Klinikum Memmingen eröffnet eigene Abteilung für Neurochirurgie
Schnelle Hilfe bei schweren Kopf- und Wirbelsäulenverletzungen
Ein schwerer Unfall mit dem Fahrrad, Auto oder beim Sport: Hier ist schnelles Handeln gefragt. Mussten bisher Unfallopfer mit schweren Kopf- oder Wirbelsäulenverletzungen in Kliniken nach Ulm, Günzburg oder Kempten transportiert werden, können sie ab sofort vor Ort im Klinikum Memmingen behandelt werden.
„Für die Tumorchirurgie am Kopf benötigen wir spezielle Gerätschaften und Mikroskope, die wir in den vergangenen Wochen getestet und vor wenigen Tagen zum ersten Mal eingesetzt haben“, schildert Seiz-Rosenhagen. „Dabei haben wir auch schon die erste Wachoperation am Gehirn vorgenommen.“ Dieses Verfahren war laut Seiz-Rosenhagen notwendig, da der Patient durch seine eingeschränkte Lungenfunktion eine Vollnarkose und Beatmung nicht gut vertragen hätte.
„Hier macht man sich zu Nutze, dass das Gehirn selbst nicht schmerzempfindlich ist“, erklärt der Chefarzt. „Eine lokale Betäubung der Haut und intravenöse Schmerzmittel während der Eröffnung des Schädelknochens und der Hirnhaut reichen aus, um das Gehirn selbst zu erreichen.“ Darüber hinaus wird diese spezielle Operationsmethode, bei der der Patient bei vollem Bewusstsein ist, genutzt, um während der Entfernung von Hirntumoren die Sprachfunktion oder andere Hirnfunktionen überwachen zu können.
„Das ist dann sinnvoll, wenn sich der Tumor in der Nähe heikler Regionen wie dem Sprach- oder Bewegungszentrum befindet“, erklärt Seiz-Rosenhagen. „Dazu muss der Patient während der Operation lesen, sprechen, Dinge benennen oder die Hände und Füße bewegen.“ So könne man mit großer Wahrscheinlichkeit schwerwiegende Sprachstörungen und Lähmungen vermeiden, erklärt Seiz-Rosenhagen, der über die Tumorchirurgie auch habilitierte.
Zu seiner Unterstützung hat der 41-Jährige zwei Oberärzte seiner ehemaligen Mannheimer Wirkungsstätte nach Memmingen mitgebracht. „Wir sind ein eingespieltes Team. Das ist vor allem in der Aufbauphase sehr wichtig“, betont der neue Chefarzt.
Mittelfristiges Ziel ist es, im Schnitt rund 1.000 Operationen im Jahr durchführen. „Um ein optimales Ergebnis in der Behandlung unserer Patienten zu erzielen, wenden wir routinemäßig mikrochirurgische Operationstechniken an – darunter versteht man das Operieren mit Operationsmikroskop.“
Auch die sogenannte Neuronavigation kommt zum Einsatz – ein computergestütztes Operationsverfahren, das die Planung von Operationen und die räumliche Orientierung während eines chirurgischen Eingriffs ermöglicht.
„Heutzutage ist das alles hochtechnisch“, schmunzelt Seiz-Rosenhagen. „Durch die Neuronavigation sehe ich auch bei minimal-invasiven Operationen ganz genau, wo ich mich gerade im Kopf des Patienten befinde“, erklärt der Chefarzt. „Solche Verfahren, bei denen nicht die komplette Schädeldecke aufgemacht werden muss, sind natürlich für den Patienten viel schonender.“
Ein weiterer Schwerpunkt der Klinik ist die operative, mikrochirurgische Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen, zum Beispiel von Bandscheibenvorfällen oder Wirbelkanalstenosen – das sind Einengungen im Wirbelkanal, wo das empfindliche Rückenmark verläuft. „Bei therapieresistenten Schmerzen oder Lähmungserscheinungen kommen operative Verfahren zum Einsatz“, erklärt Seiz-Rosenhagen. Bei schweren chronischen Schmerzen wenden die Neurochirurgen auch die sogenannte Neuromodulation an. „Dabei werden die Schmerzbahnen und Schmerzzentren auf der Ebene des Rückenmarks und des Gehirns verändert oder gehemmt, entweder durch elektrische Impulse oder medikamentös, beispielsweise durch implantierte Schmerzpumpen.“
Insgesamt investiert das Klinikum Memmingen zunächst rund 700.000 Euro in die neue Technik der Abteilung. Die Klinik ist mit 20 Planbetten im Krankenhausplan des Freistaates Bayern verankert, selbstverständlich inklusive der notwendigen Intensivkapazitäten. Dort können Schädel-Hirn-traumatisierte Patienten oder Patienten nach Operationen überwacht werden.