Das Allgäu diskutiert eine mögliche Kurtaxe für Tagesgäste

«Das Ende der Willkommenskultur?»

Regionen wie das Allgäu leben vom Tourismus. Dazu bedarf es nicht nur einer genügenden Anzahl von privatwirtschaflich geführten Beherbergungsbetrieben und lokaler Gastronomie, sondern auch einer öffentlichen Infrastruktur. Die ermöglicht es Gästen, sich u.a. frei und sicher in ihrer Urlaubsdestination zu bewegen und touristische Angebote anzunehmen. Gäste, die sich für eine längere Zeit in einer Urlaubsregion Deutschlands aufhalten, sprich ein Übernachtungsangebot in Anspruch nehmen, zahlen für die Nutzung der öffentlich bereitgestellte Infrastruktur eine Abgabe, die sogenannte „Kurtaxe". Die wurde in Deutschland zum ersten Mal im Jahr 1507 in Baden erhoben, ist aber heutzutage in allen Urlaubsregionen wie Nord- und Ostsee oder im Alpenraum vorzufinden. Diese soll zukünftig auch von Tagesgästen im Allgäu entrichtet werden, wenn es nach dem Willen mancher Allgäuer Gemeinden geht. Die erzielten Einnahmen könnten die nach zwei Jahren Coronapandemie arg gebeutelten Gemeindekassen hier und dort wieder klingeln lassen. Nötig wären solche Einnahmen allemal, sei es, um für die Säuberung und Pflege des Ortes zu sorgen, öffentliche Toiletten zu betreiben, Wanderwege zu befestigen, Kulturveranstaltungen wie Konzerte oder Aufführungen zu finanzieren oder die kostenlose Nutzung des ÖPNV zu ermöglichen.

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Alle nutzen Wanderwege, aber nicht alle zahlen für ihre Instandhaltung. Das soll sich ggfs. im Allgäu, Stichwort Kurtaxe für Tagesgäste, ändern.Bild: pixabay
Kosten/Nutzen Analyse

Wie aber könnte eine solche Kurtaxe überhaupt erhoben werden? Wäre der Aufwand bei einer möglichen Einführung verhältnismäßig, wer und wie sollte kontrolliert werden? Die Tourismusdirektorin von Oberstaufen Constanze Höfinghoff versuchte unlängst ein Modell zur Erhebung einer Kurtaxe in ihrer Oberallgäuer Gemeinde ins Spiel zu bringen. Die Tourismusexpertin hatte zuvor in St. Peter-Ording an der Nordsee gewirkt und ist mit einer Kurtaxe für Tagesgäste vertraut. Die wird von den meisten Tagesausflüglern i.d.R. beim Betreten des Badestrandes verlangt, z.B. wenn ein Strandkorb oder Liegestuhl angemietet wird. Auch werden Strandgäste direkt angesprochen, wenn sie sich am Strand auf Handtüchern niederlassen. Die Erhebung eine Tageskurtaxe auf den ost- und nordfriesischen Inseln erfolgt i.d.R. bereits beim Betreten der Fähre. Der Tagesgast erhält einen Beleg, den er auf Verlangen am Strand vorzeigen muss. Manche Inseln bieten aus Schutz vor Overtourisms oder um eigene Übernachtungsgäste bevorzugt zu behandeln, gar keinen Fährbetrieb für einen Tagesbesuch an. Was an den Küsten relativ einfach umzusetzen ist, lässt sich in einem weitläufigen Gemeindegebiet wie dem von Oberstaufen im Allgäu nicht so leicht realisieren. Hier zieht es nicht alle Gäste zum Strand und Promenade, sondern der eine Gast besucht eine Gaststätte, ein anderer spaziert durch den Ort, besucht die Therme oder wandert durch die Natur. Auf Nachfrage von TRENDYone bestätigt Bettina Hummel, rechte Hand von Tourismusdirektorin Constanze Höfinghoff, das derzeit das Thema Kurtaxe diskutiert wird, aber erst in einiger Zeit hierzu Neues öffentlicht verlautbart wird.

TRENDYone hat derweil Stimmen anderer Betroffener gesammelt:

Bernhard Joachim, Geschäftsführer der Allgäu GmbH und Tourismusverband Allgäu/Bayerisch-Schwaben:

"Die Allgäu GmbH  und Tourismusverband vertreten die Meinung, dass jede Gemeinde für sich im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung entscheiden kann, ob sie zur Deckung des Finanzbedarfs oder gegebenenfalls Besucherlenkung eine Abgabe erhebt. Das Kommunale Abgabengesetz (KAG) bietet hierfür schon immer die entsprechenden Möglichkeiten. Insofern bleibt abzuwarten wie sich die Diskussion um eine mögliche Änderung des KAG hinsichtlich mehr Gestaltungsfreiraum für die Gemeinden entwickeln wird."

Armin Hollweck, BHG-Kreisvorsitzender, Oberallgäu:

„Die Diskussion, die Kurabgabe nicht nur auf die Übernachtungsgäste sondern auch auf Tagesgäste umzulegen, ist grundsätzlich legitim. Wir stehen dabei hier am Anfang eines Prozesses, der sachlich geführt werden muss. Hierzu bedarf es zunächst vor allem der Aufklärung von diversen Sachverhalten und Rahmenbedingungen. Es gibt viel was noch geklärt werden muß. Es kann hier jedoch nur eine gemeinsame  Lösung mit allen umliegenden Gemeinden,Städten und Orten geben. Es wird und darf auf jeden Fall keine Zäune, keine Schranken, keine Kontrollen im Einzelhandel, Gastronomie und in unseren Ortszentren geben. Das Allgäu ist bekannt für Gastlichkeit und das soll auch so bleiben!"

