Warum das Allgäu auch weiterhin auf zwei Saisonen setzt

Allgäu bleibt Wintersportressort

Nesselwang/Kempten (AG, 15.11.2023) – Der Klimawandel stellt nicht nur den Wintertourismus vor große Herausforderungen. Im Allgäu hat man eine Strategie entwickelt, um auch in Zukunft eine Destination mit zwei starken Saisonen zu bleiben. Warum das Allgäu den Schnee auch weiterhin als Alleinstellungsmerkmal nutzen möchte und welche Maßnahmen ergriffen werden, um den Wintertourismus nachhaltig zu gestalten, ist in einem 10-Punkte-Papier festgehalten. Dies Papier wurde nun erstmalig in einer Pressekonferenz in Nesselwang an der Alpsitzbahn vorgestellt.

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Die Statistik zeigt deutlich, dass die Übernachtungen und Ankünfte in den Winterhalbjahren überdurchschnittlich zugenommen haben. 36 Prozent aller Nächtigungen entfal...Bild: Hörnerdörfer Tourismus
Warum das Allgäu auf Wintertourismus setzt.

Die Statistik der letzten 20 Jahre zeigt deutlich, dass die Übernachtungen und Ankünfte in den Winterhalbjahren überdurchschnittlich zugenommen haben. 36 Prozent aller Nächtigungen entfallen aufs Winterhalbjahr und 64 Prozent auf das Sommerhalbjahr. Die Wertschöpfung im Winterhalbjahr hingegen beträgt 50 Prozent, das sind 1,8 Milliarden Euro. Auch die Wintersportnachfrage ist stabil und auf einem hohen Niveau, bestätigt die nationale Grundlagen- Studie Wintersport der Deutschen Sporthochschule Köln: 27,7 Millionen Deutsche betreiben Wintersport. Dabei sind sie nicht nur auf den Pisten zu finden, sie genießen die Landschaft und die klare Luft auch beim Winterwandern, gefolgt von Schneeschuhwandern, Skitourengehen und Langlaufen. Ein gesunder Urlaub, Achtsamkeit und Wellness, Abstand vom Alltag finden, sind weitere Motive.

Nebelhornbahn: 1923 für Sommerfrischler erbaut, heute bei Wintersportlern beliebt.

Henrik Volpert, Vorstand der Oberstdorf-Kleinwalsertal Bergbahnen und Vizepräsident des Verbands Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte, unterstreicht das Bekenntnis zum Wintertourismus: Nur sechs Prozent aller touristischer Destinationen weltweit können zwei Saisonen und ein ganzjähriges Urlaubsangebot anbieten. Dabei kann die Nebelhornbahn als Pionier bezeichnet werden: Ursprünglich 1929 als längste Seilbahn Deutschlands für Sommerfrischler erbaut, wird das Nebelhorn heute vor allem als hochalpiner Ganzjahresrberg wahrgenommen. Die Bergbahn ist übrigens problemlos mit dem Zug erreichbar. Das Allgäu hat zudem ein Mobilitätskonzept aufgelegt, um die CO2-Emissionen durch die Anreise mit dem PKW zu reduzieren. Denn 75 Prozent des CO2-Fußabdrucks eines Urlaubes entfallen auf die Anreise und nur zwei Prozent auf Aktivitäten im Skigebiet. Einige Hotels, wie beispielsweise in der Explorer-Gruppe, honorieren die Bahnanreise mit einem Rabatt auf den Übernachtungspreis.

„Das Allgäu ist einer der wenigen Urlaubsgebiete weltweit, welches einen ausgewogenen Ganzjahrestourismus hat und mit dem Erlebnisgut Schnee punkten kann“, sagt Landrätin und Vorsitzende des Tourismusverbandes Allgäu/Bayerisch-Schwaben, Maria-Rita Zinnecker.

Gemeinsam mit zahlreichen Akteuren und Belangträgern aus Politik, öffentlichem Tourismus, privaten Leistungsträgern, der Bergbahnwirtschaft, sowie der Hotellerie und Beherbergungswirtschaft wurde nun ein 10-Punkte-Papier abgestimmt. „Wichtig dabei ist uns eine faktenbasierte Darstellung mit entsprechenden Quellenangaben zu den einzelnen Punkten zu kommunizieren“. Das Papier drückt die Haltung aller aus, denn allen Verantwortlichen ist bewusst, dass sie mit und von der Natur leben. Klimaschutz ist eine vorrangige Pflichtaufgabe eines jeden Einzelnen. „Wir Bergbahnen sind zuallererst vom Klimawandel betroffen“, sagt Ralf Speck, Geschäftsführer der Alpsitzbahn in Nesselwang. Wie Speck berichtet, generierte 2008 die Alpspitzbahn im Winter 85 Prozent des Jahresumsatzes, heuer sind 60 Prozent auf den Sommer entfallen. Der Winter sei unverzichtbar, denn Kinder lernen in den kleineren Skigebieten das Skifahren. Das Erlebnis im Schnee ist nicht ersetzbar und Schneesport prägt die Identität der Einheimischen. Dies zu erhalten, ist Ziel und daher setzen die Bergbahnen schon seit Jahren verschiedene Maßnahmen zur CO2-Einsparung um. Dreiviertel des Strombedarf werden heute aus regenerativen Energien gedeckt, die Anlagen werden immer effizienter und die Pistenfahrzeugen fahren mit dem teureren HVO-Kraftstoff: das spart 90 Prozent CO2 ein und ist ein klares Bekenntnis zum Klimaschutz. Über 100 Partner des "Bündnisses Klimaneutrales Allgäu 2023", darunter zahlreiche Hotels, betreiben aktiven Klimaschutz. Diese und weitere Maßnahmen, wie beispielsweise die konsequente Einbindung regionaler Produkte, hat dazu geführt, dass das Allgäu ist mit seiner Nachhaltigkeitsstrategie bundes- und alpenweit mehrfach ausgezeichnet wurde.

