Allgäuer Direktkandidaten im Interview - Teil 1

Direktkandidaten - direkt gefragt - CSU, Grüne, SPD

TRENDYone befragte fünf Direktkandidaten der großen Parteien zu Themen aus den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Immigration und Klimaschutz - hier die Antworten der Direktkandidaten von CSU, Bündnis 90 / Die Grünen und der SPD.

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Am 8. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Sechs Direktkandidaten aus Kempten stellten sich den Fragen von TRENDYone.Bild: pixabay
Joachim Konrad, 45 J., CSU

Sollte die während der Corona-Krise eingeführte Herabsetzung der Mehrwersteuer auf 7% in der Gastronomie beibehalten werden?
 
Auf jeden Fall. Unsere Gastronomen haben nach wie vor mit steigenden Rohstoff- und Betriebskosten und dem Arbeitskräftemangel zu kämpfen. Stirbt die Gastwirtschaft, stirbt das Dorf!
 
Welchen Forderungen der Bauwirtschaft, wie u.a. auch denen der Sozialbau Kempten (Abbau von Vorgaben und Bürokratie bei Brandschutz, Schallschutz, Barrierefreiheit, Stellplätze, Schneelast-Vorgaben, TÜV-Prüfungen für Aufzüge), würden sie sich anschliessen, damit mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen kann?
 
Ich würde mich allen diesen Forderungen anschließen, damit die Bauwirtschaft endlich wieder in Gang kommt! Darüber hinaus habe ich die Forderung, auf neue teure Energiestandards zu verzichten! Und schließlich müssen Baugenehmigungen schneller erteilt werden.
 
Wie könnte kurzfristig, also ohne Neubau, mehr Wohnraum und Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge im Wahlkreis geschaffen werden?
 
Auf freien kommunalen Flächen können relativ schnell Unterkünfte in Modulbauweise erstellt werden. Außerdem ist es wichtig, dass der Landkreis Liegenschaften nicht nur anmietet, sondern auch erwirbt.
 
Ist das Einfamilienhäuschen im Grünen aus der Zeit gefallen?
 
Nein. Nur die Grundstücksgrößen müssen kleiner werden. Und es müssen mehr Reihenhäuser statt Einzelhäuser gebaut werden.
 
Welche Idee haben Sie zur Anschlussnutzung der Galeria Kaufhof in Kempten?
 
Das müssen die Verantwortlichen der Stadt Kempten entscheiden.
 
Was könnte aus ihrer Sicht getan werden, um die Stellung der Hochschule Kempten in Forschung und Wissenschaft noch zu verbessern?
 
Die bayerische Hightechagenda fördert die Hochschule Kempten mit einem hohen Millionenbetrag. Eine Analyse hat gezeigt, dass die Studierendenzahlen in manchen Bereichen zurückgehen. Deshalb wird es unverzichtbar sein, Schwerpunkte zu bilden.
 
Was müsste ad hoc geschehen, um dem Pflegenotstand zu begegnen?
 
Einfachere Eingliederung ausländischer Arbeitskräfte, flexiblere Handhabung der Fachkraftquote, Prämien für besonders engagierte Pflegekräfte, Abbau der Aufzeichnungspflichten, Einführung von KI-gestützten Hilfsinstrumenten
 
Der Trend in der E-Mobilität geht bei europäischen Herstellern hin zu batteriegetriebenen hochpreisigen SUVs, in das weniger rentable Geschäft mit bezahlbaren Kleinwagen wird nicht investiert.
Bedeutet E-Mobiltät auch, dass sich zukünftig weniger Menschen ein Auto werden leisten können? Was meinen Sie?

 
Nein, das Auto wird gerade auf dem Land auch zukünftig unverzichtbar sein. Es wird auch in 20 Jahren noch alle Klassen geben – auch mit Modellen, die erschwinglich sind.
 
Ist Abfahrtski im Allgäu noch ein touristisches Zukunfts- oder eher ein Auslaufmodell?
 
Es ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil unseres Wintertourismus.
 
Welche touristischen Angebote sollten das Allgäu seine Besuchern bieten und welche eher nicht, Stichwort „Grünten Bergwelt"?
 
Wir müssen einen Mix aus unberührter Natur und aus Erlebniselementen bieten, damit wir breit aufgestellt sind. Das Scheitern der Grünten Bergwelt bedaure ich sehr. Gerade dieses Projekt hätte enorm zur Besucherlenkung beigetragen.  
 
