Unkaputtbar: Frank Schmidt schreibt über sein Leben, seinen Fußball, seinen FCH
Im exklusiven Interview mit TRENDYone
"Das sprengt alle Grenzen, die wir uns hätten vorstellen können", rief Coach Frank Schmidt den Fans beim großen Aufstiegsfest in der eigenen Voith-Arena zu und bedankte sich noch einmal für den Support. Er selbst hat im Heidenheimer Stadion einst vor 250 Fans gespielt, und nun ist er Meister- und Aufstiegstrainer des FCH. In der Saison 2023/34 heißt das jetzt: der FCH ist einer von 18 Bundesligisten. Es war am Ende sehr spannend, denn zwischenzeitlich rutschte Heidenheim am letzten Spieltag auf den Relegationsrang, konnte sich aber durch den Siegtreffer von Tim Kleindienst in der neunten Minute der Nachspielzeit in Regensburg zum Sieger und in der Liga zu Meister und Aufsteiger spielen.
Für TRENDYone sprach Marion Buk-Kluger mit Frank Schmidt, der sich im Südtiroler Trainingslager Zeit für ein Interview nahm.
Es gibt einen Satz in ihrem Buch, der mich sehr beeindruckt hat: „Ein Irrsinn ganz nach meinem Geschmack.“ Es geht hier um ihre Zeit in der C-Jugend bei der TSG Giengen, als ihr damaliger Trainer Christof und heutiger Schwiegervater die Mannschaft an zwei parallel laufenden Turnieren angemeldet hat. Für mich zudem der zentrale Satz, der sich irgendwie durchs Buch, durch ihr Leben zieht. Denn in Irrsinn steckt ja auch Sinn. Und irgendwie macht alles bei ihnen: Sinn.
Schmidt: Da bin ich froh, dass sie das so sagen. Am Ende darf man nicht vergessen, ich erzähle darin meine persönliche Geschichte. Für mich hat alles Sinn gemacht. Daher war mein Ansatz, dass mein Buch leicht verständlich ist. Der Grund für die Ticker-Form, da ein Ticker schnell gelesen werden kann. Es ist ein Buch nach meinem Geschmack, mit Geschichten nach meinem Geschmack. Wie eben diese, als mein damaliger Trainer und heutiger Schwiegervater diese Doppelmeldung, ohne den Verband ins Boot zu holen, ausgeheckt und geplant hat. Ich war Spieler und Wettkampf war für mich schon immer eine große Herausforderung. Zwei Turniere an einem Tag zu spielen und auch noch zu gewinnen, daher: ein Irrsinn ganz nach meinem Geschmack.
Ich habe den Eindruck bei Ihnen und dem FCH ist es wie in einem mittelständischen Betrieb, der Erfolg haben will und hat, über „malochen“ wie sie es in einem anderen Interview einmal ausdrückten, der aber kein DAX-Unternehmen werden will? Jetzt sind sie in der ersten Bundesliga gelandet. Wie glauben sie, dies zu schaffen, sich diese Einstellung zu bewahren. Denn der Sprung ins Fußball-Oberhaus ist ja nun schon noch ein enormer.
Wir sprechen ja von dieser Nische, die wir für uns entdeckt haben, die wir jeden Tag zu 100 Prozent leben. Vielleicht muss ich Sie da nun aber ein wenig enttäuschen. Ob uns das gelingt, kann ich nicht beantworten. Wir werden alles dafür tun. Es ist jedoch wichtig, zu sehen, dass dieser Aufstieg noch einmal komplett etwas ganz Anderes ist. Der Sprung von der zweiten in die erste Liga ist ein Quantensprung, da die Bedingungen und Anforderungen an uns extrem steigen. Ich weiß nur, dass wir uns treu bleiben werden. Bereits jetzt in der Vorbereitung bringen wir weiterhin unsere Lebenseinstellung ein. Wenn wir es mit einem mittelständischen Betrieb vergleichen, in dem es familiär zugeht, jeder jeden kennt, ist aber auch hier das professionelle und vor allem erfolgreiche Arbeitenunser oberstes Ziel, an dem wir gemessen werden. Wir kommen aus einer Region, in der es viel Mittelstand gibt, vielleicht eine der wirtschaftlich stärksten in Deutschland. Es ist klar, dass wir so Fußball spielen möchten, damit sich die Menschen mit uns identifizieren wollen. Und deswegen darf und wird sich der Umgang untereinander nicht ändern, solange ich Trainer bin, da diese zwischenmenschliche Komponente sehr wichtig ist. Aber auf dem Platz gibt es auch für uns keine Kompromisse, da müssen wir an Grenzen kommen, diese verschieben, bereit sein, uns sportlich zu entwickeln. Wir werden in der Bundesliga Lehrgeld zahlen, eventuell unter die Räder kommen. Das passiert, entscheidend ist, wie man damit umgeht.
Ich habe den Eindruck, dass diese Bodenständigkeit, Ihr Denken, diese zu bewahren, andernorts vielfach verloren gegangen ist. Etwas, was sich aber der Fan wünscht.
