Wirtschaftsjunioren Kempten-Oberallgäu veranstalten Podiumsdiskussion mit Direktkandidaten

«Licht aus, Spot an!»

Wie in den Wahlkämpfen der Vorjahre ist einer der Höhepunkte das gemeinsame Aufeinandertreffen der Allgäuer SpitzenkandidatenInnen der jeweiligen Parteien. Im Fall der anstehenden Bundestagswahl sind dies die DirektkandidatenInnen der Parteien, die um die Erststimme der Wähler buhlen. Im gemeinsamen öffentlichen Auftritt sollen die KandiatenInnen die Gelegenheit erhalten, sich dem Wähler mit ihrer Persönlichkeit und ihren politischen Überzeugungen vorzustellen. Dabei erhält der Wähler die Chance die Unterschiede der Kandidaten genauer zu erfassen. Die Wirtschaftsjunioren Kempten-Oberallgäu hatten hierzu am 15. September sieben Direktkandidaten zu einer Podiumsdiskussion in das Digitale Gründerzentrum nach Kempten einzuladen. Erschienen waren für die CSU Mechthilde Wittmann, für Bündnis 90/Die Grünen Pius Bandte, für die SPD Martin Holderied, für die FDP Stephan Thomae, für die AfD Dr. Rainer Rothfuß, Für die Linke Engelbert Blessing und für die Freien Wähler Annette Hauser-Felberbaum

Respekt erbeten

Begrüßt wurden die 35 zugelassenen Zuschauer vor Ort durch den stellv. Kreissprecher der Wirtschaftsjunioren Kempten-Oberallgäu Mario Kunze. Zeitgleich wurde die Veranstaltung im Internet gezeigt. Moderiert wurde der Abend durch den Wirtschaftsjunioren Stefan Nitschke. Der bat gleich zu Beginn die angetretenen Direktkandidaten um gegenseitigen Respekt und forderte die Kombattanten auf: „Bitte lassen Sie den anderen aussprechen!" Dieser Bitte wurde den Abend über von allen Beteiligten entsprochen. Insgesamt erhielt jeder der Direktkandidaten eine Redezeit von 10 Minuten, deren Restverbleib während des Abends laufend angepasst wurde. Zum Ende der Diskussion erhielt jeder Teilnehmer noch einmal eine Minute für ein Schlussplädoyer. Gestartet wurde zuerst mit einer Frage an die anwesenden Zuschauer vor Ort und im Netz: „Welche Kandidatin/welchem Kandidaten würden Sie jetzt zum aktuellen Zeitpunkt am 26. September ihre Erststimme geben?" Das Ergebnis überraschte politikinteressierte Allgäuer nicht wirklich. Vorne lag mit großem Vorsprung FDP-Direktkandidat Stephan Thomae, mit Abstand gefolgt von Mechthilde Wittmann von der CSU, Pius Bandte von den Grünen, Engelbert Blessing von der Partei Die Linke. Wenig Zuspruch für Martin Holderied von der SPD, Dr. Rainer Rothfuß von der AfD und Annette Hauser-Felberbaum von den Freien Wählern. Am Ende wurde ein zweites Mal um das Votum der Zuschauer gebeten und da zeigten sich dann doch erhebliche Verschiebungen.



Was tun für die Region?

Zu Beginn wurden die Kandidaten aufgefordert die regionalen Themenfelder aufzuzählen, in denen sie etwas für die Menschen im Allgäu bewegen wollen. Bei Mechthilde Wittmann war dies die Landwirtschaft u.a. mit ihrer Düngemittelverordnung und dem zu niedrigen Milchpreis; Annette Hauser-Felberbaum möchte sich für mehr Bürgernähe, gerade von Mitgliedern des Bundestages, einsetzen; Stephan Thomae willl sich verstärkt für alternative Antriebsarten wie Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe stark machen; AfD Kandidat Rainer Rotfuß möchte, dass dem Bürger mehr netto von brutto bleibt und will Bürger stärker finanziell entlasten; Martin Holderied wünscht sich mehr sozialen Wohnungsbau und eine signifikante Verbesserung des ÖPNV, insbesondere für den ländlichen Raum; Engelbert Blessing von der Linken fordert mehr Zuschüsse des Bundes für den ÖPNV und will eine sozial gerechte Verteilung der Lasten bei der Bewältigung des Klimawandels und Pius Bandte von den Grünen will neben einer neuen Klimapolitik den Fokus auf eine naturnahe Erneuerung des Waldes setzen. „Die riesigen Schäden in Mittelgebirgen wie dem Harz, haben uns gezeigt, dass wir im Angesicht des Klimawandels und starken Schädlingsbefalls unsere Wälder artenreicher und naturnaher aufforsten müssen.", so der gelernte Zimmerer und Baumpfleger Bandte. Mechthilde Wittmann pflichtet dem jungen Grünenpolitiker bei, erwähnt aber die von der Staatsregierung schon ins Rollen gebrachte Allgäuer Bergwaldinitiative. An die Adresse von Annette Hauser-Felberbaum von den Freien Wähler gerichtet, wirft sie dieser vor, durch die Teilnahme der Freien Wähler an der Bundestagswahl, das bürgerliche Lager zu spalten und lediglich auf Wahlkampfkostenzuschüsse zu schielen.

Yes or No?

