Vom Reitwagen zum Ritt auf der Kanonenkugel
Motorräder erfüllen den Traum von Freiheit und Abenteuer, die Romantik vom letzten Cowboy. Schaut man in die Geschichte des Motorrades, so findet man als ersten Lonesome Rider aller Zeiten einen schwäbischen Ingenieur. Rund ein Jahr vor dem ersten Auto schenkte Gottlieb Daimler der Welt bereits 1885 deren erstes Motorrad. Die Geschichte des Motorrads ist sehr interessant. Womöglich hatte er damals schon eine Ahnung, welche Höllenritte mit den Nachfolgern mal möglich sein würden – jedenfalls nannte er das Ding „Reitwagen“.
Eine kleine Geschichte des Motorrads
Damals waren mit einem halben PS aber höchstens 12 km/h drin. Zwar hatte schon Jahre vorher ein Amerikaner ein Zweirad mit einer Dampfmaschine flott gemacht. Das zählt aber nicht. Dampfantrieb gilt Petrol Heads nicht als „Motor“.München wird zum ersten „Home of Motorbikes“
Wirklich Ähnlichkeit mit einem Motorrad hatte Daimlers Stützrad-Konstruktion noch nicht. Der Reitwagen blieb als Experimentalfahrzeug für den neuen Benzinmotor auch ein Einzelstück. Die Bezeichnung „Motorrad“ findet sich erstmals 1894 in der Patentschrift für das „Hildebrand & Wolfmüller“. Dieses Zweirad wurde so das erste in Serie hergestellte Motorrad – und München zum ersten „Home of Motorbikes“. Die Maschine kostete 850 bis 1200 Goldmark – das entspräche heute 8.400 bis 11.800 Euro. Konstruktive Schwächen und mangelndes Entwicklungspotential führten allerdings alsbald in die Pleite.
Als Indiana, Triumph oder Harley Davidson wird das Motorrad erwachsen
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts kommt das Motorrad durch industrielle Fertigung als Massenbewegungsmittel in Fahrt. Den Anfang macht 1901 die US-Marke „Indian“ aus Springfield / Massachusetts. Die Neuengländer erfinden 1904 den Gasdrehgriff und führen 1914 den elektrische Starter und Scheinwerfer ein. 50 Jahre langt bilden Indian-Maschinen die Referenz für Motorräder der Spitzenklasse. Ab 1902 baut der Nürnberger Siegfried Bettmann im britischen Coventry „Triumph“-Motorräder – heute der älteste noch aktive Motorrad-Produzent der Welt. 1903 schufen William Harley und die Davidson-Brüder in Milwaukee/ Wisconsin eine Legende. 1920 war Harley Davidson mit 30.000 verkauften Bikes Weltmarktführer. Die „Großen Drei“ sind auch Hauptlieferanten der Alliierten des 1. Weltkrieges. Auf deutscher Seite sind Wanderer und DKW die Kriegsgewinnler in Sachen Motorrad.
Mit 279,5 km/h Spitze baut BMW das Superbike der Ersten Stunde
In der Zwischenkriegszeit beginnt der wirtschaftliche Aufstieg der deutschen Hersteller. Die Steuergesetzgebung macht besonders kleine Zweitakter populär. Und so steigt DKW zum größten Motorradproduzenten der Welt auf. Anfang der 30er-Jahre gibt’s in Deutschland bereits mehr Kleinkrafträder als vollwertige Motorräder. BMW baut seit 1923 Motorräder, erfindet 1934 die Federgabel – und wird im immer populärer werdenden Motorsport zum Maß aller Dinge. 1920 holte noch eine Indian den ersten anerkannten Geschwindigkeits-Weltrekord mit 167,67 km/h. 1937 zeigt der deutsche Rennfahrer Ernst Jakob Henne, wo der Hammer hängt. Er prügelte seine BMW 500 Kompressor auf 279,5 km/h – Weltrekord! Im 2. Weltkrieg wird die Armee wieder zum Großabnehmer für Harleys und Indians. Es entstehen nicht kaputtmachbare Urviecher wie die BMW R 75 oder die Zündapp KS 601. Das Zündapp-Gespann wurde als „Grüner Elefant“ Namensgeber des alljährlichen „Elefantentreffens“ im Bayerischen Wald. Legendär, und offen für alle Motorradfahrer – Teilnehmer sollten aber mindestens so schnee- und frostresistent sein wie der Namensgeber.
