Wirtschaftsmacher Interview mit Umberto Freiherr von Beck-Peccoz: "Der Baron von Kühbach"
„Alles muss sich ändern, damit alles so bleiben kann, wie es ist.“
Schloss Kühbach steht für gelebte Geschichte, unternehmerische Verantwortung und starke familiäre Werte. Umberto Freiherr von Beck-Peccoz führt die traditionsreiche Brauerei und Gutsverwaltung in sechster Generation – mit Weitblick, Nachhaltigkeit und tiefem Respekt für die Wurzeln seiner Familie, die bis ins 7. Jahrhundert zurückreichen. Im Interview sprach der „Baron von Kühbach“ mit unserem Verkaufsleiter Ivica Sebalj und unserer Redaktionsleitung Jana Dahnke über die Bedeutung von Heimat, den Wandel als Prinzip und darüber, warum wahre Qualität weit über den Geschmack eines Biers hinausgeht.
Unsere Wurzeln reichen bis ins 7. Jahrhundert zurück, als unsere Vorfahren, die Walser, aus dem Allgäu aufbrachen und sich über die Schweiz im Gressoney-Tal am Monte-Rosa-Massiv niederließen. Über Generationen lebte die Familie dort im Königreich Savoyen, bis sie um 1600 – mit Beginn der Kleinen Eiszeit – nach Bayern zurückkehrte. Dort etablierten sie sich als erfolgreiche Händler zwischen Italien und Süddeutschland, wurden 1785 ins Augsburger Kaufmannsregister aufgenommen und zählten ab 1800 zu den frühen Unternehmerfamilien in Bayern – mit Betrieben in Augsburg und München. Ihr unternehmerischer Erfolg ging stets mit sozialer Verantwortung einher – etwa durch ein freiwilliges Pensionssystem. Der spätere Adelstitel war Ausdruck dieser Leistung und Haltung.
Als großer Sisi-Fan habe ich erfahren, dass Ihre Familie das Gut von Herzog Max von Bayern erworben hat – Welche spannenden Details gibt es hier?
Richtig! Das Gut Inbach wechselte nach der Säkularisation mehrfach den Besitzer, bis Herzog Max von Bayern es 1839 erwarb. Es umfasste Schloss Kühbach, das Jagdschlösschen in Rapperzell (heute im Besitz meiner Schwester) und das „Sisi-Schloss“ Unterwittelsbach, das heute der Stadt Aichach gehört. Wichtig waren vor allem die großen Waldflächen, die unser zusammenhängendes Eigenjagdrevier bilden. Herzog Max war ein passionierter Jäger, und wir fühlen uns als doppelte Nachfolger der Wittelsbacher, denn unser Revier liegt nahe dem historischen Stammsitz Oberwittelsbach. Nach einem Brand 1862 verkaufte Herzog Max das Anwesen samt Brauerei und Land an unsere Familie, behielt aber das Wasserschloss Unterwittelsbach, seine „Burg“. Herzog Max und seine Familie verbrachten oft die Sommer hier, und vermutlich hat sich auch Sisi als Kind Zeit in Kühbach und Unterwittelsbach aufgehaltem. Bis heute zeugt das Sudhaus von 1841 von dieser Geschichte – so lebt die Verbindung zu den Wittelsbachern aktiv weiter.
Was bedeutet Ihnen das Schloss Kühbach heute – ist es eher Familiensitz oder historisches Erbe mit Verantwortung?