Um auch in Kempten den CO2 Ausstoss zu verringern, wurde u.a. über eine flächendeckende Einführung von Tempo 30 innerhalb des Rings nachgedacht. Eine gute Idee?
 
Nein. Gerade der Ring dient dazu, schnell von A nach B zu kommen.
 
In ihrem Wahlkreis muss eine Sporthalle für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden. Nun herrscht Ärger und Unmut unter der Bevölkerung. Was würden Sie den Menschen vor Ort sagen?
 
Dass wir in dieser Situation zusammenstehen müssen. Gleichwohl kann es so nicht weitergehen. Wir Kommunen sind an der absoluten Belastungsgrenze angelangt.
 
Sollte ihr Wahlkreis russische Flüchtlinge aufnehmen, die Angst vor einer Einberufung in Putins Armee haben?
 
Ja, unter bestimmten Umständen, die das Asylrecht regelt.
 
Sollten ukrainische Männer, die sich in ihrem Wahlkreis aufhalten, zwecks Einberufung in die ukrainische Armee in die Ukraine abgeschoben werden?
 
Ja.

Markus Reichart, 49 J., Bündnis 90 / Die Grünen

Sollte die während der Corona-Krise eingeführte Herabsetzung der Mehrwersteuer auf 7% in der Gastronomie beibehalten werden?
Die 7% sollten meines Erachtens stabil beibehalten werden, um der Gastronomie – und somit einem wichtigen Pfeiler in unserer Gesellschaft – den Rücken zu stärken.

Welchen Forderungen der Bauwirtschaft, wie u.a. auch denen der Sozialbau Kempten (Abbau von Vorgaben und Bürokratie bei Brandschutz, Schallschutz, Barrierefreiheit, Stellplätze, Schneelast-Vorgaben, TÜV-Prüfungen für Aufzüge), würden sie sich anschliessen, damit mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen kann?
Die vorhandene Ministerialbürokratie lähmt uns meiner Erfahrung nach am meisten – für jede neue Richtlinie oder jedes neue Gesetz gehören nach meiner Vorstellung zwei alte abgeschafft. Somit würde vieles in der Bauwirtschaft vereinfacht und als Synergie daraus können wir auch die überaus dicke Personaldecke im Laufe der Jahre ausdünnen und die hohen laufenden Personalkosten in der Ministerialbürokratie parallel senken.
Bezüglich der Stellplätz gehe ich voll mit: vieles in der Bauwirtschaft wird von den Pkw’s her gedacht – meines Erachtens ein überalterter Ansatz. Ein gutes und bezahlbares und damit attraktives ÖPNV-Angebot erspart uns Stellplätze en masse.

Wie könnte kurzfristig, also ohne Neubau, mehr Wohnraum und Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge im Wahlkreis geschaffen werden?
Es gilt, leerstehende Ressourcen zu nutzen – Politik und Gesellschaft müssen an einem Strang ziehen.

Ist das Einfamilienhäuschen im Grünen aus der Zeit gefallen?
Eindeutig: JA – den Bestand hegen und pflegen und zukünftige Siedlungspolitik (in Verbindung mit Mobilität) neu und zukunftsorientiert denken lautet für mich hierbei die Devise.

Welche Idee haben Sie zur Anschlussnutzung der Galeria Kaufhof in Kempten?
In meiner Vorstellung könnte hier im Zentrum ein toller Gewerbepark mit Dienstleistungen aller Art entstehen – ergänzt um gesellschaftliche Bildungsangebote.

Was könnte aus ihrer Sicht getan werden, um die Stellung der Hochschule Kempten in Forschung und Wissenschaft noch zu verbessern?
Möglicherweise könnte eine Zweigstelle der Hochschule in der bisherigen Galeria Kaufhof mit integriert werden nach dem Motto – „Forschung und Wissenschaft zum Anfassen im Stadtzentrum“. Damit würde diese überragende Institution meines Erachtens noch präsenter und attraktiver.

Was müsste ad hoc geschehen, um dem Pflegenotstand zu begegnen?
Die Qualität der Ausbildungen hochhalten und Fachkräfte besser bezahlen. Zur Entlastung des Systems finde ich, dass wir für jeden jungen Menschen nach der Schule / Ausbildung einen zweijährigen „Gesellschaftsdienst“ einführen sollten. Hierdurch würden auch viele im Bereich der Pflege aktiv werden – und später vielleicht ihre berufliche Passion darin finden.

