Wirtschaftsmacher: Ernst Prost verabschiedete sich von Liqui Moli

Ehemaliger Geschäftsführer im exklusiven Interview

TRENDYone trifft die Wirtschaft am Punkt: 32 Jahre – So lange ist Ernst Prost bereits Teil des Unternehmens LIQUI MOLY. Bekannt aus allerlei Werbespots und internationalen Auftritten sorgte er kurz vor seinem Ausstand für eine weitere Schlagzeile. Als Leistungsprämie schenkte der ehemalige Geschäftsführer jedem seiner Mitarbeiter einen Betrag von 2.000 Euro. Wie es dazu kam und was jetzt die Pläne des 64-jährigen sind, verrät er im exklusiven Interview mit TRENDYone.

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Bild: LIQUI MOLY GmbH
TRENDYone: Wie geht es Ihnen mit Ihrem Ausstieg bei Liqui Moly?

Ernst Prost: Mehr als 50 Jahre Arbeitsleben habe ich nun auf dem Buckel. Und seit fast 32 Jahren arbeite ich für LIQUI MOLY. Die meiste Zeit davon als Inhaber und Geschäftsführer. Die Verantwortung, die mit einem Unternehmen von 1.000 Mitunternehmerinnen und Mitunternehmen einhergeht, ist immens. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal ausgiebig Zeit für mich hatte. So einfach mal in den Tag hineinleben. Frei zu sein, kenne ich gar nicht mehr. Die Arbeit war mein Leben und sie hat mir immer höllisch Freude bereitet. Ich hab das gerne gemacht. Auch heute mache ich das noch gerne und schaffe bis in die Nacht, ohne Pausen, ohne Wochenenden. Mein Kalender ist immer voll und mein Emailpostfach sowieso. Irgendwann muss damit Schluss sein. Da gibt es noch andere Dinge, die ich erleben und mir jetzt ansehen will. Ich will ja nicht enden, wie Jogi Löw, den man vom Platz tragen musste. Ich gehe jetzt: Selbstbestimmt und freiwillig. Die verbleibenden Jahre nutze ich für mich. Was auf mich wartet, das weiß ich noch nicht. Aber ich freue mich darauf, mein eigener Herr zu sein, meine Zeit mit meiner Familie und meiner Freizeit zu verbringen, ohne Stress und ohne Verantwortung.
 
Sie haben Liqui Moly im Jahr 1998 von der Gründerfamilie übernommen. Was waren seither ihre größten Veränderungen, die Sie in der Firma bewirkt haben?

Nun ja, die Firma war ein kleiner Betrieb. Ich will nicht überheblich wirken, aber hier kann man ruhig sagen, was wir erreicht haben. Wir sind zu einer weltweit bekannten Marke geworden, haben uns gegen die größten Unternehmen der Welt im Ölgeschäft behauptet. Quasi als kleines gallisches Dorf, nur eben aus Ulm. Jetzt ist die Milliarde Jahresumsatz in greifbarer Nähe. Angefangen haben wir bei 30 Millionen D-Mark. Das ist doch Wahnsinn. Und das habe nicht ich alleine geschafft, sondern wir alle in der Firma.
 
Ihre eigene Stiftung hilft Menschen in Not. Woher kam die Idee, sich diesem Thema anzunehmen?

Nicht alle Menschen stehen auf der Sonnenseite des Lebens, wo ich heute stehe. Immer stand ich da auch nicht. Ich bin ein Nachkriegskind. Meine Familie war auf der Flucht. Ich musste mir in der Kindheit lange ein Bett mit meiner lieben Oma teilen. Das ist jetzt kein Gejammer, aber das war sehr prägend für mich. Aus diesem stigmatisierten Umfeld kommt man nur mit harter, ehrlicher Arbeit raus. Das hat mich meine Familie gelehrt. Und auch Anstand, Respekt und Nächstenliebe. Mir wurde im Leben nichts geschenkt. Natürlich hatte ich auch unglaubliches Glück, dass ich so weit gekommen bin. Ich bin gesund, hab eine tolle Familie und ein erfolgreiches Unternehmen auf die Beine gestellt. Rückschläge gab es ebenso. Und für manche sind diese Rückschläge halt nicht so leicht zu verkraften. Viele kommen aus eigener Kraft nicht aus ihrer Notlage heraus. Diesen Menschen möchte ich Mut machen und dort helfen, wo ich kann. Meine Stiftung leistet Hilfe zur Selbsthilfe. Wir stehen Menschen in Not bei und begleiten sie, bis sie hoffentlich wieder auf eigenen Beinen stehen können. Das gebietet einfach mein Anstand, die Nächstenliebe und vor allem der Respekt vor allen Menschen. Ich bin unendlich dankbar, dass ich mir keine finanziellen Sorgen machen muss. Ich möchte mit meinen Stiftungen einen bescheidenen Anteil für eine bessere Welt leisten.
 