Für uns ist das Schloss wie eine Sonne, um die sich ein eigenes kleines Planetensystem dreht. Es strahlt eine Kraft aus, die vieles in Bewegung hält – und das spüren wir jeden Tag. Vielleicht liegt genau darin der Unterschied zu einem „normalen“ Unternehmen: Eine Brauerei – und dieser Ort als Ganzes – ist hoch emotional aufgeladen. Das merkt man bereits an der Bedeutung, die ein kleiner Ort wie Kühbach mit seinen rund 5.000 Einwohnern in der Region hat. Unsere Marktgemeinde ist untrennbar mit dem Bier verbunden – die Brauerei prägt den Charakter des Ortes. Bei Festen strömt alles nach Kühbach, das ist gelebte Identität. Es besteht ein intensiver, lebendiger Austausch mit der Umgebung – aber ebenso innerhalb unserer eigenen Familie. Meine Schwester lebt heute in Genua, mein Bruder in Österreich, und trotzdem kommen beide regelmäßig zurück. Unsere Kinder fühlen sich ebenfalls fest verbunden – obwohl unser älterer Sohn in München studiert und der jüngere bald in Italien studieren wird, ist klar: Sie kehren immer wieder gerne heim. Das Schloss ist für uns daher viel mehr als nur ein Gebäude. Ein Ort, an dem die Familie zusammenkommt. Gleichzeitig glaube ich fest daran, dass man Dinge verändern muss, damit sie im Kern erhalten bleiben. Mein liebster Leitspruch stammt aus „Der Leopard“ von Tomasi di Lampedusa: „Alles muss sich ändern, damit alles so bleiben kann, wie es ist.“ Und genau das ist mein Ansatz. Ich habe viele Bereiche unseres Betriebs grundlegend modernisiert, neue Wege eingeschlagen – weil ich weiß, dass nur durch Veränderung Nachhaltigkeit möglich ist. Früher konnte man vielleicht meinen, ein Schloss ließe sich allein mit den Erträgen aus Land- oder Forstwirtschaft erhalten – heute ist das völlig illusorisch. Ohne unternehmerisches Denken und Einsatz funktioniert das nicht. Was ich meinen Kindern mitgeben möchte, ist genau diese Verbindung aus Fleiß, Verantwortungsgefühl und sozialem Denken. Denn nur wer bereit ist zu leisten, kann ein solches Erbe wirklich bewahren. Das Leben in der Großfamilie unter einem Dach ist da ein wunderbares Beispiel: Es funktioniert, wenn es mit Liebe, Rücksicht und gegenseitiger Fürsorge gelebt wird. Für die Enkel ist es schön, wenn die Großeltern nah sind – und umgekehrt. Und am Ende profitieren ebenso die Eltern davon, weil man sich gegenseitig entlastet und unterstützt. Es ist ein sehr erfüllendes Lebensmodell – und für uns alle etwas ganz Besonderes.
Was hat es mit den Steinböcken auf sich, die Ihr Wappen zieren und zudem im Schloss auftauchen?
Tatsächlich steckt dahinter mehr als bloße Zierde – es gibt eine sehr direkte Verbindung zu unserem Familiennamen. Ursprünglich war in unserem Wappen ein Hirsch dargestellt, der über eine Mauer sprang. Doch bereits zwei Jahre nach unserer Erhebung in den Adelsstand, als der italienische Titel verliehen wurde, änderte sich das: Der Steinbock trat an seine Stelle. Diese Wahl war kein Zufall – im Gegenteil: Sie ergibt sich unmittelbar aus dem Namen selbst. Der Steinbock heißt auf Italienisch „stambecco“. Doch die Bedeutung reicht noch tiefer: Der Steinbock verweist auf die alpine Herkunft unserer Familie. Im Aostatal – unserer ursprünglichen Heimat – war der Alpensteinbock einst fast vollständig ausgerottet. Doch gerade in jener Zeit, als unserer Familie der Adelstitel verliehen wurde, begannen intensive Bemühungen um seine Wiederansiedlung. Besonders die Savoyer spielten dabei eine Schlüsselrolle, etwa mit der Gründung des Nationalparks Gran Paradiso. Seitdem steht der Steinbock dort unter strengstem Schutz – er darf seit fast zwei Jahrhunderten nicht mehr bejagt werden. In einem Gebirgstal, das einst zu unserem Besitz gehörte, wurden uns damals sogar zwei Böcke und mehrere Geißen aus diesem neu aufgebauten Bestand überlassen. Heute leben dort wieder hunderte Tiere – ein kleines, aber schönes Kapitel in der Geschichte der Arterhaltung. So wurde der Steinbock über die Jahre ein Sinnbild für unsere Familie. Bronzenachbildungen der Tiere stehen vor mehreren unserer Herrenhäuser – sie sind sozusagen mit uns aus den Alpen ins tertiäre Hügelland gezogen. Selbst wenn der Steinbock hier eigentlich nicht heimisch ist, verkörpert er eine starke Verbindung zu unseren Wurzeln – zu unserer alpinen Herkunft und zum Fortbestehen unserer Familie über Generationen hinweg.
