Wann kommt die Pille für den Mann?

Männliche Verhütung

Die Damen der Schöpfung sind bekannt für ihr enormes Stimmungs-Portfolio. In einem Moment engelszahm kann Frau mit einem Wimpernschlag mit ihrem Blick ganze Völker zum Schweigen bringen. Fast unbemerkt, ja beinahe bescheiden zurückhaltend in diesem Szenario: Eine kleine Tablette. Sie sieht aus wie ein Baby-Smartie, allerdings mit Hormonen als Spannweite anstatt Zucker. Wie ein nie endendes Füllhorn aus guter Laune, Zorn und bodenloser Traurigkeit ergießt sich der Inhalt besagter in den weiblichen Körper und sorgt je nach Individuum für ein emotionales Verkehrschaos. Da bekommt Man(n) doch gleich Lust, so etwas auch einmal auszuprobieren. Oder?

cropped-1666944980-bildschirmfoto-2022-10-28-um-10.15.57
Bild: stock.adobe
Möchten Männer eine Schwangerschaft ihrer Partnerin verhindern, sind die Möglichkeiten dafür begrenzt: Kondom oder Sterilisation. Kommt bald eine Dritte dazu?

Wie lange wird bereits nach der männlichen Pille geforscht?

Und warum gibt es noch keine Pille für den Mann? Denn bereits in den 1930er Jahren wurden Forschungen zu Verhütungsmöglichkeiten beim männlichen Geschlecht vorgenommen. Jedoch kam in den 1960er Jahren eine Revolution auf den Markt: die Anti-Baby-Pille für die Frau. Eine gewinnbringende Investition für einen komplett neuen Markt, der die unaufgeteilte Aufmerksamkeit der Pharmaindustrie auf sich zog. Und somit den Dolchstoß für das Interesse an der Forschung für „die Pille für den Mann“ bedeutete. 

Des Weiteren liegt die Antwort in der unterschiedlichen Biologie von Männern und Frauen. Beim weiblichen Zyklus muss einmal im Monat der Eisprung unterbunden werden. Beim Mann jedoch muss eine potenzielle Pille eine wahre Herkulesaufgabe stemmen – eine kontinuierliche Unterdrückung der Spermien. Ganzzeitlich, 24 Stunden, sieben Tage die Woche. 365 Tage im Jahr. Bis zu 100 Millionen Spermien produziert ein Mann – pro Tag (!). Wir zücken den Rechner und berichten: Das ist eine Menge Arbeit für eine kleine Pille.

Welche Forschungsergebnisse gibt es?

Im Jahr 2008 startete eine neue, internationale Studie der WHO, die allerdings 2011 wegen diversen Nebenwirkungen abgebrochen wurde. Dazu später. Auch in Indien wird bereits seit den 1970er Jahren geforscht. Dabei wurde die sogenannte Risug-Methode entwickelt. 

Bei der WHO-Studie testeten die Forschenden ein Hormonpräparat, welches nach einem ähnlichen Prinzip wirken sollte wie die Pille der Frau. Es sollte die Bildung von Spermien im Hoden des Mannes verhindern. Die Probanden nahmen jedoch keine Pille in Tablettenform, sondern bekamen einmal im Monat eine Spritze injiziert. Ergebnis: Die Spermienzahl sank bei allen Probanden und die Wirkung der Spritze war ähnlich zuverlässig wie die der Pille für die Frau. Knapp 90 Prozent vertrugen das Hormonpräparat gut. Unser eins würde jetzt in die Hände klatschen. Dennoch: Die WHO brach 2011 die Studie wie erwähnt ab. Grund waren die zehn Prozent Nebenwirkungen wie Stimmungsschwankungen, Libido-Verlust und Niedergeschlagenheit bis hin zur Depressivität. Frauen horchen nun auf, denn die erwähnten Nebenwirkungen der WHO-Studie sind ihnen ebenfalls auf dem Beipackzettel der Pille bekannt. Diese wurde jedoch trotzdem auf den Markt gebracht. Experten erklären, dass die Regeln zur Entwicklung von Medikamenten und insbesondere von Verhütungsmitteln strenger geworden seien. Es stellt sich die Frage, ob die Pille für die Frau unter heutigen Bedingungen damals zugelassen worden wäre.

Wir sind nun in Indien bei der Risug-Methode. Hier wird ein Gel in die Samenleiter des Mannes injiziert. Passieren Spermien auf ihrer Reise in die Freiheit das Gel, werden sie beschädigt und können somit die Eizellen nicht mehr befruchten. Die Studie dazu läuft noch. Problem: Das Gel kann über Jahre im Samenleiter verbleiben. An einem Mittel zur Auflösung des Gels wird noch geforscht. Dauer der Studien: Gehandelt werden zehn Jahre.

Aktuell wurde in weiteren klinischen Studien ein Mittel namens YCT529 genauestens untersucht und zunächst an männlichen Mäusen getestet. Dabei seien laut Experten keine Nebenwirkungen aufgetreten. Den Versuchsmäusen sei das Präparat insgesamt vier Wochen lang oral verabreicht worden. Beobachtung: eine drastische Reduktion der Spermienzahl – genauer: eine 99-prozentige Sterilität. Vier bis sechs Wochen, nachdem das Mittel wieder abgesetzt wurde, seien die Mäuse wieder vollständig zeugungsfähig gewesen. Eine Studie an Menschen soll noch in diesem Jahr folgen.

Ausblick

Weltweit wird nach Alternativen geforscht. Zum einen steht die Verhütung per Heilpflanze im Fokus. Die Inhaltsstoffe der Pflanze Justicia gendarussa können laut indonesischen Wissenschaftlern ein Eindringen der Spermien in die Eizelle verhindern. Die Forschenden sprachen von einer 99-prozentigen Sicherheit. Die meisten Wissenschaftler setzen jedoch nach wie vor auf die hormonelle Methode. Vielversprechend könnte ein Verhütungsgel sein, welches ähnlich wie die Hormonspritze wirkt, die in der WHO-Studie eingesetzt wurde. Das Gel enthält Hormone, die verhindern, dass sich Spermien in den Hoden bilden. In einer ersten Studie haben sich Männer das Gel täglich auf Brust und Schultern gerieben. Nach etwa drei bis vier Monaten war die Zahl der Spermien so weit gesunken, dass sie annähernd unfruchtbar waren. 

FAZIT: 

Seit über 90 Jahren wird an der Entwicklung männlicher Verhütungsmethoden geforscht. Die Anti-Baby-Pille legte diese Ergebnisse vorerst auf Eis. Auch die Nebenwirkungen und Methoden in laufenden Studien schreckten Pharmakonzerne und Nutzer ab. Zudem kommt die unterschiedliche Biologie von Männern und Frauen hinzu, die eine Entwicklung schwieriger machen. Doch nun verdichten sich die Forschungen, Ergebnisse werden klarer. Doch wann Mann die Verhütung ebenfalls in der Hand hält, wissen nur die Sterne.