Thomas Gehring, B90 / Grüne, MdL, 2. Vizepräsident des Bayerischen Landtages:

„Nach Einschätzung der Staatsregierung ist die Erhebung von Kurbeiträgen für Tagesgäste im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich möglich, so das Ergebnis einer Landtagsanfrage des Abgeordneten Thomas Gehring bei der Staatsregierung. Dazu gehöre auch, dass die Beitragserhebung für die Gemeinde mit einem vertretbaren Verwaltungsaufwand möglich sein müsse, was insbesondere aufgrund abgrenzbarer Kureinrichtungen oder -Veranstaltungen gewährleistet sein könne. „Ich habe meine Zweifel, ob in einer Flächengemeinde mit vielen Wanderwegen der Verwaltungsaufwand und die Überprüfbarkeit in einem angemessenen Verhältnis stehen, wenn es darum geht, einen Kurbeitrag für Tagesgäste in der Praxis umzusetzen“, so der grüne Abgeordnete. Zudem müsse auch berücksichtigt werden, dass das in der Bayerischen Verfassung verankerte Betretungsrecht der Natur dem möglicherweise auch entgegenstehe."

„Wir brauchen eine Lösung im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs, die Kommunen, die eine touristische Infrastruktur auch für Tagesgäste vorhalten, angemessen unterstützt,“ so Gehring.

Dr. Dominik Spitzer, Gesundheits- und Pflegepolitischer Sprecher der FDP im Bayerischen Landtag:

„Einen Kurbeitrag für Tagestouristen einzuführen halten ich aus mehreren Gründen für falsch. Zum einen bin ich der Überzeugung, dass die Allgäuer Berge und Seen allen Bürgerinnen und Bürgern gehören. Der freie Genuss der Natur ist zurecht in der Bayerischen Verfassung garantiert. Zum anderen sehe ich auch große Umsetzungsprobleme. Wie soll die Eintreibung der Kurbeiträge administriert werden? Schließlich muss das Kirchturmdenken im Allgäu enden. Natürlich bringen die vielen Tagesgäste auch große Belastungen für die örtliche Infrastruktur mit sich – gerade in Corona-Zeiten. Alleingänge einzelner Gemeinden bringen uns aber nicht weiter. Vielmehr braucht das Allgäu ein ganzheitliches Besucherlenkungskonzept. Digitale Instrumente – wie sie gerade erarbeitet werden -, aber auch die Anhebung der Parkplatzgebühren sind hierbei über die Gemeindegrenzen hinweg miteinander zu diskutieren. Was nicht geht ist, dass am Ende ein Wirrwarr entsteht, bei dem keiner mehr durchblickt.“

Franz Josef Natterer, Stadtrat Kempten, ÖDP:

[…] „Die Tageskurtaxe gilt als Ergänzung der jetzt schon erhobenen Kurtaxe und schränkt das freie Betretungsgebot nicht ein, im Gegenteil. Den mit den derzeitigen Blechlawinen und Besucherströmen kann von sinnvoller Erholung und Zugänglichkeit der Einrichtungen und Naturwege keine Rede mehr sein.

Bei der Ausgestaltung der Tageskurtaxe hat die Kommune mehrere Möglichkeiten. Die Einfachste ist das Parkticket mit der Tageskurtaxe zu beaufschlagen. Soll jeder Gast diese Kurtaxe entrichten, so müssen entsprechende Zahlstellen für die Entrichtung der einmaligen Tageskurztaxe eingerichtet werden. Letzter entspricht auch der Strandabgabe an vielen Stränden der Ost- und Nordsee.

Ziel von Allem muss es bleiben die Zugänglichkeit der Natur und das Leben der Einheimischen in Einklang zu bringen und auch der Natur den notwendigen Erholungsraum zu bieten. Denn Mensch, Gesellschaft und Natur sind aufeinander angewiesen."

Michl Finger, ÖDP Kreisvorstand Oberallgäu:

„Ob man Tageskurtaxe, Parkgebühr oder Vignette dazu sagt, ist nebensächlich für den, der es zahlen muss. Ziel sollte es sein, die Wertschöpfung zu erhöhen, um für alle Mehrwert zu schaffen. Dies könnte ein besserer ÖPNV bis zu anderern qualitativen Alleinungsmerkmalen sein, wie ein Erlebnisbad.

Die „Taxe" kann für alle Anreisende an Parkplätzen, Bahnhöfen oder per Internet vorab erhoben werden. Kontrolliert wird vor Ort über Personal (zusätzliche Arbeitsplätze). Das dies immer nur stichpunktartig geht, ist klar, aber deshalb nicht rechtswidrig. Damit wären (endlich) alle gleichgestellt, die als Gast kommen (Diskriminierungverbot).
[…]
Wir müssen nur eins beachten – „ehrlich" zu bleiben. Einen Eintritt einzuführen oder zu erhöhen ist nicht objektiv der Dauergast muss priviligiert werden (Alleinstellungsmerkmal). Das wäre ein Alleinstellungsmerkmal und Qualitätstourismus. D.h., im Umkehrschluss, der Dauergast bekommt Nachlässe im „Ort", weil er mehr Wertschöpfung bietet und der Tagesgast bekommt das touristische Angebot zu einem vernünftigen Preis, ohne den Zwang der Übernachtungskosten usw."