Das 10-Punkte Papier:

1.Der Klimawandel ist Fakt und beeinflusst Winter– wie auch Sommerhalbjahr.

2.Das unersetzbare Erlebnisgut Schnee ist zunehmend ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb Deutschlands. Sonne, Licht, Kälte und Naturerlebnis bleiben wichtige Sehnsuchtsmotive für die Gäste. Schneesport ist identitätsstiftend für die Einheimischen.

3.Das Allgäu soll eine Destination mit zwei starken Saisonen bleiben. Nach Angaben der Welttourismusorganisation haben nur 6% aller Reisegebiete weltweit zwei Saisonen. ➝ Winterhalbjahr erzeugt ca. 50% der touristischen Wertschöpfung im Allgäu

4. Nachfragepotential ist groß: 27,7 Mio. Deutsche sind aktiv im Schnee. Allerdings wird diese Zahl perspektivisch sinken, so dass wir die Kinder zukünftig wieder verstärkt in den Schnee bringen müssen. (Q: Dt. Sporthochschule Köln, 2018)

5. Der typische Wintergast im Allgäu fährt nicht nur Ski. Er interessiert sich für unterschiedliche Aktivitäten (Wandern, Langlauf, Eislaufen usw.) (Q: Bay. Zentrum für Tou- rismus) und möchte einfach auch mal nur entspannen und genießen.

6. Die wechselhaften Winterhalbjahre erfordern eine hohe Flexibilität der Anbieter.. Laut einer aktuellen, von den Bergbahnen Oberstdorf Kleinwalsertal beauftragten Studie, sollen in Oberstdorf (900m) im Worst-Case-Sze- nario bis zum Jahr 2050 die Anzahl der Natur-Schneetage von 118 auf 105 sinken. Für einen Alpin-Skibetrieb ist dies weiterhin ausreichend. (Q: Geosphere Austria Studie OK Bergbahnen)

7. Um diese Unsicherheiten auszugleichen, bleibt technische Beschneiung ein wich- tiger Faktor. Schneeerzeugung verbraucht dabei kein Wasser, weil Oberflächenwasser gesammelt, ohne jegliche Zusätze verschneit und mit der Schneeschmelze wieder in den Wasserkreislauf zurückgegeben wird. 74% der Bergbahnen produzieren ihren Schnee dabei bereits klimaneutral mit Ökostrom z.B. aus alpiner Wasserkraft. Mit Bio-Kraftstoffen statt Diesel kann in der Pistenpräparierung nochmals 90% CO2 eingespart werden. (Q: VDS)

8. Energiebedarf: Pro Skitag verbraucht eine Person vor Ort 18 kWh. 1/3 entfällt dabei auf die Beschneiung, 1⁄4 auf die Pistenpräparation. Übrigens: 18 kWh entspricht einer Fahrt in einem Mittelklasse PKW von 26 km (VDS). Lt. BUND sind im alpinen Tourismus ca. 75 % der CO2 Emissionen auf die Anreise zurückzuführen. Insgesamt fallen nur rund 2 Prozent des CO2-Fußabdrucks eines Urlaubers für die Aktivitäten im Skigebiet an.

9. Das Allgäu bekennt sich weiterhin klar zu einer nachhaltigen Entwicklung, insbesondere zum Klimaschutz. Nicht umsonst war das Allgäu in den letzten 10 Jahren drei Mal Finalist im Bundeswettbewerb Nachhaltige Tourismusdestinationen. Über 100 Kommunen und Unternehmen inkl. zahlreicher Hotels sind Teil des „Bündnisses Klimaneutrales Allgäu 2030“.

10. Gemeinsam mit unseren Partnern in der Geschäftsfeldgruppe Winter arbeiten wir intensiv an Anpassungsstrategien (Produkt und Zielgruppen) mit dem Ziel, eine Ganzjahresdestination zu bleiben.