VivaTech 2025 zeigt Europas KI- und Klima-Potenzial
Tech-Gipfel mit Weitblick
Paris wurde Mitte Juni zum Epizentrum der Tech-Zukunft: Über 150.000 Besucherinnen und Besucher, mehr als 13.500 Start-ups und 3.500 Aussteller trafen sich zur VivaTech 2025 in den Pariser Expo-Hallen. Mit dabei war auch Christian Strohmayr, Geschäftsführer von bewegt.ai, als Teil der Delegation der IHK Schwaben, organisiert von Karin Bräuer. Zwischen NVIDIA-Keynotes, autonomen Robotaxis, Klimainnovationen und tiefgreifenden KI-Diskussionen zeigte sich, wie Europas Technologielandschaft neu ausgerichtet wird.
Wenn Zukunft greifbar wird
Beim Betreten der Messehallen der VivaTech 2025 wurde sofort klar: Paris hatte sich vier Tage lang in das Schaufenster globaler Technologieentwicklung verwandelt. In Halle 1 patrouillierten humanoide Roboter, autonome Fahrzeuge wurden präsentiert und künstliche Intelligenz war allgegenwärtig – nicht nur als Schlagwort, sondern als greifbare Realität. Besonders das Tesla-Robotaxi „Cybercab“ zog Massen an: ein futuristischer Prototyp ohne Lenkrad, dafür mit einem vollständig automatisierten Innenraum.
Diese spektakulären Eindrücke setzten den Ton für das, was Europas größte Innovationsmesse vermitteln wollte: Die Zukunft ist nicht länger abstrakt – sie ist gestaltbar, vernetzbar und vor allem eine Frage strategischer Entscheidungen.
Europas Vision von AI-Souveränität
Den strategischen Rahmen setzte kein Geringerer als Jensen Huang, Gründer und CEO von NVIDIA. Seine Keynote, mit Spannung erwartet und medial breit begleitet, verkündete nichts weniger als die Vision Europas als Zentrum einer neuen „AI-Fabrik“-Ära. Mit mindestens 20 Rechenzentren, betrieben auf Basis der neuen Blackwell-GPU-Generation, soll eine souveräne, lokal betriebene KI-Infrastruktur entstehen – verknüpft mit Partnern wie Mistral AI, europäischen Cloud-Anbietern und politischen Stakeholdern.
Huang betonte, dass diese Fabriken so essenziell würden wie Stromnetze: Wer Zugang zu Rechenleistung und Datenkontrolle sichert, forme den digitalen Wohlstand von morgen. Ein Aufruf, der auch beim deutschen Publikum Resonanz fand – denn viele der präsentierenden Start-ups setzen bereits auf skalierbare, vertrauenswürdige AI-Architekturen. Auch bewegt.ai, das mit interaktiven KI-Avataren wie „RIAA“ präsent war, verfolgt diesen Kurs – mit Fokus auf verständliche, dialogfähige Systeme.
Bühne für Gründer: das Tech Lab
Zentraler Treffpunkt für deutsche Tech-Innovatoren war das Startup-Germany & French-German Tech Lab. Auf 320 m² bot die Fläche in Halle 1 eine hochfrequentierte Plattform für Austausch, Sichtbarkeit und Partnerschaftsanbahnung. Rund 100 Start-ups präsentierten sich, organisiert von der Deutsch-Französischen Handelskammer in Zusammenarbeit mit AHK Paris und der Digital-Hub-Initiative des BMWK.
Täglich wechselten Pitch-Slots, Deep-Tech-Panels und Matchmaking-Runden – flankiert von politischer Prominenz wie dem deutschen Botschafter Stephan Steinlein. Themen waren u. a. erklärbare KI, Industrie-Robotik, datengetriebene Nachhaltigkeit und Sicherheit. Besonders eindrucksvoll: Start-ups wie QuantPi (KI-Erklärbarkeit), Unchained Robotics (Robot-as-a-Service) oder Heliatek (organische PV) zeigten, dass deutsche Technologie weit mehr ist als Software-Export – sie ist systemrelevant.
Innovation, Architektur, Netzwerk – Station F
Ein weiteres Highlight für die Delegation war der Besuch der Station F, des weltweit größten Start-up-Campus im 13. Arrondissement. In der historischen Halle Freyssinet, heute modernisiert auf 34.000 m², treffen sich über 1.000 Start-ups, mehr als 30 Inkubatorprogramme und Technologiepartner von Weltrang. Programme wie „Founders“, „Fighters“ oder das neue PSG-Lab verbinden Innovationskraft mit Infrastruktur – inklusive 3D-Druck, Investor-Offices, Co-Living und Europas größtem Gründerrestaurant La Felicità.
