Gleichberechtigung vor Tradition

Frauen dürfen nun auch beim Fischertag Forellen fangen

Seit vergangenem Sommer hallen immer wieder kräftige Stimmen aus dem idyllischen Städtchen Memmingen. Nicht zuletzt wegen Christiane Renz, sie hatte gegen den Fischertagsverein aufgrund Diskriminierung geklagt – und gewonnen. Frauen dürfen zukünftig beim Memminger Fischertag aktiv teilnehmen. Vor kurzem hat das Gericht das Urteil des letzten Sommers bestätigt. TRENDYone hat die Klägerin sowie den Oberbürgermeister der Stadt Memmingen, Manfred Schilder hierzu interviewt.

Stellungnahme der Klägerin Christiane Renz

„Die heutige Jugend wird damit groß, dass Frauen und Mädchen das Gleiche machen können und dürfen wie Männer und Jungs. Der Fischertag stammt allerdings aus dem Beginn des vorigen Jahrhunderts, da waren Frauen durchaus noch nicht gleichberechtigt. Sie brauchten z.B. die Erlaubnis ihrer Väter oder Ehemänner um so banale Dinge wie einen Beruf ausüben zu dürfen oder ein Konto führen zu können. Der Fischertag ist ein Heimatfest für alle Memminger*innen - daher sollten nicht nur Männer Stadtbachfischer werden dürfen. Das Frauen mit Hinblick auf die angebliche Tradition ausgeschlossen waren habe ich als ungerecht empfunden. Aber erst mit dem BFH-Urteil habe ich auch die rechtliche Bestätigung erhalten, das Tradition nicht die Diskriminierung von Frauen rechtfertigt. Ich persönlich würde es immer wieder genauso machen. Für mich selbst war es zwar nicht besonders von Vorteil, aber ich konnte einfach nicht anders. Wenn ich jetzt durch Memmingen laufe, sprechen mich sowohl alte wie auch junge Frauen und Männer an und beglückwünschen mich und sind froh, das ich den Rechtsstreit durchgezogen habe. Viele haben Memminger+innen, die die Frauen und Mädchen bei den Stadtbachfischern ausschließen wollen, als arrogant empfunden.“

Oberbürgermeister Manfred Schilder im TRENDYone-Interview


Ist der Memminger Fischertag mit irgendetwas vergleichbar oder einzigartig
für Sie?
• Ich denke, jedes Heimatfest ist einzigartig. Der Fischertag ist ein Fest mit einer eigenen Geschichte, mit einer außergewöhnlichen Atmosphäre und er wird geprägt von den vielen Memminger Familien, die den Fischertag mit großer Begeisterung gestalten.

Fanden Sie die alte Tradition, dass nur
 Männer in den Stadtbach gesprungen sind und die Fische gefangen haben besser oder die neue Situation, dass Frauen und Männer gleichberechtigt werden?
• Meines Erachtens gibt es in dieser Frage kein „besser“ oder „schlechter“. Bisher hatte der Fischertag die gewohnte Form, die ich von klein auf kenne. Ich bin nun über 55 Jahre Stadtbachfischen und habe mich unter meinesgleichen im Wasser des Stadtbachs immer sehr wohlgefühlt. Im kommenden Jahr werden am Fischertag Stadtbachfischerinnen dabei sein, und darauf bin ich gespannt. Es wird sicherlich ein wunderbares, traditionsreiches Fest bleiben.

Die Tradition reicht bis in das 16. Jahrhundert,
 wie wichtig ist ihnen dieses Fest persönlich?
• Der Fischertag ist – zusammen mit dem Kinderfest – mein Lieblingsheimatfest. Dass die Tradition dieser beiden Feste schon so alt ist finde ich schön.

Sollen Brauchtümer mit der Zeit gehen
 oder einfach so bleiben?
• Das ist eine spannende Frage. Unser ganzes Leben ist permanent in Veränderung. Das ist gut. So bleiben wir offen und neugierig auf das, was jeder neue Tag uns bringt.