War es als ältestes von drei Kindern immer klar, dass Sie einmal den Betrieb übernehmen würden?
Nein, ganz und gar nicht – im Gegenteil. Eigentlich war es lange Zeit überhaupt nicht vorgesehen, dass ich in den Familienbetrieb einsteige. Mein Vater würde das sofort bestätigen. Er hätte nie gedacht, dass ich einmal in diese Rolle hineinwachse, denn ich war als Kind und Jugendlicher ganz anders geprägt – sehr künstlerisch. Mein erster Berufswunsch ist Comiczeichner gewesen. Ich war ein riesiger Fan von „Walt Disney“ und wollte unbedingt in die USA, um dort für Disney zu arbeiten. Dann kam mit acht Jahren das Klavierspielen dazu – und schon bald wuchs der Wunsch, Pianist zu werden. Später war sogar der Dirigent ein ganz heißer Kandidat als Berufsziel. Ich liebe klassische Musik bis heute und das hätte ich mir wirklich gut vorstellen können. Aber irgendwann holt einen die Realität ein – und dann stellt sich die Frage: Was macht eigentlich Sinn mit Blick auf das, was zuhause wartet? Ich bin mit dem Bewusstsein aufgewachsen, dass ein Betrieb mit Verantwortung da ist – und auch eine große Liebe für das, was unsere Familie aufgebaut hat. Und so wurde Jura mit wirtschaftlichem Schwerpunkt letztlich die pragmatische Wahl und gleichermaßen der Punkt, an dem die Weichen in Richtung Familienunternehmen gestellt wurden. Man darf nicht vergessen: Meine Schwester ist drei Jahre jünger und für meinen Vater war es damals – wie für viele seiner Generation – schlicht nicht vorstellbar, dass eine Frau den Betrieb führt. Mein Bruder wiederum ist zehn Jahre jünger und ging schon früh auf eine Schule nach Italien. Und so blieb ich letztlich derjenige, der ganz selbstverständlich in die Verantwortung hineingewachsen ist. Ich habe das aber nie als Last empfunden. Im Gegenteil – es bereitet mir bis heute große Freude. Und ich hatte das Riesenglück, dass meine Frau – die vorher zehn Jahre bei McKinsey war – dann mit in den Betrieb eingestiegen ist. Mit unseren zwei inzwischen erwachsenen Söhnen, die sich schon engagieren, ist die nächste Generation bereits aktiv.
Und wie steht es heute um die künstlerischen Leidenschaften von früher – Bleibt da noch Raum für Klavier oder Zeichenstift?
Ein bisschen, ja. Das Zeichnen ist mit der Zeit etwas in den Hintergrund gerückt, aber das Klavierspielen begleitet mich bis heute. Wenn sich eine Gelegenheit ergibt und irgendwo ein Klavier steht, dann setze ich mich sehr gern mal wieder daran. Es ist immer noch ein Teil von mir – selbst wenn der Alltag das nicht immer zulässt.
Ihr Vater ist für sein soziales Engagement bekannt – bei Ihnen trifft das ebenfalls zu. Was liegt Ihnen besonders am Herzen?
Soziales Engagement ist bei uns tief in der Familiengeschichte verwurzelt. Schon Generationen vor uns haben sich stark eingebracht – etwa mit der ersten elektrischen Beleuchtung für Kühbach. Mein Vater war jahrzehntelang engagiert, etwa für das örtliche Altenheim. Für mich hat soziales Handeln mehrere Ebenen: intern im Betrieb – mit einer familienfreundlichen Personalpolitik, flexiblen Arbeitsmodellen und echter Fürsorge. Und extern, mit enger Bindung an die Gemeinde, die Region und zahlreiche Initiativen, die wir unterstützen. Es gibt bei uns keine Anfrage, die unbeantwortet bleibt. Seit Kurzem bin ich Präsident des „Rotary Clubs Augsburg-Renaissancestadt“. Dieses Amt ist herausfordernd, aber auf der anderen Seite eine wunderbare Chance, überregional Gutes zu tun. Das passt außerdem historisch gut: Vor 200 Jahren hat unsere Familie ihre erste Fabrik in Augsburg übernommen – heute sehe ich es als Ehre, in dieser Stadt Verantwortung weiterzutragen. Mein Vater hat das vorgelebt – und ich hoffe, diese Haltung an unsere Kinder weiterzugeben.