Motorrad, Moped & Co machen Deutschland mobil
In der Nachkriegszeit ist es zunächst nicht der legendäre VW-Käfer, der die Deutschen mobil macht. Ein Auto kann sich kaum jemand leisten – und sie sind auch nicht in unendlicher Menge verfügbar. Bis 1957 gibt es in West-Deutschland mehr Motorräder als Autos. In der DDR ist das sogar bis ins Wendejahr 1989 so. In dieser Zeit bekommen die Motorräder auch zunehmend kleine Geschwister. NSU steigt 1955 zum größten Zweiradhersteller der Welt auf. Die Neckarsulmer produzieren um die 70.000 Motorräder – aber 228.000 Mopeds. Moped war das Kurzwort für ein Kleinkraftrad mit Pedalen zum Anlassen, 50-Kubik-Motor und 40 km/h zulässige Höchstgeschwindigkeit. Besonders junge Männer liebten diese Mopeds als Bizeps auf Rädern. Die Kreidler Florett war so ein Bestseller dieser Tage – vor allem, weil man sie optisch unauffällig von 2,6 auf fast 6 PS frisieren konnte – eine rasende Kreissäge. Eine Rennversion war für über 221 km/h gut. Und auch eine Zündapp war damals noch kein Programm fürs iPhone, sondern ein gefragtes Kleinkraftrad aus München. Auch die Marke „Hercules“ spielte oben mit. Nach unten rundeten Mofas das Programm der Zweiradhersteller ab. Die Motorfahrräder durfte man lange ganz ohne Führerschein mit 25 km/h bewegen.
Der steigende Wohlstand machte Motorräder in Deutschland immer unattraktiver. In den 60ern brechen die Absatzzahlen rapide ein. 1969 war nur noch BMW als Hersteller großer Motorräder übrig geblieben. Marken wie Kreidler und Zündapp entwickelten sich nicht weiter und bekamen immer mehr das Image, solide aber langweilig zu sein. Kreidler steuerte nicht mit einer Modell-Offensive gegen – sondern mit Musik. Im Stil von „Born to be wild“ ließ man einen Rock-Song produzieren: „Ran an die Kreidler! Rauf auf die Kreidler! Auf und davon mit der Kreidler!“ Aber die Krise ließ sich nicht mehr wegsingen. Hohe Versicherungsprämien und die 1978 eingeführte, aber als „uncool“ empfundene Helmpflicht, brachten einen weiteren Einbruch. Der „Mofa-Führerschein“ gab der Branche schließlich den Rest.
Motorräder für den Ritt auf der Kanonenkugel und Roller für den Urban Style
Mit wachsenden Wohlstand entdeckten die Menschen das Motorrad aber schließlich als Freizeitspaß. Und für diesen Spaß wurde der Hersteller Honzukiyamasaki zum Weltmarktführer. Als 1972 in Deutschland gerade mal noch 200.000 Motorräder zugelassen waren, bauten die Japaner bereits über 3,5 Millionen Stück. Honda setzte 1969 mit seiner CB 750 four Maßstäbe für den modernen Motorradbau. Adrenalin-Freaks verlangen indes nach immer schnelleren und leistungsstärkeren Feuerstühlen. 1985 präsentiert Suzuki mit seiner GSX-R-750 das erste „Superbike“ mit Renn-Genen. In dieser Zeit etablieren sich aerodynamisch vollverkleidete Maschinen. In den 2000er-Jahren setzen ultrastarke Naked-Bikes dann den kompletten Gegentrend. 1999 knackt mit der Suzuki Hayabusa erstmals ein Serienmodell die 300er-Marke.
Auch von Autos gewohnte Sicherheitsmerkmale verbreiten sich bei Motorrädern. Das 1988 von BMW präsentierte ABS ist mittlerweile Standard. Im 2007 bei der Honda Goldwing gezeigten Airbag ist entwicklungsmäßig noch Luft nach oben. Mittlerweile gibt’s sogar digitale Stützräder. Ganz frisch zeigte KTM 2014 eine elektronische Stabilitätskontrolle.
Und auch die Szene der Kleinkrafträder erholt sich wieder. Die Jugend hat heute ganz offensichtlich mehr Köpfchen als in den 70ern – Helm ist nicht mehr uncool, sondern selbstverständlich akzeptiert. Mopeds und Mofas haben das Comeback trotzdem nicht geschafft. Im Retro-Trend liegen Roller. Sie setzen einen Urban Style – egal ob als günstiger China-Import oder als nostalgisches Statussymbol von Vespa.