Pauschalversorger für die Verdichtungsräume wird, solange Potenziale in den Städten nicht umfassend genutzt werden, zum Beispiel auf den Dächern. Dies ist schließlich bereits für andere Bereiche wie Ernährung, Wasserschutzgebiete, Hochwasserschutz oder Naherholung der Fall.
Unsere Energieerzeugung umzubauen ist eine riesige Herausforderung. Um diese zu meistern ist es unerlässlich, alle mitzunehmen. Veränderungen müssen technologieoffen, flexibel und bedarfsorientiert unter Beteiligung der Verantwortlichen vor Ort umgesetzt werden. Zentralistische Festlegungen aus Berlin oder beinahe radikale Antworten wie „2% Windkraft“, unabhängig von den regionalen und örtlichen Gegebenheiten, lösen die Probleme nicht und dürfen zu keiner Aushöhlung der kommunalen Planungshoheit führen.“
Stephan Thomae, (MdB), stellv. FDP-Fraktionsvorsitzender der FDP Bundestagsfraktion:
"Wer mehr Klimaschutz einfordert, kann nicht an der starren 10H Regelung festhalten. Anstatt Bäume zu umarmen, sollte Ministerpräsident Söder die Energiewende durch die rigidesten Abstandsregelungen in ganz Deutschland nicht weiter torpedieren. Wenn deutlich mehr Flächen für die Windenergie ausgewiesen werden, muss sich natürlich auch der Freistaat daran beteiligen. Als Freie Demokraten fordern wir eine Abschaffung der bayerischen landesrechtlichen Sonderregelung und die Anwendung der bundeseinheitlichen Regel zur Harmonisierung. Die Kommunen sollen dabei im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung eigenverantwortlich entscheiden, wo Windräder sinnvoll und möglich sind, und wo nicht. Im südlichen Oberallgäu muss die Diskussion mit Blick auf den Tourismusstandort selbstverständlich mit besonderer Sorgfalt geführt werden. Im Oberallgäu gibt es nichtsdestoweniger sicherlich geeignete Standorte, die die Bürgerinnen und Bürger vor Ort mittragen.[…] Die Energiewende ist nunmal keine Einbahnstraße und der Bedarf an bezahlbarer Energie ist so hoch wie nie, deswegen sind letztendlich alle Kommunen gefragt, erneuerbare Energien auszubauen."
Renate Deniffel, Bürgermeisterin Wildpoldsried:
Die Gemeinde Wildpoldsried befürwortet weitere Bürgerwindkraftanlagen im Bereich der bestehenden Windräder. Neben dem großen Nutzen für die Energiewende wird von der Bevölkerung auch die regionale Wertschöpfung positiv bewertet. Repowering ist das Schlagwort für die Zukunft, wenn alte Anlagen durch neue und deutliche Leistungsfähigere ersetzt werden. Verhindert werden unsere Pläne sowohl für Neubau als auch Repowering u.a. durch das aufwändige Genehmigungsverfahren mit entsprechenden Natur- und Umweltschutzauflagen kombiniert mit dem Verbandsklagerecht.
Reinhold Faulhaber, Vorsitzender ILKA - Initiative Landschaftsschutz Kempter Wald und Allgäu e.V.:
Heimatliebe statt Subventionsabschöpfung
Weitere Windräder im Allgäu würden, für wenig Energiegewinn, unser größtes Kapital, die einzigartige Kulturlandschaft und die einzigartige Natur entwerten. Ein kostbares Erbe, wofür wir Verantwortung tragen, und das Erholungssuchende aus aller Welt anzieht. Der Region kommt insoweit auch eine Funktion, Verantwortung und Aufgabe von überörtlicher Bedeutung zu. ILKA lehnt die Pläne der neuen Bundesregierung ab, da die Außerkraftsetzung bewährter Arten- und Naturschutzstandards bedrohte Vogel-, Fledermaus- und Insektenarten massiv gefährden würde; bis hin zum lokalen und überörtlichen Aussterben. Man darf Klima- und Artenschutz nicht gegeneinander ausspielen. Die 10H-Regel muss bleiben, da auch der Mensch Schutz verdient. Wir hoffen, dass die Bayerische Staatsregierung da standhaft bleibt. Die Allgäuer Landräte sollten dem Beispiel ihrer oberbayerischen Kollegen folgen, die sich klar für die Erhaltung der Schönheit ihrer Heimat und die 10H-Regel stark machen.
