Wildunfälle: Wie man sich schützen kann und was im Ernstfall zu tun ist

Gefahr auf der Straße

Besonders im Herbst sowie im Frühjahr steigt die Gefahr von Wildunfällen. Gerade in den frühen Morgenstunden sowie am Abend während der Dämmerung, wenn die Tiere nach Nahrung suchen, ist die Gefahr besonders hoch. Doch was kann man tun, um das Risiko zu minimieren? Und wie reagiert man richtig nach einem Wildunfall?

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Bild: stock.adobe
Rund fünf Prozent aller Unfälle im Straßenverkehr sind Wildunfälle – im Jahr 2022 waren es beispielsweise rund 240.000 Wildtierunfälle in Deutschland, die Dunkelziffer könnte Schätzungen zufolge sogar noch höher sein. Den Großteil (über 200.000) machen dabei Rehe aus. 

Was genau zählt als Wildunfall?
Wichtig ist: Nicht bei jedem Unfall mit einem wilden Tier handelt es sich gleich um einen Wildunfall. Der Gesetzgeber unterscheidet hierbei zwischen Wildtieren beziehungsweise Wild und wildlebenden Tieren. Als Wild gelten etwa alle Landwirbeltiere, also Säugetiere und Vögel, die bejagt werden können. Dazu gehören bei den Säugetieren (auch Haarwild genannt) Reh-, Rot-, Dam-, Muffel- und Schwarzwild. Doch auch Marder, Hasen, Dachse, Füchse oder Waschbären sind in diesem Sinne Wild. Bei den Vögeln, dem Federwild, sind das vor allem Gänse, Enten sowie Fasane, Reb- und Haselhühner.

Alle anderen Tiere, die nicht bejagt werden und somit nicht dem Jagdrecht unterliegen, sind lediglich „wild lebende Tiere“. Ein solcher Unfall, wie etwa ein überfahrener Igel, wird vom Gesetzgeber daher nicht als Wildunfall betrachtet. Dasselbe gilt übrigens auch für alle Haus- und Nutztiere wie Hunde, Katzen, Kühe oder Schafe.

So vermeidet man einen Wildunfall
Um Wildunfälle zu vermeiden, braucht es eine bewusste Herangehensweise. Geschwindigkeitsbeschränkungen sind nämlich nicht bloß Schilder am Straßenrand, sondern wahre Lebensretter – besonders in Waldgebieten und Zonen mit Wildwechsel. Wer seine Augen fest auf den Asphalt richtet und nach Wildwechselschildern Ausschau hält, kann einen kritischen Zeitvorsprung bei möglichen Begegnungen haben. 

Gut zu wissen ist auch, dass die Tiere verstärkt im Morgengrauen und in der Abenddämmerung auf Nahrungssuche sind. Dem ADAC zufolge ist das Risiko für einen Zusammenstoß mit Wildtieren zwischen 6 und 8 Uhr morgens besonders hoch. Im Herbst und im Winter kommt außerdem hinzu, dass Rotwild, Damwild und Wildschweine gleichzeitig ihre Paarungszeit haben und dadurch noch unberechenbarer werden. Daher gilt generell: Immer bremsbereit sein! Denn auch wenn das Tier einen sieht, kann es direkt vor dem Auto auf die Straße springen – und weitere könnten ihm folgen. 

Wer ein Tier am Straßenrand früh entdeckt, sollte deutlich langsamer werden oder sogar ganz abbremsen, weil Reh, Hirsch und Co. die Geschwindigkeit nicht abschätzen können. Ein sanftes Hupen kann den Fluchtinstinkt der Tiere wecken und so manche trügerische Annäherung verhindern. Um das Tier nicht zu blenden, sollte man zudem das Fernlicht ausschalten. In letzter Sekunde auszuweichen, ist hingegen keine gute Idee. Stattdessen sollte man stur die Spur halten, das Lenkrad festhalten und in das Tier hineinfahren. Ansonsten könnte das Auto ins Schleudern kommen und beispielsweise in einen Baum krachen oder mit dem Gegenverkehr kollidieren. 

