So lädt das E-Bike kabellos: Was Tiler mit seiner Ladestation möglich macht

Ladezeit bei 3,5h

Im Alltag ist kabelloses Laden längst selbstverständlich. Smartphones, Kopfhörer oder Smartwatches werden einfach auf ein Ladepad gelegt – ohne Kabel oder Stecker. Bei E-Bikes sieht das bislang anders aus: Wer unterwegs Strom benötigt, braucht eine Steckdose und ein Ladegerät. Beides ist selten spontan verfügbar. Das niederländische Unternehmen Tiler hat dafür nun eine Lösung entwickelt: Ein kabelloses Ladesystem für E-Bikes, das lediglich aus einem speziellen Ständer und aus einer Ladematte besteht, die nur im Boden installiert und verkabelt werden muss.

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Bild: stock.adobe

Ein System aus Kachel und Ständer
Das Prinzip des innovativen Tiler-Systems ist einfach: Eine flache Ladeplatte wird an eine gewöhnliche Haushaltssteckdose angeschlossen. Am E-Bike ersetzt ein speziell entwickelter Seitenständer das Originalteil. Wird das Rad so abgestellt, dass der Ständer mittig auf der markierten Fläche steht, beginnt der Ladevorgang automatisch – ganz ohne Stecker und vor allem ohne Kabelsalat. 

Technisch basiert das System auf induktiver Energieübertragung: Der Strom fließt drahtlos von der Ladefläche über den Ständer in den Akku. Gegenüber üblichen Kabel-Ladegeräten entfällt also das lästige Anschließen der Buchse – das E Bike lädt sofort nach dem Abstellen. Die Ladeleistung beträgt dabei 150 Watt, die Ladezeit für einen 500-Wattstunden-Akku liegt bei rund 3,5 Stunden, laut Hersteller erreicht das System zudem einen Wirkungsgrad von über 85 Prozent. Die Stromzufuhr kann bei etwa 80 Prozent automatisch beendet werden – ein Wert, der der Akkuschonung dient. Eine einzelne Steckdose kann bis zu 24 dieser Ladeplatten mit Strom versorgen. 

Alltagstauglich und wartungsarm
Das System bietet mehrere praktische Vorteile. Besonders im städtischen Raum, wo Fahrräder häufig in Innenhöfen, Garagen oder an Sammelstationen abgestellt werden, entfällt das Hantieren mit Steckern oder der Ausbau schwerer Akkus. Stattdessen genügt das exakte Abstellen des Rads – der Rest läuft automatisiert. Familien oder auch Elektro-Pendler laden ihr Bike demnach ganz bequem zuhause oder am Arbeitsplatz.

Auch sicherheitstechnisch ergeben sich Vorteile: Der Akku bleibt im Fahrrad, wodurch das Risiko von Sturzschäden oder falscher Handhabung sinkt. Ein weiterer Pluspunkt liegt in der Effizienz: Trotz des kabellosen Ansatzes erfolgt der Ladevorgang mit nahezu gleicher Geschwindigkeit wie bei kabelgebundenen Lösungen. Gleichzeitig verlängert die Ladebegrenzung auf 80 Prozent die Lebensdauer des Akkus. Der Ladevorgang erfolgt nahezu geräuschlos, die Technik arbeitet wartungsfrei. Für geteilte Abstellplätze – etwa in Wohnanlagen oder bei Sharing-Flotten – entfällt außerdem die Notwendigkeit, ein eigenes Ladegerät vorzuhalten.

Für Flotten und Privathaushalte
Tiler entwickelte das System ursprünglich für professionelle Anwendungen – etwa für Hotels, Mobilitätsanbieter oder Sharing-Dienste. Inzwischen richtet sich das Unternehmen aber zunehmend an den privaten Markt. Mit der Version „Tiler Compact“ wurde eine platzsparende und kostengünstigere Ausführung für private Nutzer entwickelt, die sich ohne bauliche Veränderungen installieren lässt.

Kompatibel ist das System laut Hersteller mit etwa 75 bis 80 Prozent der gängigen Antriebe – darunter Bosch, Yamaha, Bafang oder Zehus. Für die Verbindung zwischen Ladeplatte und Radakku stehen verschiedene Adapterlösungen bereit. Auch eine gemeinsame Nutzung einer Ladestation durch mehrere Räder ist möglich.

Erste Anwendungen & Perspektive
Die Entwicklung des kabellosen Ladesystems begann bereits 2016 an der Technischen Universität Delft. Seither wurde die Technologie kontinuierlich weiterentwickelt und in mehreren Praxisprojekten erprobt. Erste Installationen gibt es in den Niederlanden, Belgien und Deutschland. 

Ein Pilotprojekt in der Region München in Zusammenarbeit mit dem Anbieter Evhcle zeigte, wie das System auch im Flotteneinsatz überzeugt: Zwanzig E-Lastenräder wurden dabei an zehn Mobilitätsstationen mit dem System ausgestattet. Der Betreiber konnte monatlich rund 1.250 Euro an Personalkosten einsparen, da das manuelle Laden und Tauschen der Akkus entfiel. Gleichzeitig sank der Bedarf an Ersatzakkus.

Derzeit läuft zudem eine Crowdfunding-Kampagne, mit der Tiler die Serienfertigung des neuen Systems finanzieren will. Die Auslieferung der kompakten Variante für den Privatgebrauch ist für 2026 geplant. Des Weiteren ist der Plan, die Technologie ab dem Jahr 2026 in ganz Europa auszurollen.

Der Preis für Ladeplatte und Ständer liegt laut Hersteller bei etwa 250 Euro. Zusätzlich sind Varianten für Lastenräder unter dem Namen „Tiler Cube“ in Arbeit. Ziel ist es, die kabellose Ladeinfrastruktur perspektivisch auch auf E-Scooter, E-Mopeds und andere Formen urbaner Mikromobilität auszuweiten. Ob sich die Lösung flächendeckend durchsetzen wird, hängt dann nicht zuletzt von der Akzeptanz am Markt und der Unterstützung durch Hersteller ab.

FAZIT:
Das kabellose Ladesystem von Tiler macht das Aufladen von E-Bikes einfacher, sicherer und alltagstauglicher. Statt Steckdose und Ladegerät genügt das Abstellen auf einer Ladefläche – der Strom fließt automatisch. Eine Innovation mit echtem Nutzen, die sowohl für Flotten als auch für Privathaushalte interessant ist. Sie könnte das Ladeverhalten dauerhaft verändern – hin zu mehr Komfort im Alltag. |Text: Vera Mergle