Wirtschaftsmacher Rüdiger Lugert: Geschäftsführer der KEIMFARBEN GMBH

Zwischen Tradition und Innovation

TRENDYone trifft die Wirtschaft am Punkt: Das Unternehmen KEIMFARBEN entwickelt und produziert Systemlösungen für Gebäude – sowohl für außen als auch für innen. Seit über 140 Jahren begleiten die Mineralfarben aus dem Hause KEIM die Architekturgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts. Geschäftsführer Rüdiger Lugert nahm uns im exklusiven Interview mit auf eine spannende Reise in die Vergangenheit und brachte uns die Faszination „Farbe“ näher!

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Bild: KEIMFARBEN GMBH
TRENDYone: Herr Lugert, seit wann gibt es die KEIMFARBEN GMBH und wie fing alles an?
Rüdiger Lugert: KEIM wurde 1878 von Adolf Wilhelm Keim gegründet. Begonnen hat die Geschichte jedoch durch einen Forschungsauftrag, den König Ludwig I., also nicht unser Märchenkönig, sondern dessen Vorgänger, initiiert hat. Zu jener Zeit protzte man mit besonders prächtigen Fassadenmalereien, um seinen Wohlstand somit nach außen hin zu präsentieren. Damals waren die Umweltbedingungen jedoch alles andere als günstig. Der Feinstaub von heute ist in puncto Umweltverschmutzung kein Vergleich zu der schwefelsauren Luft, die zu dieser Zeit durch die Ofenheizungen und die Industrialisierung erzeugt wurde. Schwefelsaure Luft und der schwefelsaure Regen sind Gift für Kalk. Der Kalk wurde chemisch in Gips umgewandelt und zerstörte dadurch sehr schnell die Malereien. Adolf Wilhelm Keim entwickelte eine Farbe, bei der er sich des Bindemittels Kaliumsilikat (Wasserglas) erinnerte, welches bereits durch Goethe erforscht wurde. Diese Farbe mit dem Bindemittel Wasserglas sowie mineralischen Pigmenten und Füllstoffen wurde 1878 zum Patent angemeldet. 

Was sind die besonderen Meilensteine in der bisherigen Geschichte des Unternehmens?
KEIM Purkristalat war 1878 ein wichtiger Meilenstein. Das Produkt ist übrigens noch heute im Sortiment und ziert unter anderem das Augsburger Rathaus, den St. Ulrich, das Fuggerhaus an der Maximilianstraße und viele andere Projekte weltweit. Danach folgten noch viele Innovationen wie die Erfindung der Sol-Silikatfarbe bis hin zu funktionell wirksamen Farben, die die Raumluft verbessern, Stickoxide abbauen oder die Oberflächentemperatur von Fassadenflächen reduzieren.

Was verbirgt sich hinter dem Unternehmensleitbild „Der Mensch steht im Mittelpunkt“?
Adolf Wilhelm KEIM hat in einem bemerkenswerten Satz sein Weltbild zum Ausdruck gebracht: „Wir wollen leben, arbeiten, ringen, kämpfen und für unsere Mitmenschen sorgen, für die Nachkommenschaft arbeiten, damit es besser werde auf Erden.“ Dieses Zitat aus 1878 ist in unserer DNA verwurzelt und prägt unser Tun. Damit ist eigentlich alles gesagt. Wir handeln heute noch nach diesem Grundsatz. Im Übrigen ist dies auch ein Leitsatz für Nachhaltigkeit. 

„Farbe ist nicht gleich Farbe“ – Bringen Sie uns bitte die Faszination „Farbe“ näher und beschreiben uns, was Farben so besonders macht. 
Wir produzieren 145 Jahre nach der Firmengründung immer noch ausschließlich Farben, die mineralisch gebunden werden. Farben bestehen immer aus drei Hauptkomponenten – dem Bindemittel, den farbgebenden Pigmenten, sowie den strukturgebenden Füllstoffen. Das Bindemittel Wasserglas wird aus Quarzsand und Kaliumcarbonat oder auch Pottasche gewonnen. Pottasche kennen Sie sicherlich auch als Backtreibmittel aus der Küche. Quarzsand und Kaliumcarbonat werden gemischt, dann geschmolzen, daraus entsteht ein Glas, das Wasserglas. Dieses kann dann mit Wasserdampf gelöst werden. Die daraus entstehende Flüssigkeit ist unser Bindemittel. Mischt man dieses mit lichtbeständigen, anorganischen Pigmenten, sowie mineralischen Füllstoffen, wie zum Beispiel Marmormehlen, ergibt sich eine Farbe, die nach dem Streichen mit dem Untergrund unlösbar verkieselt, versteinert – also eins wird mit dem Untergrund. Herkömmliche Farben kleben nur auf dem Untergrund. Unsere Farben behalten ihren Farbton, halten sich sauber, leuchten kristallin und sind beständig für Generationen. Heute noch existieren Originalanstriche aus dem vergangenen Jahrhundert. Fassaden in der Schweiz, beispielsweise das Gasthaus „Weißer Adler“ in Stein am Rhein oder das Rathaus in Schwyz (1891), in Oslo (1895) oder in Traunstein (1891) sind eindrucksvolle Beweise. 

Was sind aktuell die größten Herausforderungen?
In erster Linie sind es die vielseitigen Regularien aus Brüssel und Berlin, die uns als Unternehmen das Leben erschweren. Vieles ist gut und sinnvoll, aber bei manchen Themen erschließt sich mir der Sinn nicht. Außer Kosten nix gewesen.

Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in fünf bis zehn Jahren und welche Ziele haben Sie sich bis dahin gesetzt?
Wir setzen weiter auf Internationalisierung, investieren aber auch hier am Standort in die Erweiterung unserer Produktion.

Was ist Ihr persönliches Ziel für die Zukunft?
Gesund bleiben.

Haben Sie ein bestimmtes Motto?
Ich bin ein liberaler Mensch! Für mich gilt „Leben und leben lassen“ als eine Maxime.