Das Oberallgäu macht sich auf den Weg

«Krisenszenario Blackout»

Die Wahrscheinlichkeit eines großflächigen Stromausfalls ist unwahrscheinlich aber nicht ausgeschlossen. Wie das Oberallgäu einem Blackout lösungsorientiert begegnen kann und wo die Grenzen des Beherrschbaren liegen, war Thema eines ersten Treffens von Oberallgäuer Kommunen, Energieversorgern, Sicherheitsbehörden und Vertretern von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern.

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Die Wahrscheinlichkeit eines großflächigen Stromausfalls ist unwahrscheinlich aber nicht ausgeschlossen.Bild: Pixabay
Was in Jahrzehnten von Frieden und Wohlstand in Europa aus dem Fokus geriet, rückt zunehmend auf die Agenda von Katastrophenschutzbehörden und ihnen nachgelagerten Institutionen: Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der steigenden Gefahr von Hackerangriffen auf Einrichtungen der kritischen Infrastruktur ist die Gefahr von Energie-Mangellagen wieder greifbar geworden. Wo derzeit noch die finanzierbare Versorgung mit Gas im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, stellt sich leiser, aber nicht weniger dringlich die Frage nach der Gefahr eines Blackouts - also eines länger anhaltenden, großflächigen Stromausfalls.


Um für dieses Szenario gewappnet zu sein - auch, falls es niemals eintritt - trafen sich auf Einladung von Landrätin Indra Baier-Müller und des Landkreises Oberallgäu in der vergangenen Woche rund 100 Vertreterinnen und Vertreter von Oberallgäuer Kommunen, Energieversorgern, Sicherheitsbehörden, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern im Haus Oberallgäu in Sonthofen.
 
Gleich zu Beginn der Veranstaltung machte Landrätin Indra Baier-Müller die Relevanz des Themas eindringlich klar: "Was in der aktuellen Diskussion Konsens ist: Ein Blackout ist möglich. Und allein die Möglichkeit des Eintritts eines solchen Szenarios ist für alle Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben Auftrag, sich damit zu beschäftigen", so die Landrätin. Das Thema, so Indra Baier-Müller weiter, sei wichtig, weshalb es geboten sei, sich bestmöglich vorzubereiten und die Bevölkerung zu informieren. Dennoch solle dies mit der gebotenen Sachlichkeit erfolgen, denn es gebe  keinesfalls Grund zur Panik, betonte sie.

Dem stimmte Herbert Saurugg zu. Der internationale Blackout- und Krisenvorsorgeexperte war auf Einladung des Landkreises aus Österreich ins Oberallgäu gereist, um in einer Key-Note über Wahrscheinlichkeit und Folgen eines möglichen Blackouts zu sprechen.


Er konstatierte: "Es gibt derzeit keine Tendenz für einen Blackout. Ein solches Szenario gab es zuletzt 1976. Deshalb gibt es rückblickend keine Evidenz für das Eintreten eines solchen Ereignisses." Gleichwohl, so Saurugg weiter, habe sich die Welt seither verändert: Durch  Vernetzung sei die Komplexität und damit die Verwundbarkeit von Systemen und der Gesellschaft insgesamt gestiegen. Einzelprobleme würden täglich beherrscht. Wo sie aber gleichzeitig aufträten, würden sie sich potentieren. Das träfe insbesondere auf das europäische Stromnetz, eines der kompliziertesten, von Menschenhand erschaffenen geregelten Systemen zu. Hier träfen gleich mehrere Herausforderungen aufeinander: Strom ließe sich nur schwer speichern, das Netz aus Stromex- und Stromimporten sei zwar insgesamt stabil, geriete aber schnell in Schieflage, sollte sich an einem Punkt des Systems eine Strommangellage einstellen. Darüber hinaus sei die Technik vielerorts in die Jahre gekommen und verkrafte ein Abschalten nur schwer, zudem mangele es an Fachkräften. Demgegenüber stünde zudem der steigende Stromverbrauch infolge sich ändernder Technologien.


Diese Gemengelage steigere die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts und in der Folge die Gefahr des Ausfalls etwa von Telekommunikation, Wasser- und Lebensmittelversorgung. Um sich auf diesen Ernstfall vorzubereiten, sei es notwendig, Pläne zu entwickeln, die unabhängig der gängigen Infrastruktur greifen. Allen voran nannte Saurugg hier die Notwendigkeit klarer Abläufe, die auch ohne Telefon und Internet funktionieren, sowie die verlässliche Versorgung mit Notstrom in kritischen Bereichen wie Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern. Nicht zuletzt, so Saurugg weiter, sei es unabdinglich, die Bevölkerung in die Vorbereitungen einzubinden: "Wichtig ist zu vermitteln, dass wir es nur gemeinsam schaffen können."


Seinem Credo, erst den Prozess vorzubereiten und anschließend die hierfür erforderlichen Notwendigkeiten herbeizuschaffen, schlossen sich die Teilnehmenden der Veranstaltung an. Wie ein anschließender Kurzworkshop ergab, sehen es die Beteiligten zuvorderst notwendig, Strukturen zu schaffen, um die Kommunikation untereinander sicherzustellen. Vorbereitet werden soll dies bei einem weiteren Treffen, das noch im Oktober stattfinden wird.