Rasenmäher-Eltern: Die neue Generation der Helikopter-Eltern

Warum ist dieser Erziehungsstil problematisch?

Die Schublade. Immer gern gesehen bei Eltern. So herrlich lassen sich die unterschiedlichen Erziehungsformen der Altvorderen einsortieren. Was wären wir ohne das Schubladendenken. Sympathisanten dieses im Geiste entstehende Verstauungskonstruktes werden jubilieren, denn es erstreckt sich eine neue Schublade am Horizont: die Schublade der Rasenmäher-Eltern. Aber was genau macht diese Art des Elternseins aus? Gibt es Verwandtschaft bei den Helikoptern? Was sich zunächst amüsant lesen lässt, kann bei Kindern Folgen verursachen, die sie im späteren Leben begleiten werden. Was es für Sie und Ihre Kinder bedeutet, sich in dieser Schublade wiederzufinden, lesen Sie hier.

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Definition von „Rasenmäher-Eltern“

Immer häufiger greifen Eltern in das Spiel oder die sozialen Begegnungen ihrer Kinder ein. Sie entfernen potentielle Hindernisse, bevor ihr Kind darüber stolpern könnte und ebnen ihnen den Weg.  

Diese neue Generation von Eltern bezeichnen Experten als “Rasenmäher-Eltern”. Sie gehören – wenn man so möchte – zur Familie der “Helikopter-Eltern”. Dieser Begriff ist den meisten mittlerweile geläufig und beschreibt Eltern, die überfürsorglich mit ihren Kindern umgehen und sinnbildlich wie ein Helikopter über ihrem Nachwuchs schweben, um potenzielle Gefahren rechtzeitig zu erkennen und sie vor ihnen zu schützen. 

So auch das Konzept der Rasenmäher-Eltern: sie versuchen ihr Möglichstes, um ihr Kind vor Rückschlägen, Auseinandersetzungen oder Misserfolgen zu bewahren. Anstatt Kinder auf Herausforderungen und Widrigkeiten vorzubereiten, mäht die Elternschaft Hindernisse regelrecht nieder, sodass ihre Kinder sie noch nicht einmal im Ansatz zu spüren bekommen.

Warum ist dieser Erziehungsstil problematisch?

Niemand weiß, wie weit er bei einer Hürde Anlauf nehmen muss, wenn er noch niemals über eine gesprungen ist. Ziehen wir Kinder groß, die nur wenige Auseinandersetzungen erlebt haben, erschaffen wir eine Generation, die nicht weiß, was sie tun soll, wenn sie tatsächlich mal auf ein Hindernis stößt. Wir bekommen durch das Abhalten von Widrigkeiten keine glücklicheren Kinder, sondern ziehen eine Generation heran, die beim bloßen Gedanken an einen Misserfolg in Panik ausbricht. Das Überbehüten kann demnach großen Schaden anrichten. Denn laut eines australischen Psychologen nehmen Eltern Ihre Kinder dadurch als hilflose Wesen dar, die nichts selbstständig schaffen. Gerade Erfahrungen wie auf Bäume klettern, Streit austragen oder den Schulweg eigens meistern sind elementar für eine gesunde Entwicklung.

Welche kindlichen Entwicklungsfolgen ergeben sich daraus? 

Kinder von überbehütenden Eltern entwickeln keine Motivation und keinen eigenen Antrieb. Denn sie kennen nur den Weg, der für sie bereits vorbereitet wurde. Sie sind nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen und bekommen ständig die Botschaft vermittelt, nicht gut genug zu sein, um ihre eigenen Bedürfnisse und Probleme zu begreifen und zu lösen.

Entstehender Druck auf die Kinder

Der Glaubenssatz „ich kann nichts allein schaffen“ ist für Kinder fatal. Experten im Bereich Psychologie beschreiben, dass Kinder selbstwirksam etwas bewirken wollen und sich somit selbst zeigen, dass sie es auch können. So entwickeln sie Selbstwertgefühl und Selbstachtung. Und die Überzeugung, Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können. Diese Entwicklung darf Kindern nicht genommen werden, denn irgendwann werden sie eine raue Welt kennenlernen, in der sie sich dann völlig verloren vorfinden.

Warum werden Eltern zu Rasenmäher-Eltern?

Niemand dieses Elterntyps möchte seinen Kindern vorsätzlich Schaden. Vielmehr ist es der Glaube, dass Kinder glücklicher werden, wenn sie wenig Frust und Hürden erfahren. Auch Zukunftsängste sorgen dafür, ein gemütliches Nest für den Nachwuchs zu bauen. Schlichtweg die Angst vor Gefahren, Ausgrenzung oder einem Scheitern führen ebenfalls dazu, dass Eltern Ihre Kindern eng bei sich halten. Auch wird der Druck der Gesellschaft von Jahr zu Jahr schwerer: sowohl die Frühförderung als auch die Bildung nehmen einen immer höheren Stellenwert in der Kindererziehung ein. Eltern scheinen sich mit übermäßiger Kontrolle diesem Druck eher gewachsen zu fühlen. Aber auch eine Frühgeburt oder Krankheiten der Kinder können diesen Elterntyp hervorrufen.

Diese Merkmale treffen beispielsweise auf Rasenmäher-Eltern zu:

  • Eltern sehen überall Gefahren
  • Eltern erledigen selbst Kleinigkeiten oder einfache Aufgaben für ihr Kind
  • Eltern greifen vorschnell in harmlose Situationen ein
  • Mögliche Hindernisse werden frühzeitig und gründlich aus dem Weg geräumt
  • Kinder werden überallhin begleitet, auch wenn dies nicht nötig ist
  • Anstatt mit anderen Kindern spielen die Eltern vorwiegend selbst mit ihrem Kind
  • Kinder müssen keine Verantwortung übernehmen
  • Freunde dürfen nicht selbst gewählt werden, sondern werden von den Eltern auserkoren

Wie kann dieser Erziehungsstil abgelegt werden? 

Halten Sie sich weitestgehend aus den Angelegenheiten Ihres Kindes heraus. Seien Sie auch zukünftig für Ihr Kind da, aber lassen Sie es seine eigenen Kämpfe im Freundeskreis austragen. Greifen Sie nur bei Handgreiflichkeiten ein.

Lassen Sie Ihr Kind von seinem Tag erzählen, anstatt es ständig zu beobachten. Sollte es Konflikte im Tag Ihres Kindes gegeben haben, geben Sie die Möglichkeit, das Kind selbst reflektieren zu lassen und eigenständig Lösungen finden. Unterstützen Sie begleitend und beratend, nicht eingreifend.

Hausaufgaben sind von Lehrern so angelegt, dass Kinder sie selbstständig lösen können. Vertrauen Sie darauf und verzeihen Sie Fehler. Fehler sind gut: sie fördern den Lernprozess und sind Teil unseres Lebens.

FAZIT:

Haben Sie sich in diesem Artikel wiederfinden können? Dann ist die Zeit für Veränderungen gekommen. Überbehüten schadet der kindlichen Entwicklung und hemmt die Selbstwirksamkeit der Kinder. Loslassen und Vertrauen ist ein Prozess, den Eltern lernen können. Es lohnt sich. Für beide Seiten. Wichtig: Rasenmäher-Eltern sind keine schlechten Eltern. Sie lieben Ihr Kind. Sie sollten die Liebe nur anders verteilen. Das ist schon alles. Schublade zu. | Text: Stefanie Steinbach