20 Meter tief reichen die Betonfundamente der WKAs in die Waldböden. Druck und Bewegung durch die rotierenden Windräder stören nicht nur Besucher, sie können unsere Quellbereiche für die lebenswichtige Wasserversorgung , und die Lebensbedingungen der Bodenlebewesen schädigen. Rodungsschneisen, und Luftverwirbelungen der Rotoren, führen zu Temperaturerhöhungen im Wald, stören das ansonsten kühle und feuchte Waldklima, und machen es auch für Erholungssuchende unattraktiv. Der Luftdruckabfall nahe der Rotoren zerreißt Tieren, wie u.a. Feldermäusen die inneren Organe.
Peter Kerwer, Schriftführer, Apfeltrang-windradfrei e.V.:
Der Verein Apfeltrang-windradfrei fordert: Keine Windenergieanlagen in Wäldern und an Waldrändern! Keine Windenergieanlagen in Schutzgebieten! Das Helgoländer Papier strikt einhalten! Die Zerstörung von Brutplätzen strenger ahnden! Den Kollisionstod von Wildtieren reduzieren! Beweislast umkehren! Keine Privilegierung für Windenergieanlagen im Baurecht! Das Bundesnaturschutzgesetz anwenden! Technische Anleitung Wind erarbeiten!
Johann Dorn, Oberegg, Kimratshofen, Betroffener:
Nachdem ich seit mehr als 20 Jahren die Windradpolitik verfolge, bzw. davon betroffen bin, komme ich immer wieder zu dem Ergebnis, dass der Windradausbau gestoppt werden muss. Wenn ich die Windräder vor meinem Haus beobachte, sehe ich, dass sie bei Flaute, Sturm und technischem Defekt stehen. Außerdem müssen sie abgeschaltet werden, wenn das Netz den Strom nicht aufnehmen kann. Ich möchte niemandem die vielfältigen Immissionen von Windrädern vor seinem Haus wünschen. Stadtbewohner und die Klima-Aktivisten können leicht anderen etwas zumuten, wovon sie selbst nicht betroffen sind. Ich würde meinen schlimmsten Feinden so etwas nicht zumuten.Es ist für mich eindeutig, dass durch den Windradausbau mehr Umwelt zerstört wurde, als in der ganzen deutschen Geschichte zuvor. Weitere Windräder sind geplant: in der Adelegg , im Süden meines Wohnorts; im angrenzenden Oberschwaben, fast jedes Waldgebiet ist dort betroffen. Wenn ich die Zukunfts-Aussichten des Biologen Dr. Wolfgang Epple zur gigantischen Zerstörung unseres Landes durch den Windradausbau sehe, graust es mir. 10H ist das Mindeste an Abstandsfläche zum Menschenschutz!
Alexander Hold, Freie Wähler, Vizepräsident Bayerischen Landtag:
Windkraft leistet einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz. Vor allem aber sichert regionale Stromerzeugung auch unsere Unabhängigkeit von Erdgas, Öl und den internationalen Versorgungsmärkten. Überall dort, wo sich die Bürger selbst anstatt fremder Investoren an solchen Projekten beteiligen können, gibt es eine hohe Akzeptanz für neue Anlagen. Das sollten wir auch im Allgäu nutzen. Die Energiewende gelingt nicht, wenn wir nur mit dem Finger auf andere zeigen.