Ihre Erfolgsgeschichte dreht sich unter anderem um das „flüssige Gold“ – Wie definieren Sie „Qualität“ in der Braukunst – und wie schmeckt man diese?
Für uns ist Qualität weit mehr als Geschmack, Farbe oder Schaum: Sie beginnt bei der Herkunft, der Technik und reicht bis zum ökologischen Fußabdruck. Wir setzen auf modernste Verfahren wie das patentierte Schonkochverfahren, das bei niedrigen Temperaturen arbeitet und so feine Aromen besser erhält. Gleichzeitig arbeiten wir vollständig CO₂-neutral – mit Biogas, Photovoltaik und Holz aus eigenen Wäldern. Qualität bedeutet für uns auch Regionalität, Verantwortung und soziales Engagement – das alles steckt in jeder Flasche. Geschmacklich legen wir den Fokus bewusst auf „Süffigkeit“. Ein gutes Bier erkennt man daran, dass man gerne noch eines trinkt. Gerade in Märkten wie Italien wird unser Bier deshalb besonders geschätzt. Am schönsten ist das Lob, wenn ein erfahrener Verkoster nach 100 Proben sagt: „Das war das beste Bier heute.“ – Das ist für uns echte Qualität.
Mit einer Brauerei und einem Weinhandel vereinen Sie zwei Welten – wo liegen Ihre persönlichen Vorlieben?
Ganz klar: erst das eine, dann das andere. Ich schätze ein gutes Bier genauso wie einen guten Wein.
Gibt es Familientraditionen, die Sie bewusst pflegen?
Ja, bei uns wird viel und gern gefeiert – Weihnachten, Ostern, Geburtstage, Taufen oder Firmungen: Da kommt die ganze Familie nach Kühbach. Meine Frau steckt da unglaublich viel Herzblut hinein – sie dekoriert zu Weihnachten zum Beispiel das ganze Haus. Es gibt mehrere Christbäume, Adventskränze in jedem Raum – sie lebt das wirklich. Und vielleicht ist es genau das, was diese Feste so besonders macht: Die Türen stehen bei uns immer offen, wie es uns der Pfarrer, der auf unserer Hochzeit zugegen war, mitgegeben hat. Bei uns ist eigentlich immer etwas los.
Wenn Sie an Ihre bisherige Laufbahn zurückdenken – welcher Moment hat Sie am stärksten geprägt?
Rückblickend war und ist die Entscheidung, meinen Lebensweg gemeinsam mit meiner Frau zu gehen, der prägendste Moment – beruflich wie privat. Sie hatte ursprünglich ganz andere Pläne, wollte ins Ausland, Karriere machen. Dass sie sich dann für diesen gemeinsamen Schritt entschieden hat, hat letztlich vieles möglich gemacht: die Familie, unsere enge Zusammenarbeit, die gemeinsame Gestaltung des Betriebs. Beruflich gab es viele wichtige Weggabelungen. Mein Vater hat mir früh Verantwortung übergeben – das war entscheidend. Später kamen größere Schritte hinzu: die konsequente Umstellung auf erneuerbare Energien ab 2005, der Aufbau unserer Hotelbetriebe, zuletzt die Integration des Weinmaklers und noch vieles mehr. Das sind Meilensteine, die unseren Betrieb stark verändert und weitergebracht haben. Im Rückblick zeigt sich: Man darf nicht an Dingen festhalten, nur weil sie „immer schon so waren“. Unternehmerischer Mut, Veränderungswille und die Bereitschaft, auch Risiken einzugehen – das war für uns immer essenziell. Und ja, nicht alles klappt. Aber wenn von zehn Projekten sieben erfolgreich sind, dann war es der richtige Weg.