EU einigt sich auf "historischen" Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz

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Illustration zu künstlicher IntelligenzBild: AFP/Archiv / Olivier MORIN

Die Europäische Union bekommt ein Regelwerk für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton gab am Freitagabend nach langwierigen Verhandlungen zwischen den Unterhändlern der Mitgliedstaaten und des Europaparlaments eine politische Vereinbarung für den neuen Rechtsrahmen bekannt. Während Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) das Gesetz am Samstag begrüßte, warnte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dass der neue Rechtsrahmen den Wirtschaftsstandort Deutschland "bei der KI-gestützten Transformation" ausbremse.

"Historisch! Die EU wird der allererste Kontinent, der klare Regeln für die Nutzung von KI setzt", schrieb Breton im Kurzbotschaftendienst X, früher Twitter. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte das Gesetz am Samstag als "historischen Moment". Damit würden "die europäischen Werte in eine neue Ära übertragen", erklärte sie. Bis das Gesetz vollständig in Kraft trete, würden Unternehmen und Entwickler dabei unterstützt, "sich auf die neuen Vorschriften einzustellen".

Zum Abschluss der am Mittwochnachmittag gestarteten Verhandlungsrunde, die rund 35 Stunden dauerte, hatte von der Leyen in Onlinediensten erklärt, das KI-Gesetz (AI Act) sei eine "weltweite Premiere". Es handle sich um ein rechtliches Rahmenwerk für die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz, der die Menschen "vertrauen" könnten. Außerdem würden "Sicherheit und Grundrechte von Menschen und Unternehmen" geschützt.

Nach der politischen Einigung vom Freitagabend müssen nun noch technische Details ausgearbeitet werden. Die Regeln sollen unter anderem die Qualität der für die Entwicklung der Algorithmen verwendeten Daten gewährleisten und sicherstellen, dass bei der KI-Entwicklung keine Urheberrechte verletzt werden. Außerdem müssen Entwickler klar kenntlich machen, dass durch Künstliche Intelligenz geschaffene Texte, Bilder und Töne auf dieser Technologie beruhen.

Verschärfte Vorgaben soll es für "risikoreiche" Anwendungen geben, etwa bei kritischer Infrastruktur, Sicherheitsbehörden und Personalverwaltung. Dort sollen eine Kontrolle durch den Menschen über KI, eine technische Dokumentation und ein System zum Risikomanagement festgeschrieben werden.

Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) begrüßte das Gesetz. Die neuen Regelungen seien "wichtig, damit wir angesichts der rasanten technologischen Entwicklung Schritt halten können, um die Rechte der Menschen zu schützen", erklärte Lemke. Auch die Vorsitzende des Digitalausschusses, Tabea Rößner (Grüne), zeigte sich nach der Einigung zufrieden. Mit dem Gesetz bekomme Europa "als erster Kontinent einen ausgewogenen und umfassenden Rechtsrahmen" für KI.

Zustimmung für die Einigung kam auch vom TÜV-Verband. Europa sende mit dem Regelwerk "ein klares Signal in die Welt: Künstliche Intelligenz muss sicher sein", erklärte der Geschäftsführer des TÜV-Verbands, Joachim Bühler. "Die Technologie darf Menschen nicht gefährden oder benachteiligen."

Bundesverkehrs- und Digitalminister Volker Wissing (FDP) hingegen erklärte, er bewerte das Ergebnis "zurückhaltend". Es habe verhindert werden können, dass sogenannte Allzweck-KI ("general-purpose AI") wie der Chatbot ChatGPT "in den Hochrisikobereich fallen", teilte Wissing mit. Ob es gelungen sei, dass der Rechtsrahmen "Innovationen" ermögliche und "die Regulierung verhältnismäßig" sei, "werden wir uns in den nächsten Tagen sehr genau anschauen".

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisierte die Einigung. Mit dem erzielten Kompromiss drohe Europa, bei der "für die digitale Transformation zentralen Schlüsseltechnologie Künstliche Intelligenz ins Hintertreffen zu geraten", erklärte Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung.

Die EU-Kommission hatte im April 2021 erstmals einen Rechtsrahmen für den Einsatz Künstlicher Intelligenz vorgeschlagen. Die Verhandlungen zogen sich aber in die Länge. Die großen Mitgliedsländer Deutschland, Frankreich und Italien hatten zuletzt vor scharfen Auflagen gewarnt, um die Entwicklung der Zukunftstechnologie nicht zu gefährden. So gibt es Befürchtungen, Start-Up-Unternehmen wie Aleph Alpha aus Deutschland und Mistral AI in Frankreich könnten in ihrer Entwicklung behindert werden.

Das Thema Künstliche Intelligenz hatte vor rund einem Jahr durch die Veröffentlichung von ChatGPT durch das US-Unternehmen OpenAI an Prominenz gewonnen. ChatGPT machte die Möglichkeiten der KI damit schlagartig einem großen Publikum bewusst. Zugleich wuchsen die Befürchtungen zu möglichen Gefahren der Technologie.