Was hier entsteht, geht weit über einen Coworking-Space hinaus: Es ist ein System aus Förderung, Sichtbarkeit und globaler Anschlussfähigkeit. Für Start-ups aus Deutschland bietet Station F nicht nur Platz, sondern Zugang – zu Kapital, zu Märkten, zu multiplen Ökosystemen.
German Startup Night – europäisches Speed-Networking
Abends wurde das benachbarte Voie 15 zur Bühne für die German Startup Night. Rund 300 geladene Gäste aus dem Venture-Capital-Bereich, der Industrie und Medienlandschaft nutzten die Gelegenheit für intensive Gespräche, Pitch-Runden und informellen Austausch. Der Geist: pragmatisch, offen, international.
Gerade jüngere Start-ups nutzten die Gelegenheit, ihre Themen in wenigen Minuten auf die Bühne zu bringen. Dabei zeigte sich: „AI made in Europe“ ist mehr als ein Trend – es ist ein identitätsstiftender Ansatz. Zahlreiche Gespräche führten bereits vor Ort zu konkreten Demo-Anfragen, Pilotprojekten oder Investoren-Follow-ups.
Roboter zum Anfassen – ein neuer Standard
Neben KI prägte ein zweites Thema die VivaTech wie nie zuvor: Robotik. Ob humanoid, quadruped oder stationär – in allen Hallen bewegten sich autonome Systeme durch das Publikum. Besonders präsent: der zweibeinige Roboter von Unitree, der nicht nur in einer Show demonstrierte, sondern auch durch die Messehallen „flanierte“. Weitere Demos zeigten Roboterarme im Zusammenspiel mit generativer KI – etwa bei Montage, Pflege oder im Service.
Das Side-Event „Humanoid Robots: When AI Becomes Physical“ im Bpifrance-Hauptquartier brachte dazu Experten und Investoren zusammen. Das Fazit: Europa muss jetzt Standards für sichere, interaktive Robotik entwickeln – sonst definieren andere die Spielregeln.
AI-Regulierung als Innovationskatalysator?
Auch rechtspolitisch war VivaTech 2025 ein Brennglas: In mehreren Sessions wurde die neue europäische KI-Verordnung diskutiert – zwischen Chancen und Herausforderungen. EU-Kommissar Thierry Breton sprach über „AI Regulation Made in EU“ und hob hervor, dass Regulierung als Innovationskatalysator funktionieren könne – wenn sie früh genug kommuniziert, transparent umgesetzt und technologieoffen gestaltet werde.
Gerade für Deep-Tech-Gründungen ergibt sich daraus eine doppelte Rolle: Sie sind Anwender – und Mitgestalter. Im Dialog mit Politik entstehen derzeit neue Standards für Rechenschaftspflicht, Erklärbarkeit und Ethik – ein Vorteil für Start-ups, die auf Vertrauen und Transparenz setzen.
Climate Tech als Europas Trumpf
Ein weiteres strukturelles Thema: Green Tech. Die Messe zeigte eindrucksvoll, wie KI, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zusammenwachsen. Start-ups präsentierten Lösungen von smartem Lastmanagement über urbane PV bis hin zu kreislauffähiger Produktion. Auch etablierte Player wie L’Oréal zeigten AI-basierte Tools zur Ressourcensteuerung.
Für Europa ergeben sich hier strategische Chancen: Als Markt mit hohem Regulierungsniveau und Klimaverpflichtungen kann es technologische Standards setzen – und gleichzeitig Exportmodelle entwickeln. Start-ups, die beides verbinden, waren in Paris gefragter denn je.
Start-up-Förderung: Wo Deutschland punkten kann
Was viele Besucher positiv überraschte, war die Breite der deutschen Start-up-Landschaft – auch jenseits der klassischen Tech-Hubs. Programme wie die de:hub-Initiative, das EXIST-Förderprogramm oder regionale Clusterförderung fanden an mehreren Ständen Erwähnung. Vor Ort wurde sichtbar, dass Förderung und Internationalisierung keine Gegensätze sein müssen – wenn sie strategisch verzahnt sind.
Für viele französische und internationale Gäste war die deutsche Delegation ein Indikator: Dieses Ökosystem wird ernster genommen, ist vielfältig aufgestellt – und sucht aktiv nach Allianzen.