Der Trend in der E-Mobilität geht bei europäischen Herstellern hin zu batteriegetriebenen hochpreisigen SUVs, in das weniger rentable Geschäft mit bezahlbaren Kleinwagen wird nicht investiert. Bedeutet E-Mobiltät auch, dass sich zukünftig weniger Menschen ein Auto werden leisten können? Was meinen Sie?
Der chinesische Automarkt tut alles dafür, die Pkw’s im Bereich der E Mobilität bezahlbar zu machen.
Generell bin ich überzeugt, dass wir die vorhandenen Mobilitätsherausforderungen nur durch den Ausbau der Bahnangebote und des ÖPNV hin zu einem Alltagstauglichen und bezahlbaren Instrument entwickeln müssen, um diese zu meistern. Hier braucht es ein top Angebot – dann wird es auch entsprechend angenommen.

Ist Abfahrtski im Allgäu noch ein touristisches Zukunfts- oder eher ein Auslaufmodell?
Aus meiner Sicht (leider) ein Auslaufmodell – wir sollten dem Klimawandel ins Auge sehen.

Welche touristischen Angebote sollten das Allgäu seine Besuchern bieten und welche eher nicht, Stichwort „Grünten Bergwelt"?
Maß und Mitte gilt es zu finden – ich glaube, vielen Touristen gefällt es bei uns im Allgäu, weil es hier im Gegensatz zu anderen touristischen Destinationen so „heimelig“ ist. Diesen Charme sollten wir uns bewahren. Daher finde ich, dass touristische Ziele in erster Linie zu Fuß und mit dem Rad erreichbar gemacht werden sollten.

Um auch in Kempten den CO2 Ausstoss zu verringern, wurde u.a. über eine flächendeckende Einführung von Tempo 30 innerhalb des Rings nachgedacht. Eine gute Idee?
Meines Erachtens braucht es einen guten ÖPNV, um die Pkw-Anzahl – und somit den CO2-Ausstoß – zu verringern. Eine Tempo-Absenkung würde auf jeden Fall der Verkehrssicherheit von Leuten auf dem Fahrrad entgegenkommen – und man könnte Radwege besser ausweisen. Auch dies würde so Manche/-n aus dem Pkw raus und aufs Fahrrad rauf bringen schon wieder CO2 reduziert

In ihrem Wahlkreis muss eine Sporthalle für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden. Nun herrscht Ärger und Unmut unter der Bevölkerung. Was würden Sie den Menschen vor Ort sagen?
Seit 2017 engagiere ich mich für Menschen auf der Flucht im Libanon, wo auf die Einwohnerzahl gerechnet die meisten Geflüchteten aus dem syrischen Bürgerkrieg leben. Zweimal jährlich bin ich in den Camps vor Ort – wir sind noch in der Aufwärmphase für das, was auf uns zukommt, wenn wir unser Verhalten beibehalten (Völkerwanderung durch Klimawandel und Kriege).
Gesamtgesellschaftlich bekommen wir die Entwicklungen meiner Meinung nach nur in den Griff, wenn wir die Schere zwischen Arm und Reich zusammenbekommen. Wir gehören zu den „Reichen“ (global betrachtet) – also werden wir unsere Gewohnheiten ändern und unseren Lebensstandard senken müssen. Ich weiß und verstehe auch, dass diese Botschaft schlecht ankommt – aber sie ist ehrlich und realistisch. Ich sage den Menschen vor Ort: wir bekommen das gemeinsam hin, denn ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie Krisenbewältigung im Nahen Osten funktioniert. Und zwar unter weitaus schwierigeren Bedingungen. Bin da echt guter Hoffnung und setze auf unseren Zusammenhalt!

Sollte ihr Wahlkreis russische Flüchtlinge aufnehmen, die Angst vor einer Einberufung in Putins Armee haben?
Warum denn nicht?

Sollten ukrainische Männer, die sich in ihrem Wahlkreis aufhalten, zwecks Einberufung in die ukrainische Armee in die Ukraine abgeschoben werden?
Natürlich nicht. Wir sollten niemanden in einen Krieg schicken und alles dafür tun, dass wir und unsere Nachbarn in Frieden leben können.

Hans-Jürgen Ulm, 46 J., SPD

Sollte die während der Corona-Krise eingeführte Herabsetzung der Mehrwersteuer auf 7% in der Gastronomie beibehalten werden?
Vorerst ja – langfristig, sollten die Regelungen zur Mehrwertsteuer an sich überdacht werden. Hier gibt es größeren Handlungsbedarf.