Da muss ich rein grätschen, da es mir wichtig ist, das zu betonen. Wir sind nicht die Besseren. Ich habe das Gefühl, dass wir derzeit manchmal als die Heidenheimer, die klein, fein und die besseren Menschen sind, dargestellt werden. Wir machen es einfach anders, das meine ich völlig wertfrei. Wir gehen unseren eigenen Weg und lassen uns nicht davon beeinflussen wie es die anderen machen. Das war immer unsere große Stärke. Wenn wir es so gemacht hätten wie uns alle prophezeiten, dass wir es machen müssen, dann glaube ich nicht, dass wir heute hier wären, wo wir sind. Wir wissen, was wir können, und was nicht, das ist eine unserer Stärken. Der Weg mit Menschen umzugehen ist bei mir jedoch klar definiert, da sind wir vielleicht ein wenig anders.
Dazu passt eine Passage, in der sie über eine Rüge Ihres verstorbenen Trainers in Aachen, Werner Fuchs schreiben. Sind es denn besondere Menschen in ihrer Umgebung, auf ihrem Lebensweg, die sie prägten und beeinflussten, wie man mit anderen umgeht?
Total, das war Werner Fuchs definitiv, ein absolutes Vorbild. Von ihm habe ich mir abgeschaut, in der Strategie klar zu sein: mit einer Mannschaft mit notwendiger Härte etwas zu erreichen, aber gleichzeitig Mensch zu sein. 1998 war ein prägendes Jahr, weg von Österreich, das Angebot von Alemannia Aachen, unsere Hochzeit, die Geburt meiner Tochter, die rote Karte, eine unglaubliche Aufholjagd kurz vor dem Aufstieg und dann stirbt der Trainer (Anmerkung: Fuchs) im Training. Das waren prägende Erfahrungen. Wenn man an Weggabelungen an die richtigen Person kommt und den richtigen Weg geht, ist dies schon entscheidend.
Wurde Ihnen dies im Schreiben noch einmal bewusst?
Dazu habe ich das Buch nicht gebraucht, um zu wissen, welche Menschen in meinem Leben wichtig sind. Aber trotzdem war es gut, sich wieder einmal Gedanken zu machen, wie alles war.
Haben Sie überhaupt außer Fußball noch Zeit für anderes, man liest zwar, Sie fahren Mountainbike und fahren gern in den Urlaub, spielen Backgammon?
Ich beschreibe zu Beginn des Buchs das Erlebnis mit meiner Thrombose mit anschließender Lungenembolie. Dies hat mein Denken verändert. Ich lebe komplett in der Gegenwart, schaue nicht zurück. Mich interessiert der Moment, die Frage, was muss ich tun, um beruflich erfolgreich und ein Stück weit glücklich zu sein.
Aber gerade, wenn man diese Passage liest, möchte man sagen, Frank Schmidt hätte doch alles Recht aufzuhören. Und dann ist der Buchtitel auch noch „Unkaputtbar“, wo allerdings sein Anfang aufzeigt, wie ein Mensch sehr wohl schnell „kaputtbar“ sein kann.
Nun, ich bin ja immer noch hier und habe nicht aufgehört, Trainer zu sein. Ich habe diese Situation einer Thrombose erlebt und weiter gemacht. Ich hatte Glück, viele haben das nicht. Dazu habe ich diesen Part auch geschrieben, um womöglich zu motivieren, rechtzeitig zum Arzt zu gehen. Diese Geschichte ist die gravierendste, ich hatte auch Operationen durch Sportverletzungen und Niederlagen, die in unserem Job dazu gehören. Am Ende geht es darum, wie geht man damit um? Geht man daran kaputt oder geht man gestärkt daraus hervor. Dieses „Unkaputtbar“ muss im Kontext gesehen werden, dass es im Leben nicht nur die schönen Dinge gibt, sondern auch Rückschläge gibt. Fehler sind wichtig, wenn sie leidenschaftlich, aus mutigen Entscheidungen entstehen. Natürlich kann jeder Mensch kaputtbar sein, von einer auf die nächste Sekunde.
Wie glauben sie, dass Sie es schaffen, sich nicht zu verändern?
Darüber mache ich mir gar keine Gedanken. Meine Botschaft lautet, dass sich keiner wichtiger nehmen soll, als er es am Ende des Tages ist! Gerade jetzt nach dem Aufstieg. Es hat sich viel in der öffentlichen Wahrnehmung verändert, das haben wir gemerkt. Für mich ist Fußball elementar, das kann ich am besten, das ist meine Berufung, ich brauche die Emotionen. Aber weil ich jetzt Bundesligatrainer bin, nehme ich mich deshalb nach wie vor nicht wichtiger, als ich bin.
Sich selbst treu bleiben zu können und dennoch, gerade jetzt, sich auch zu schütze, ist allerdings eine Gratwanderung?
Das war es immer schon und ist nun mit dem Aufstieg eben extrem. Aber es ist wichtig, dennoch geradeaus und ehrlich zu sein.