Überforderung: Wie erklären Sie es Ihrem Chef?

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Fast liebevoll drapieren die Kollegen die zu bearbeitenden Unterlagen auf Ihrem Schreibtisch zu einem expressionistischen Gesamtkunstwerk. Ihr Blick schweift dabei gekonnt über den wachsenden Berg aus Verzweiflung und Zeitaufwand. Sie sind mittlerweile gut darin darüber hinwegzusehen, lächeln müde über jede kleine Dokumentenlawine, die Ihre Motivation unter sich begräbt. Sie erhoffen sich Rettung. Halten nach Berner Sennenhunden mit kleinen Fässchen unter dem Hals Ausschau. Doch es kommt keiner...

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Genug! Sie beschließen sich zu erheben, die Zettel und Haftnotizen abzustreifen und unter mentalem Halleluja-Gesang in das Büro Ihres Vorgesetzen zu schreiten. Nur wie erklären Sie ihm, dass Sie überfordert sind? 

Risiko bei Überforderung

Das Dilemma: Annähernd kein Mensch möchte den Eindruck erwecken, nicht belastbar zu sein. Etwas nicht zu schaffen, erzeugt Versagensängste und lässt die eigene Leistung als ungenügend dastehen. Gleichzeitig darf die Überforderung nicht zum Dauerzustand werden. Folge: Leistung und das individuelle Wohlbefinden werden in Mitleidenschaft gezogen. Das Risiko in beiden Fällen ist der Eindruck, dass der betroffene Mitarbeiter nicht der Leistungsträger ist, für den die Personalabteilung ihn gehalten hat. Um also eine großflächige Suchaktion mit Hunden und Lawinentrupps zu umgehen, sollte der Arbeitnehmer sich zu Wort melden. Denn der Arbeitgeber ist verpflichtet, Überlastung zu vermeiden. Selbstredend kann Besagter dies nur, wenn er davon in Kenntnis gesetzt wird. 

Wie sagen Sie es Ihrem Chef?

Mit Vorbereitung. Machen Sie zunächst eine Bestandsaufnahme: Seit wann haben Sie das Gefühl, überfordert zu sein? Wie äußert sich diese Überforderung? Liegt es an der Arbeitsmenge oder an gewachsenen Ansprüchen des Unternehmens? Benennen Sie die Tätigkeiten, bei denen Sie nicht mehr Herr*in der Lage sind. So ist nachvollziehbar, was sich im Vergleich zu vorher geändert hat. Gleichzeitig können Sie reflektieren, ob es wiederkehrende Muster gibt oder womöglich ein einziges Ereignis zur Überlastung am Arbeitsplatz beigetragen hat.

Überlegen Sie weiter, ob dieser Zustand durch Ihr eigenes Handeln geändert werden kann. Zum Beispiel können Sie Kollegen um Hilfe bitten oder Ihre Aufgabenpriorisierung verändern. Dauert Ihre Überforderung weiterhin an, bitten Sie um ein Mitarbeitergespräch. 

Woran erkennbar ist, dass Sie überfordert sind

Aus Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberperspektive lässt sich Überforderung an bestimmten Faktoren erkennen. Einige sind äußerer, andere innerer Natur. Für sich stehend müssen diese Gesichtspunkte kein Hinweis sein. Treten sie allerdings häufig und gebündelt auf, sollten Mitarbeiter und Führungskräfte die Situation aufmerksam beobachten, z.B. bei Überstunden, Konzentrationsschwierigkeiten, gestiegene Auftragslage bei gleichbleibendem Personalschlüssel und vermehrten Krankschreibungen. 

Gründe für Überforderung

Unsere Arbeitswelt ist seit Jahren im Wandel. Die Digitalisierung soll einerseits Arbeitsvorgänge erleichtern, andererseits trägt sie zu einem dauerhaften Stresspensum bei. Inwiefern? Heute haben wir mannigfaltige Möglichkeiten, unser Berufsleben auch mit nach Hause zu nehmen. Via Mail oder WhatsApp lassen sich locker auch während des Familienessens Nachrichten versenden. Die ständige Erreichbarkeit steigert die Erwartungen auf der Absenderseite. 

Auch die Arbeitsverdichtung spielt bei Überforderung vorne mit: Soll die Qualität der Ware erhalten bleiben, können Unternehmen im Konkurrenzkampf mit anderen Firmen oftmals nur an Personalkosten sparen. Einsparungen sind dann nicht über das Gehalt, sondern die Anzahl der Beschäftigten möglich. Ergo: Höheres Arbeitsvolumen für den einzelnen.

Als weiterer Grund steht die Selbstorganisation im Fokus. Ungeachtet des tatsächlichen Arbeitsaufkommens kann Überforderung ein Resultat schlechter Selbstorganisation sein, sei es eine schlechte Aufgabenpriorisierung oder ein Mangel an Disziplin, Konzentration und zeitaufwendiger Perfektion.

Handlungsalternativen: Das können Sie tun

Klipp und klar: Aktiv etwas verändern. Andernfalls kann ein Burnout die nächste Stufe sein. Ist Ihr Vorgesetzter versiert und kommt seiner Fürsorgepflicht nach, kann z.B. bei fehlendem notwendigem Wissen eine Fortbildung für den betroffenen Arbeitnehmer denkbar sein. Verlief das Gespräch mit dem Chef jedoch erfolglos, so gibt es verschiedene Alternativen:

Delegieren: Je nach Position können Sie sich eine Arbeitserleichterung verschaffen, indem Sie Aufgaben weiterreichen. 

Betriebsrat: Zeigt sich der Vorgesetzte hingegen uneinsichtig, kann unter Umständen der Betriebsrat weiterhelfen.

Jobwechsel: Die Notlösung, wenn alle anderen Alternativen nicht funktionieren. Lassen sich weder durch Ihr Handeln noch durch Gespräche Lösungen herbeiführen, ist ein Jobwechsel oft der gesündere Weg. |Text: Stefanie Steinbach

FAZIT: 

Handeln Sie! Werden Sie aktiv und suchen nach Lösungswegen, sollte Sie das dauerhafte Gefühl von Stress nicht mehr loslassen. Suchen Sie dabei zunächst Lösungswege in Ihrer Arbeitsweise, danach gehen Sie Stück für Stück weiter, sollten Sie nicht fündig werden. Über Kollegen und schließlich bis zu Ihrem Vorgesetzen gibt es viele Wege, Ihre Überforderung zu bewältigen. Werden Sie so zum Gipfelstürmer und machen das, was man auf einem Gipfel eben macht: Pause.

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