Südafrika: Ex-Sprintstar Oscar Pistorius kommt im Januar auf Bewährung frei
Knapp elf Jahre nach seinen tödlichen Schüssen auf seine Freundin Reeva Steenkamp kommt der frühere südafrikanische Sprintstar Oscar Pistorius vorzeitig aus der Haft frei. Wie die Gefängnisbehörde DCS am Freitag mitteilte, wird der 37-Jährige am 5. Januar auf Bewährung aus der Haft entlassen.
Ein Bewährungsausschuss hatte seit Freitagmorgen in Pistorius' Haftanstalt in einem Vorort von Pretoria darüber beraten, ob er für die "gesellschaftliche Reintegration geeignet ist oder nicht". Nach DCS-Angaben entspricht seine vorzeitige Haftentlassung auf Bewährung dem Gesetz. Demnach steht Pistorius in dieser Zeit "unter ständiger Aufsicht" und ist strengen Auflagen unterworfen.
Wie der Sprecher der Familie Steenkamp, Rob Matthews, später ergänzte, darf der ehemalige Behindertensportler nur mit Erlaubnis den Vorort Waterkloof verlassen und muss ein Programm zur Resozialisierung absolvieren: Dazu zählen gemeinnützige Arbeit sowie ein Anti-Aggressionstraining und eine "Therapie für seine Probleme mit geschlechtsspezifischer Gewalt". Demnach dauert die Bewährungszeit bis zum 5. Dezember 2029.
Häftlinge in Südafrika kommen automatisch für eine Haftentlassung auf Bewährung in Frage, wenn sie die Hälfte ihrer Strafe abgesessen haben. Ein erster Antrag des ehemaligen Sprintstars war im März aber überraschend gescheitert. Die Strafvollzugsbehörde war damals der Ansicht, dass Pistorius die erforderliche Mindesthaftdauer noch nicht erreicht hatte.
Pistorius hatte seine Freundin in der Nacht zum Valentinstag 2013 in seinem stark gesicherten Haus mit mehreren Schüssen durch die Badezimmertür getötet. Er wurde kurz darauf festgenommen und beteuerte, er habe Reeva Steenkamp für einen Einbrecher gehalten.
2014 wurde Pistorius zunächst wegen fahrlässiger Tötung seiner Freundin zu fünf Jahren Haft verurteilt. Nach Widerspruch der Staatsanwaltschaft wurde er 2017 schließlich vom Obersten Berufungsgericht wegen Mordes zu 13 Jahren und fünf Monaten Gefängnis verurteilt.
Die Behörden hatten sich im März bei der Anrechnung der Haftzeit auf das letzte Urteil gestützt. Das südafrikanische Verfassungsgericht widersprach dieser Auffassung aber im Oktober: Es entschied, dass die Haftzeit mit dem Zeitpunkt zu beginnen hat, an dem Pistorius das erste Mal inhaftiert wurde.
Steenkamps Mutter June hat dem Antrag von Pistorius auf eine vorzeitige Entlassung offiziell nicht widersprochen. In einer Erklärung für den Bewährungsausschuss betonte sie aber am Freitag erneut, dass er bis heute keine echte Reue gezeigt habe.
"Resozialisierung setzt voraus, dass man sich ernsthaft mit der vollen Wahrheit seines Verbrechens und den Konsequenzen auseinandersetzt", erklärte Steenkamp. Niemand aber könne behaupten, Reue zu empfinden, wenn er sich nicht mit der Wahrheit auseinandersetze.
In ihrer von dem Sprecher der Familie vor der Presse verlesenen Erklärung versicherte June Steenkamp erneut, sie glaube der Version des 37-Jährigen nicht, dass er ihre Tochter versehentlich erschossen habe. "Mein liebes Kind hat so laut um sein Leben geschrien, dass die Nachbarn es hören konnten."
Gleichzeitig aber versicherte June Steenkamp, sie habe dem beidseitig Unterschenkel-amputierten Ex-Sprinter "schon vor langer Zeit vergeben" - sonst hätte ihr anhaltender Groll sie umgebracht. Ihr Mann Barry war im September im Alter von 80 Jahren gestorben. Als Teil seiner Resozialisierung hatte Pistorius im vergangenen Jahr die Eltern von Reeva Steenkamp besucht.
Vor dem gewaltsamen Tod seiner Freundin hatte Pistorius Sportgeschichte geschrieben. Bei den Olympischen Spielen 2012 in London maß er sich als erster Behinderter beim 400-Meter-Lauf mit nicht-behinderten Sportlern. Außerdem hat der wegen seiner Unterschenkelprothesen damals als "Blade Runner" bekannte Läufer bei paralympischen Spielen insgesamt sechs Goldmedaillen geholt.
© 2023 AFP