Aber es macht keinen Sinn, Windräder gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen. Weite Teile des Allgäus scheiden wegen des Landschaftsschutzes aus, teils auch weil der Windertrag zu gering wäre. Die bestehenden Anlagen im Allgäu zeigen aber, dass Windkraft auch hier möglich ist, ohne die Landschaft allzu sehr zu verschandeln. Denkbar wären zum Beispiel Anlagen im Staatswald. Dafür muss übrigens weit weniger Wald gerodet werden, als viele denken, in Bayern im Durchschnitt gerade mal die Fläche eines halben Fußballfeldes.
Die FW-Landtagsfraktion setzt sich seit langem für eine Bürgerenergiewende mit dezentraler Ausrichtung und regionaler Wertschöpfung ein. Eine starre 10 H-Regelung behindert uns dabei. Ich lasse nicht locker, bis wir z.B. beim Re-Powering, also dem Ersatz alter Windräder durch aktuelle Anlagen, die Regeln vereinfachen. Zudem unterstützt unser Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger die Kommunen bei neuen Windpark-Projekten mit staatlichen Beratern, um sie bei dieser wichtigen Aufgabe nicht allein zu lassen. Eine starre 10 H-Regelung behindert uns dabei. Wir laufen Gefahr, dass der Bund über unsere Köpfe hinweg entscheidet.
Thomas Gehring, MdL, Vizepräsident Bayerischer Landtag, Bündnis90/Die Grünen:
Die 10-H-Regelung, die die CSU-Staatsregierung im Landtag durchgedrückt hat, ist eine Windkraftverhinderungsregel. Wir Grüne im Landtag fordern schon lange die Abschaffung der 10 H-Regel zuletzt in einem Dringlichkeitsantrag im letzten Herbst. Die 10 H-Regel hat dazu geführt, dass insgesamt in Bayern 2020 nur acht neue Windräder ans Netz gegangen, drei neue genehmigt und null beantragt wurden – eine verheerende Bilanz! Durch 10H ist die Energiewende in den letzten Jahren massiv behindert worden und das Engagement von Bürger*innen und der Wirtschaft ziemlich eingebremst worden. Deshalb sind wir beim Erreichen der Klimaziele so im Rückstand. Um diese Ziele zu erreichen und den Strom aus Atom und Kohle zumindest teilweise mit Strom aus Bayern zu ersetzen, muss die 10 H Regel fallen.
Thomas Senftleben, Stadtrat Kempten, Kreisvorsitzender AfD Oberallgäu-Kempten:
Unser Alpenvorland wird an Attraktion verlieren, wenn Windkrafträder das Landschaftsbild prägen und nicht nur Naturliebhaber werden sich an dem Anblick stören, sondern auch an der Geräuschemission dieser Windkrafträder. Die Nachteile überwiegen, da der Wind nicht konstant ist. Das ist mitunter auch der größte Nachteil bei der Gewinnung von Windenergie. Der Bau von Windkraftanlagen ist sehr teuer und daher nicht nachhaltig. Die gewonnene Windenergie muss sofort in tragsportfähigen, elektrischen Strom umgewandelt werden, damit dieser ins Netz eingespeist und sofort verbraucht werden kann. Energie die nicht verwendet wird verpufft, denn die Speicherung von Windenergie ist nach wie vor ein teures Problem.
Die AfD Oberallgäu Kempten fordert daher:
In Wäldern und Schutzgebieten dürfen keine Wind- und Solaranlagen errichtet werden. Wir setzen uns für die Bewahrung des heimatlichen Landschaftsbildes, unserer Umwelt und Tierwelt ein. Vorrangflächen für Windenergieanlagen sollen nur bei breiter Zustimmung der betroffenen Bürger ausgewiesen werden. Der Mindestabstand von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung muss das 10-fache der Gesamthöhe, mindestens jedoch 2,5 km, betragen. Anlagen, die nach 20 Jahren aus der Förderung gefallen sind, sollen ohne Subventionen und Einspeisevorrang am Markt teilnehmen. Ein Rückbau von Windenergieanlagen hat vollständig zu erfolgen, inklusive der Betonfundamente.