Welchen Forderungen der Bauwirtschaft, wie u.a. auch denen der Sozialbau Kempten (Abbau von Vorgaben und Bürokratie bei Brandschutz, Schallschutz, Barrierefreiheit, Stellplätze, Schneelast-Vorgaben, TÜV-Prüfungen für Aufzüge), würden sie sich anschliessen, damit mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen kann?
Stellplätze, Bürokratie bei Brandschutz

Wie könnte kurzfristig, also ohne Neubau, mehr Wohnraum und Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge im Wahlkreis geschaffen werden?
Umnutzung staatlicher leerstehender Gebäude, z.B. Kasernen.

Ist das Einfamilienhäuschen im Grünen aus der Zeit gefallen?
Nein. Der Traum vom Häuschen, treibt viele Menschen an, ist Motivation und gibt Sicherheit. Es gibt hier z.B. gute Initiativen, aufgelassene Höfe auf dem Land zu nutzen, statt neu zu bauen. Generell sollte der Schwerpunkt politischer Bemühungen aber auf dem Wohnungsbau liegen. Hier können wir schnell viel Wohnraum schaffen.

Welche Idee haben Sie zur Anschlussnutzung der Galeria Kaufhof in Kempten?
Idealerweise siedelt sich dort wieder Einzelhandel an. Ich denke nicht, dass es am langen Ende in politischer Hand ist, wie das Gebäude weiter genutzt wird. Ein Kauf durch die Stadt, kommt aber aus meiner Sicht nicht in Frage.

Was könnte aus ihrer Sicht getan werden, um die Stellung der Hochschule Kempten in Forschung und Wissenschaft noch zu verbessern?
Weiterer Ausbau im Bereich der Energie- und Umwelttechnik, als absolute Zukunftstechnologien.

Was müsste ad hoc geschehen, um dem Pflegenotstand zu begegnen?
Ein Baustein ist die Entbürokratisierung. Dokumentationen lassen sich, schon aus rechtlichen Gründen, nicht vermeiden – sicher aber Digitalisieren. Dies würde den Pflegenden mehr Zeit für ihre eigentliche Arbeit ermöglichen.

Der Trend in der E-Mobilität geht bei europäischen Herstellern hin zu batteriegetriebenen hochpreisigen SUVs, in das weniger rentable Geschäft mit bezahlbaren Kleinwagen wird nicht investiert. Bedeutet E-Mobiltät auch, dass sich zukünftig weniger Menschen ein Auto werden leisten können? Was meinen Sie?
Nein. Da vertraue ich auf den Markt.

Ist Abfahrtski im Allgäu noch ein touristisches Zukunfts- oder eher ein Auslaufmodell?
Als Allgäuer, bin ich Skifahrer, aber auch Realist – insoweit leider ein Auslaufmodell.

Welche touristischen Angebote sollten das Allgäu seine Besuchern bieten und welche eher nicht, Stichwort „Grünten Bergwelt"?
Das sollten die Gemeinden und die Bürger, vor Ort gemeinsam entscheiden. Es braucht sicher Alternativen zu dem bisherigen 2-Saison-Modell, um das Allgäu langfristig attraktiv zu halten. Grundsätzlich bin ich für sanften, naturnahen Tourismus.

Um auch in Kempten den CO2 Ausstoss zu verringern, wurde u.a. über eine flächendeckende Einführung von Tempo 30 innerhalb des Rings nachgedacht. Eine gute Idee?
Eine gute Idee wäre es, es endlich den Kommunen zu überlassen wo Tempo 30 Zonen eingerichtet werden. So ist das in Teilen der Memminger Straße sicher eine gute Option, in der Rottachstraße wäre ich beispielsweise dagegen. Ich bin für Einzelfallentscheidungen vor Ort.

In ihrem Wahlkreis muss eine Sporthalle für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden. Nun herrscht Ärger und Unmut unter der Bevölkerung. Was würden Sie den Menschen vor Ort sagen?
Da diese Unterbringung, für alle Beteiligten nur eine Übergangslösung sein kann, bleibt hier wohl nur um Verständnis zu bitten. Gäbe es andere Alternativen, würde jeder politisch Verantwortliche diese vorziehen.

Sollte ihr Wahlkreis russische Flüchtlinge aufnehmen, die Angst vor einer Einberufung in Putins Armee haben?
Das liegt sicher nicht in der Entscheidungsbefugnis des Wahlkreises.

Sollten ukrainische Männer, die sich in ihrem Wahlkreis aufhalten, zwecks Einberufung in die ukrainische Armee in die Ukraine abgeschoben werden?
Nein.