Für einige Menschen, Unternehmer und Mitarbeiter gelten Sie als Inspiration und Vorbild. Wie gehen Sie damit um?

Ich fühle mich sehr geehrt und geschmeichelt, muss aber ehrlich gestehen, dass ich mit Lob nicht so gut umgehen kann. Ich stehe nicht gerne wegen meiner Art im Vordergrund. Natürlich finde ich es toll, wenn Menschen sich an meinem Weg ein Beispiel nehmen. Ich kann jeden dazu ermutigen, sich nicht von seinen Träumen abbringen zu lassen. Mit ehrlicher Arbeit kann man etwas erreichen, wenn man die Menschen um sich herum mitnimmt. Daran glaube ich noch immer.
 
Standen Sie in Ihrer Karriere schon einmal an einem Punkt, an dem Sie am liebsten einfach aufgehört hätten?

Wenn man nachts schweißgebadet aufwacht, weil man nicht weiß, wie es weitergeht. Wenn du rund um die Uhr versuchst, den Kahn auf Kurs zu halten, während die Welt um dich herum verrücktspielt – wie in der Coronakrise oder Weltwirtschaftskrise vor einem Jahrzehnt – dann denkst du schon darüber nach, warum du das alles tust. Aber das waren nur Gedankenspiele. Ich war und bin mir meiner Verantwortung immer bewusst gewesen. Ich wollte diese Verantwortung und bin ihr, so gut ich konnte, gerecht geworden. Aufhören stand nie zur Debatte. Aber jetzt ist ein guter Zeitpunkt, zu gehen. Das Feld ist bestellt und mein Weggefährte und Freund Günter Hiermaier kann das Steuer übernehmen und mit der Mannschaft weiter auf Erfolgskurs fahren.
 
Ethische Werte wie Fleiß, Respekt, Dankbarkeit und Lob sind Ihnen sehr wichtig. Wie finden Sie, dass dieser Art der Unternehmensführung in heutiger Zeit nachgekommen wird?

Für mich sind das die tragenden Werte unserer Gesellschaft und der sozialen Marktwirtschaft. Ich beobachte, dass gerade große Konzerne, die nicht inhabergeführt sind, Probleme haben, diese Werte für sich anzunehmen. Da werden Leute entlassen, obwohl man Milliardengewinne einfährt. Auf Kosten der Steuerzahler wird Profit gemacht, indem man staatliche Subventionen abgreift, die man nicht braucht. Das macht mich wütend! Was ist das denn für ein Selbstverständnis? Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, heißt das in meinem christlichen Weltbild. Darauf basieren unser ganzer Staat und auch die soziale Marktwirtschaft. Die Wirtschaft ist für den Menschen da und nicht umgekehrt. Jetzt rede ich mich wieder um Kopf und Kragen, aber das ist für mich ein rotes Tuch. Natürlich gibt es jede Menge vorbildhafte Unternehmen. Im Mittelstand und auch kleine Unternehmen, in denen die Chefs ihr letztes Hemd geben, bevor sie irgendjemanden auf die Straße setzten. Aber was wir auch jetzt wieder in der Coronakrise von den Großen der Welt gehört haben, schießt den Vogel ab. Da halte ich es weiter wie gehabt: Wir kämpfen zusammen und wir siegen zusammen, niemand geht über Bord und jeder bekommt seinen Anteil an der Beute.
 
Was war das Erste, dass Sie nach Ihrem Austritt gemacht haben und was Sie auch besonders schätzen werden?

Das ist schnell beantwortet: Ausschlafen und den Tag mit meiner Lebensgefährtin verbringen.
 
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, Ihrem 20-jährigen Ich zu begegnen – was würden Sie ihm sagen?

Wie bei Zurück in die Zukunft? Mein 20-jähriges Ich würde mich wahrscheinlich für verrückt erklären, wenn ich ihm sage, was alles auf ihn zukommen wird. Ich sage ihm: Egal, welche Entscheidung du fällen musst, höre auf dein Herz, deinen Instinkt, sei mutig und mach einfach. Das Leben ist zu kurz, um lange zu grübeln. Pack die Gelegenheit beim Schopfe.
 
Ihr Abschiedsgeschenk für jeden Ihrer Mitarbeiter ist eine Leistungsprämie von 2.000 Euro. Wie kam es zu dieser Idee?

Das war keine Idee. Das ist unsere Philosophie. Wir alle sind Mitunternehmerinnen und Mitunternehmer. Wir haben im letzten Jahr hart gearbeitet und uns aus der Krise gekämpft. Jeder bekommt nun seinen Anteil am Gewinn. Das ist dann auch mein Dank an alle, wie die Jahre zuvor.