Macron, Musk & Mensch: Bühne der Macht
Der politische Auftakt der VivaTech 2025 setzte ein deutliches Signal: Am Eröffnungsabend betrat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gemeinsam mit NVIDIA-Gründer Jensen Huang und Mistral-AI-CEO Arthur Mensch die Bühne des Dôme de Paris. In einem informellen Gespräch vor vollem Haus beschwor Macron die Vision eines „Souveränitäts-Kontinents für Künstliche Intelligenz“. Dabei lobte er die deutsch-französische Innovationsachse ausdrücklich als strategisches Rückgrat Europas Tech-Zukunft.
Besonderes Augenmerk legte Macron auf Frankreichs energiepolitische Position: Die nahezu CO₂-freie Stromerzeugung aus Atomkraft und Erneuerbaren mache das Land zu einem idealen Standort für energiehungrige KI-Rechenzentren. Sein Satz „It’s plug, baby, plug – unser Netz ist schon heute grün“ wurde nicht nur in Paris zum geflügelten Wort.
Produktpremieren und Robotik-Zukunft
Der anschließende Messerundgang wurde zur Bühne für ikonische Tech-Premieren: Macron besuchte Teslas „Cybercab“, das nur Stunden zuvor von Elon Musk über X angekündigt worden war. Der vollelektrische Robotaxi-Prototyp sorgte in Halle 2 für Aufsehen – dichte Besucherschlangen und großes Medieninteresse inklusive. Ab dem 22. Juni sollen erste öffentliche Testfahrten in Frankreich starten.
Ebenfalls im Fokus standen die humanoiden Roboter der neuen Generation. In der „Humanoid Robotics“-Zone zeigten verschiedenste Prototypen Greiftechniken, Laufbewegungen und autonome Interaktionen. Ein begleitendes Panel unter dem Titel „AI-Robotics – From Labs to the Real World“ diskutierte die Frage, wann diese Systeme über Showcases hinaus in produktive Prozesse übergehen können – von Fertigung bis Pflege.
Politischer Schulterschluss: Deutschland präsent
Auch von deutscher Seite war die politische Unterstützung klar sichtbar. Der deutsche Botschafter in Paris, Stephan Steinlein, eröffnete gemeinsam mit französischen Partnern das French-German Tech Lab, moderierte Pitches und sprach sich in seiner Eröffnungsrede für europäische Datenräume und ein gemeinsames Start-up-Kapitalregime aus.
Begleitet wurde er u. a. von Bayerns Europaminister Eric Beißwenger, der sich am Stand des Cybersecurity-Start-ups RedMimicry für mehr grenzüberschreitende Pilotprojekte aussprach. Daniela Schmitt, Wirtschaftsministerin von Rheinland-Pfalz, eröffnete die German Startup Night, besuchte das Speed-Networking und stellte acht rheinland-pfälzische Jungunternehmen in einem Landes-Pitch vor.
Wirtschaftsdiplomatie mit Wirkung
Auch Vertreterinnen der Bundes-Digital-Hubs und der Berliner Wirtschaftsförderung nutzten die VivaTech für Hintergrundgespräche, Investorenrunden und internationale Panel-Formate. In Summe zeigte sich: Die Messe war nicht nur ein Technologieereignis, sondern auch ein strategisches Forum europäischer Standortpolitik.
Insbesondere das French-German Tech Lab profitierte vom politischen Rückenwind. Der symbolische Messerundgang Macrons, flankiert von Tech-Größen und diplomatischen Delegationen, sorgte für spürbar starken Traffic am Stand und erhöhte die Sichtbarkeit der deutschen Start-ups. Damit wurde deutlich: Die VivaTech 2025 war nicht nur ein Festival der Ideen – sie war ein Arbeitsraum für Zukunftsallianzen.
FAZIT:
Die VivaTech 2025 war weit mehr als eine Messe – sie war ein Spiegel europäischer Technologieambitionen. Von souveräner KI über humanoide Robotik bis hin zu vernetzten Klimalösungen wurde sichtbar, dass Europa bereit ist, eigene Akzente zu setzen. Für deutsche Start-ups bietet Paris nicht nur Inspiration, sondern echte Wachstumschancen – etwa im French-German Tech Lab, bei Formaten wie der German Startup Night oder über Brücken wie Station F. Für Christian Strohmayr, Geschäftsführer von bewegt.ai, war die Reise nicht nur ein Blick in die Zukunft – sondern ein realistischer Plan, daran mitzuwirken.