Ein Crashtest des ADAC mit einem 180 Kilogramm schweren Wildschwein-Dummy zeigte sogar, dass ein Fahrer bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h bei einem solchen Aufprall gänzlich unverletzt bleiben kann. Zudem werden bei einem direkten Draufhalten selbst größere Tiere meist unter das Auto gezogen oder vom Wagen weggeschleudert, anstatt durch die Windschutzscheibe in das Wageninnere geschleudert zu werden – was deutlich gefährlicher für die Insassen ist.

Auf den Bremsweg kommt es an
Um den Einfluss der Geschwindigkeit deutlich zu machen, hilft ein kurzer Blick auf die Physik: Nur etwa zehn Kilometer pro Stunde langsamer zu fahren, könnte bereits den Unterschied zwischen einer dramatischen Kollision und einem glücklichen Ausweichen ausmachen. Denn aus der Fahrschule ist vielleicht noch bekannt: Bei doppelter Geschwindigkeit ist der Bremsweg viermal so lang! Bei 50 km/h beträgt er rund 12,5 Meter, bei 100 km/h hingegen 50 Meter. Wer nur 80 km/h fährt, braucht immerhin auch nur 32 Meter. Bei unübersichtlichen Landstraßen während der Dämmerung empfiehlt es sich also insbesondere in Bereichen mit Wildwechsel, etwas vom Gas herunterzugehen.

Richtiges Verhalten nach einem Wildunfall
Manchmal passiert es dann aber doch – nach einem Wildunfall ist es demnach immer wichtig, ruhig zu bleiben. Zuerst sollte man das Fahrzeug sicher abstellen, eine Warnweste anziehen und die Warnblinkanlage aktivieren. Falls notwendig, sollte die Unfallstelle abgesichert werden. Sind Personen verletzt, ruft man die 112 und leistet Erste Hilfe. 

Auch sonst ist eine sofortige Benachrichtigung der zuständigen Behörden, insbesondere der Polizei, unerlässlich. Wenn Tiere verletzt sind, ist die Unterstützung von Fachleuten wie Tierärzten oder örtlichen Jägern gefragt und in den meisten Bundesländern auch so vorgeschrieben. Keinesfalls sollten sie aber angefasst werden, da Tiere wie insbesondere Wildschweine sich wehren können. Tote Tiere hingegen kann man vorsichtig und wegen einer möglichen Krankheitsübertragung nur mit Handschuhen an den Randstreifen ziehen – aber bloß nicht entfernen, sonst droht eine Anzeige wegen Wilderei. Hier sollte man also lieber auf den Jäger warten und ihn außerdem darum bitten, eine Wildschadenbescheinigung beziehungsweise Wildunfallbescheinigung auszuhändigen. 

Ohne die Bescheinigung kann die Versicherung den Wildschaden am Wagen nämlich nicht überprüfen. Vom verunfallten Wagen und der Unfallstelle sollte man zudem eigene Fotos machen, um sie später der Versicherung einzureichen. Erst nachdem diese den Fall auch abgeschlossen hat, kann der Wagen wieder gewaschen werden. Zuvor ist es möglich, dass die Versicherung einen Gutachter schickt, um sich das Fahrzeug noch einmal gründlich anzusehen.

Alle Infos zu Schäden, Haftung und Versicherung
Der Prozess der Schadensregulierung nach einem Wildunfall birgt durchaus seine Tücken. Glücklicherweise springt die Teilkaskoversicherung in die Bresche und deckt die Kosten für Fahrzeugschäden aufgrund von Tierkollisionen mit Haarwild, also Reh, Fuchs, Wildschwein, Hirsch oder Hase. Diese Hilfe erfolgt ohne unmittelbare Auswirkungen auf den eigenen Versicherungstarif. Bei Unfällen mit Vögeln oder anderen Tieren wie Kühen, Pferden, Hunden oder Katzen kann es sein, dass nicht jede Versicherung zahlt. 