Interesant wurde es bei einer Fragerunde, bei der die Direktkandidaten sich entweder für oder gegen eine These ausprechen sollten. Hierfür erhielten die Teilnehmer der Podiumsdiskussion eine kleinen Polizeikelle, mit der sie durch ein grünes oder rotes Licht Zustimmung oder Ablehnung signalisieren konnten. Bei der Frage nach einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen sprach sich das bürgerliche, liberale und konservative Lager dagegen aus, während sich Rot-Rot-Rot Grün dafür aussprachen. Bei der These vereinfachter Familiennachzug für Flüchlinge, Ablehnung durch AfD und CSU, der Rest stimmt zu. Beim Ausstieg aus der Kohleverstromung vor 2038, Ablehnung durch FDP und AfD, Zustimmung bei den anderen. Bei der These Ökologische Landwirtschaft soll stärker gefördert werden, als die konventionelle Landwirtschaft, Zustimmung durch Die Linke und die Grünen, Ablehnung bei den anderen Diskussionsteilnehmern. Verbrennermotoren über 2035 auf deutschen Straßen zulassen, Zustimmung bei FDP und AfD, Ablehnung bei den anderen Parteien. Deutschland soll aus der EU austreten, AfD Ja, alle anderen geschlossen Nein. Gendern als gesetzliche Vorgabe, Zustimmung lediglich durch Annette Hauser-Felberbaum von den Freien Wählern, Ablehnung durch die anderen Direktkandidaten.

Wo liegt die bürgerliche Mitte?

Im Laufe des Abends wurde über die Themen ÖPNV, Klimawandel, Wohnungsnot, Fachkräftemangel und Afghanistan gesprochen. Aufgrund der Anzahl der Kandidaten und der Länge der Veranstaltung von rund 2 1/2 Stunden, konnten Themen wie Digitalisierung und Bildung nur kurz angeschnitten werden. Auch der Dauerbrenner Corona wurde nicht von jedem Teilnehmern aufgegriffen. Stephan Thomae von der FDP möchte so schnell wie möglich ein Ende der epidemischen Lage von nationaler Tragweite und Annette Hauser-Felberbaum von den Freien Wählern möchte erreichen, dass ein „Freedom Day" datiert wird, an dem alle Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung beendet werden. Martin Holderied von der SPD setzt weiterhin auf verstärktes Impfen, wie Mechthilde Wittmann von der CSU. Zum Thema Afghanistan sprach Moderator Stefan Nitschke mit Engelbert Blessing von der Linken. Dieser diente selbst als Bundeswehrsoldat in Afghanistan. Blessing verteidigte die Haltung seiner Partei sich bei der Abstimmung über die Rettungsaktion der Bundeswehr von Ende August enthalten zu haben. Grundsätzlich sei seine Partei bereit humanitäre Auslandseinsatze zu unterstützen, nicht aber solche, die durch die NATO geführt werden. Bei der Wohnungsnot sprach sich Mechthilde Wittmann dafür aus, die Zahl der oftmals leerstehenden Zweitwohnungen im Allgäu drastisch zurückzuführen, um auf diese Weise mehr Wohnraum für Einheimische ohne Zubauten zu schaffen. Am Ende der Veranstaltung war es den Zuschauern vor Ort und im Netz gestattet, Fragen an die Kanditen zu stellen. Hierbei wurden Themen wie das Bundesteilhabegesetz oder die Wohnungsnot angeschnitten. Auf die Frage, ob es bei der Klimapolitik nicht besser sei, zuerst aus der Kohleverstromung auszusteigen, als aus der Kernerengie, hielt Mechthilde Wittmann am Ende ein flammendes Plädoyer für diese Idee. Sie selbst wisse, dass ein Ausstieg aus der Kohle- und Kernenergie so nicht zu realsieren sei und sprach sich dafür aus, den Ausstieg aus der Kohle vorzuziehen und stattdessen die Laufzeit einiger neuerer Kernkraftwerke ggfs. zu verlängern. Begleitet wurde die Diskussion von den üblichen Wahlkampfscharmützeln, wie die Dauerschleife der etablierten Parteien, niemals mit der AfD zu koalieren oder auf die „Rote Socken"-Diskussion zu verweisen. Mechthilde Wittmann von der CSU warf Martin Holderied und Pius Bandte vor, sich in einem Radiointerview für eine Koalition mit der Linken ausgesprochen zu haben. „Das sollten die Wähler wissen.", insistiert Wittmann. Martin Holderied erklärte hingegen, niemand in Deutschland bräuchte sich vor solch einer Koalition zu fürchten. Er jedenfalls befinde, dass auch mit der Linken Koalitionsgespräche zu führen sein.

Sieger nach Punkten…

Am Ende wurden die Zuschauer ein zweites Mal gebeten, ihr Votum zu den Kandidaten abzugeben. Und da zeigte sich, dass durch die Auftritte der Kandidaten am Ende diese anders beurteilt wurden, wie zuvor. Stephan Thomae blieb zwar punktemäßig vor Mechthilde Wittmann, die aber konnte bis auf einen Punkt an den FDP-Mann heranrücken. Einen Achtungserfolg erzielte auch Martin Holderied von der SPD, der zu Mechthilde Wittmann punktemäßig aufschloss. Pius Bandte in der Folge hielt seinen Punktestand, konnte diesen aber nicht verbessern. Die Vertreter der anderen Parteien konnten nicht wirklich punkten.