Mediziner revolutioniert Herzklappen-Chirurgie in Augsburg

Neue Möglichkeiten für Ärzte

Früher wurden Herzklappen meist ersetzt. Heute rekonstruiert man das eigene Gewebe, was viele Vorteile für den Patienten bringt. Prof. Evaldas Girdauskas etabliert Herzklappen-Programm für die Region

Was der Motor fürs Auto ist, ist das Herz für den Körper – leistungsstark und äußerst komplex. Äußerst wichtig dabei die vier Herzklappen, die dafür sorgen, dass die richtige Menge Blut in die richtige Richtung fließt: also in die Herzkammern hinein oder aus den Herzkammern heraus. Und das ab der 7. Schwangerschaftswoche, rund um die Uhr, Tag und Nacht, ein Leben lang. Normalerweise kein Problem, Herzklappen sind dafür gemacht. Manchmal jedoch kommen Menschen mit defekten Klappen zur Welt oder gesunde Klappen werden krank, entzünden sich, verkalken oder werden undicht. Und dann hat der Mensch ein Problem. Im 21. Jahrhundert jedoch eines, das zu bewältigen ist. Heute besser als früher.

Noch bis vor wenigen Jahren wurden Herzklappen häufig durch künstliche Klappen ersetzt. Am häufigsten geschah das mit der Aortenklappe. Lange Krankenhaus- und Rehabilitationsaufenthalte sowie die lebenslange Einnahme von Blutverdünnern waren die Folge, mit denen Betroffene zu leben hatten. Noch mehrere Wochen nach der OP mussten die Patienten mit den Auswirkungen und Folgen der vorausgegangenen Operation kämpfen. Heute geht man mehr und mehr dazu über, das patienteneigene Klappengewebe zu rekonstruieren. Prof. Dr. Evaldas Girdauskas hat erst vor kurzem die Klinik für Herz- und Thorax-Chirurgie am UKA als Direktor übernommen und seit Januar dieses Jahres das minimalinvasive Herzklappen-Programm im Uniklinikum Augsburg eingeführt. Mehr als 50 Patienten haben inzwischen davon profitiert und den viel schonenderen Eingriff am UKA erhalten.

Mittels Endoskop und 3-D-Kamera arbeitet sich Girdauskas minimalinvasiv zum Herzen seines Patienten vor und repariert die Klappe chirurgisch, bis sie ihre ursprüngliche Form wiedergewonnen hat und ihren Job als einer von vier Türstehern, nämlich das Blut kontrolliert ein- oder auszulassen, wieder übernimmt. „Natürlich können wir den Klappenerhalt nicht für jeden Patienten garantieren“, erklärt Girdauskas. „Aber wenn wir die Klappe erhalten können, ist dies einem Austausch immer vorzuziehen“, so der Herzchirurg. Eine künstliche Klappe hat eine deutlich begrenzte Lebensdauer und ist mit vielen Komplikationen verbunden, die natürliche gut reparierte Herzklappe hält ein Leben lang. „Mit der körpereigenen gut rekonstruierten Herzklappe ist die Langlebigkeit des Gewebes zu 100 Prozent gegeben, blutverdünnende Medikamente sind nicht nötig“, erklärt Girdauskas. Vor allem für junge Patienten unter 60 Jahren ist dies die die besonders vorteilhafte Methode.

Es geht allerdings heutzutage noch viel mehr: diese Patienten durchlaufen ein innovatives Versorgungsmodell rund um die Operation. Denn: Die Extubation, die Entfernung des Beatmungsschlauches, geschieht noch im OP-Saal. Drei Stunden nach dem Eingriff beginnt die Physiotherapie am Bettenrand auf der Überwachungsstation. Am 3. oder 4. Tag wird der Patient nach Hause oder in die Rehabilitation entlassen. ERAS heißt das in der Fachsprache, es steht für enhanced recovery after surgery, was so viel heißt wie verbesserte Genesung nach der Operation. ERAS kommt zum Einsatz, wenn sich Patienten größeren chirurgischen Eingriffen unterziehen müssen. „Durch die sehr frühzeitige und intensive Mobilisierung durch Physiotherapie können wir die Patienten nach Herzoperation zügig wieder in ihr normales Leben entlassen, die Menschen sind schneller wieder arbeitsfähig“, sagt Girdauskas.

Der 42-Jährige, dessen Heimat in Litauen ist und der in Kaunas und Leipzig Medizin studiert und anschließend an der Uniklinik Hamburg-Eppendorf gearbeitet hat, hat ERAS in Hamburg entwickelt, ein vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) mit fünf Millionen Euro über die nächsten vier Jahre gefördertes Innovationsfond-Projekt. „Hier in der Region sind wir mit diesem intersektoralen Versorgungsmodell Vorreiter“, so der Herzspezialist. Niedergelassene Kardiologen sollen in diesem innovativen Modell ebenso eine Rolle spielen wie Reha-Einrichtungen. Das Wichtigste aber für Girdauskas: „Wir berücksichtigen so frühzeitig die Ziele, die der Patient selbst für sich formuliert hat.“