Wird der Schaden am Wagen nicht durch das Wild direkt verursacht, sondern entsteht etwa durch einen Ausweichversuch ohne direkte Berührung mit dem Wild, kann ein sogenannter Aufwendungsersatz („Rettungskosten“) von der Teilkaskoversicherung gefordert werden. In der Praxis ist es allerdings oftmals schwierig, das Ausweichmanöver nachzuweisen, wenn keinerlei Zeugen den Unfall beobachtet haben.

Wer nicht nachweisen kann, dass der Schaden am Fahrzeug durch den Zusammenstoß mit Wild oder aufgrund von Ausweich- oder Bremsmanövern entstanden ist, lässt das Ganze über die Vollkaskoversicherung regulieren. Das kann jedoch eine Rückstufung in eine ungünstigere Schadenfreiheitsklasse nach sich ziehen. Fehlt ein Hinweis auf die Gefahrenstelle in Form des „Wildwechsel“-Schildes, besteht prinzipiell auch die Chance, dass die zuständige Straßenbehörde für den Wildschaden aufkommt. Schadenersatzansprüche gegen den Waldbesitzer oder den Jagdpächter sind bei Verkehrsunfällen mit Wild hingegen für gewöhnlich nicht möglich, da Wild im juristischen Sinne eine herrenlose Sache ist.

Was können Sicherheitssysteme?
Im Zeitalter moderner Technik bieten Autos auch schon fortschrittliche Sicherheitssysteme, die die Gefahr von Wildunfällen minimieren können. Nachtsicht-Systeme etwa können mithilfe von Infrarotsensoren Wildtiere frühzeitig erkennen und den Fahrer warnen oder die Bremsung unterstützen – sie sind jedoch relativ teuer.

Notbremsassistenten dagegen sind zwar für neue Fahrzeuge bereits Pflicht, aber bislang sind sie nur auf die Erkennung von Fahrzeugen, Fußgängern und Radfahrern optimiert. Laut einem Test des ADAC können sie daher eine Kollision mit Wild nicht verhindern, in manchen Fällen aber zumindest warnen und das Bremsen unterstützen. 

Mittlerweile wird bereits an weiteren Möglichkeiten und Projekten gearbeitet: Dazu zählen etwa intelligente Leitpfosten mit eingebautem Wildwarnsystem, die dank verschiedener Sensoren Tiere im Straßenseitenraum erkennen und mithilfe von hellen LED-Lampen in beide Fahrtrichtungen signalisieren können. Aufgrund der frühzeitigen Warnung können Verkehrsteilnehmer ihr Fahrverhalten rechtzeitig anpassen und Zusammenstöße mit dem Wild oder Unfälle aufgrund von hastigen Ausweichmanövern eher vermeiden. Hier laufen aktuell noch Testphasen auf Teststrecken, eine Ausweitung auf den fließenden Verkehr könnte aber folgen. 

Des Weiteren gibt es hilfreiche Smartphone-Apps wie „wuidi“: Wer durch ein Gebiet mit erhöhtem Wildwechselrisiko fährt, wird von der Anwendung durch ein Warnsignal darauf aufmerksam gemacht. Die Daten für die Wildwarnungen basieren auf von Autofahrern und Jägern gemeldeten Gefahrenabschnitten sowie einem eigenen Algorithmus. Kommt es doch zu einem Wildunfall, unterstützt die App bei den nächsten Schritten, indem sie etwa dabei hilft, den am Unfallort zuständigen Jagdrevier-Inhaber oder auch die zuständige Polizeidienststelle schnell zu kontaktieren.

FAZIT:
Wildunfälle sind eine reale Bedrohung, die jedoch durch eine höhere Achtsamkeit, eine defensive Fahrweise und das Beachten von Warnhinweisen minimiert werden kann. Zusätzliche Sicherheitssysteme können zudem das Risiko von Zusammenstößen mit Tieren verringern. Ist doch ein Unfall passiert, sollte man die Polizei sowie die Versicherung informieren und gegebenenfalls Fachleute wie Tierärzte hinzuziehen. | Text: Vera Mergle