Podiumsdiskussion zur Landratswahl im Haus Oberallgäu

»Wahlforum Allgäu«

Sonthofen…Als große Heimatzeitung veranstaltete die Allgäuer Zeitung neben ihrem ersten Wahlforum in der kreisfreien Stadt Kempten nun eine zweite große Podiumsdiskussion im Haus Oberallgäu in Sonthofen anlässlich der kommenden Landratswahlen am 15. März. Auch hier war das Interesse seitens der Bevölkerung riesengroß und es erschienen mehr als 650 interessierte Bürger. Da der große Saal bereits eine Viertelstunde vor Beginn der Veranstaltung komplett besetzt war, entschloss man sich die Diskussion via Videoübertragung ins gut besuchte Foyer zu übertragen. Die Veranstaltung wurde souverän durch den Leiter der Lokalredaktion der Allgäuer Zeitung Peter Januschke moderiert. Eingeladen waren die acht Landrat-Kandidaten, um sich über Themen wie ÖPNV, das 100,- Euro Ticket und Entwicklung des ländlichen Raums zu äußern. Zudem wurde jedem Kandidaten*innen eine Zeit von 1:30 Min. eingeräumt, um sich den Publikum persönlich vorzustellen.

Die Kandidaten

Für die Freien Wähler trat am Abend Indra Baier-Müller an. Die Geschäftsführerin der „Allgäuer Werkstätten" gab ihre Dialogfähigkeit als gößte persönliche Stärke an. „Ich höre zu und bringe Menschen zusammen, um gemeinsam konkrete Konzepte und sachdienliche Lösungen zu erarbeiten, die uns im Oberallgäu eine gute Zukunft sichern." Als Kandidat der CSU tritt bekanntlich der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und Unternehmer Alfons Hörmann an. Hörmann ist gebürtiger Sulzberger und sagt, dass er durch jahrzehntelange Erfahrungen aus Führungspositionen in der Wirtschaft, im Ehrenamt und in der Kommunalkpolitik vielfältige Kompetenzen in das Amt eines Landrats mitbringen würde. Hörmann möchte sich für ein team- und zielorientiertes Miteinander über alle Parteigrenzen hinweg einsetzen. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, sowohl als Präsident des DOSB als auch als Landrat zu wirken, antwortete Hörmann mit einem „Ja". Würde es sich allerdings in der Praxis erweisen, dass beides nicht unter einen Hut zu bringen sei, liesse er das ehrenamtliche Präsidentenamt in Frankfurt ruhen. Für die FDP war am Abend Michael Käser am Start. Der mit 27 Jahren jüngste Kandidat sagt von sich selbst, dass ihn seine Fähigkeit zu zukunftorientiertem, jungem Denken in Kombination mit seinem von sozialer Verantwortung geleitetem Gestaltungswillen für das Amt eines Landrats empfiehlt. Markus Kubatschka von der SPD behauptet ähnliches von sich. „Ich kann gut zuhören, kann gut vermitteln und einen Interessenausgleich zwischen Parteien erreichen. Auch würde es dem 44 Jahre alten Lehrer nicht schwerfallen, wenn nötig unangenehme Entscheidungen zu treffen. Christina Mader, 4-fache Mutter von zwei eigenen und zwei Kindern aus einer Patchworkfamilie, denkt, dass sie mit ihrem Elan und Überzeugungskraft andere Menschen begeistern und motivieren kann. In ihre Kurzvorstellung outet sich die Grünenpolitikerin als begeisterte Radfahrerin. Für die ÖDP kandiert Hubert Müller, der sich selbst eine feine Wahrnehmung für kommende Entwicklungen attestiert und daher mit hoher Kompetenz Herausforderungen frühzeitig lösen und Chancen erkennen kann. Hubert Müller ist von Beruf Wirtschaftsjurist. Für das neu gegründete Bürgerbündnis tritt Peter Rist an. Rist sammelte politische und verwaltungstechnische Erfahrung in seiner Zeit als Finanz- und Wirtschaftsbürgermeister der Stadt Reutlingen. Er selbst sieht sich nicht als Parteifunktionär, sondern verweist auf die Tatsache, dass er von einem überparteilichen Bürgerbündnis nominiert wurde. Die Frage, ob er mit dem Listenplatz 70 und ohne großen Bekanntheitsgrad im Oberallgäu, nicht nur auf den Posten des Landrats schielt nicht aber auf eine Tätigkeit im Kreistag, negiert Rist. Er wolle sich in jedem Fall persönlich für das Oberallgäu im Kreistag einsetzen. Auch die AfD geht mit einem eigenen Kandidaten ins Rennen um das Amt des Landrats. Der 62-jährige Immobilienmakler Uwe Schweizer möchte laut eigenem Bekunden gesteckte Ziele mit Respekt und Achtsamkeit verfolgen, damit es dem Wohle aller dient und nicht Gewinner und Verlierer schafft.

Das 100,- Euro Ticket

Ein Zankapfel besonderer Art war in der jüngsten Vergangenheit der vom amtierenden Landrat Anton Klotz in die Diskusison gebrachte Vorschlag eines 100,- Euro-Tickets für den ÖPNV im Oberallgäu und in Kempten, die die Angebote der Deutschne Bahn mit einschliessen sollten. Dieser Vorschlag hatte zwischen dem Landrat und dem Oberbürgermeister von Kempten Thomas Kiechle, beide CSU, zu Streitigkeiten geführt. Kiechle lehnte das 100,- Euro Ticket als nicht finanzierbar grundlegend ab. „Ich habe seitens der Deutschen Bahn noch nichts Konkretes gehört, ob und wie das Unternehmen sich am Ticket beteilgen werden.", so Oberbürgermeister Thomas Kiechle, der für seine Haltung zuletzt auch Rückendeckung von CSU Landrat-Kandidat Alfons Hörmann bekommen hatte. Am Abend konnte Peter Januschke von der AZ nun verkünden, dass die Deutsche Bahn dem 100,- Euro Ticket eine Abfuhr erteilt hat. Man sei mit den Planungen eines solchen Angebots noch nicht so weit und bräuchte mehr Zeit für die Ausarbeitung konkreter Pläne. Daher erübrigte sich ein Nachfragen seitens des Moderators über ein „Ja oder Nein zum 100,- Euro-Ticket" an die Kandidaten. Trotzdem wollte Peter Januschke von den Diskutanten wissen, was ihnen der ÖPNV in konkreten Zahlen wert sei. Indra Baier-Müller mochte sich nicht konkret auf einen bestimmtes Budget festlegen, da sie anführte, dass jedes Projekt stirbt, wenn es ausschliesslich um dessen Bepreisung ginge. Vielmehr sei es nun wichtig sich Zeit zu nehmen und ein belastbares Konzept für den ÖPNV zu erarbeiten. Dabei solle auf Wirtschaftlichkeit geachtet werden und die Bedarfe genau ermittelt werde. Die Grünen Kandidatin Mader zeigte sich enttäuscht von der Entscheidung der Deutschen Bahn. Mader sieht die Förderung des ÖPNV als so gewichtig an, dass sie fordert, mehr Geld aus den vorgesehenen Mitteln zum Straßenbau zu entnehmen und stattdessen in den ÖPNV zu investieren. Einige der Zuhörer goutierten dies mit missmutigen Äußerungen. SPD-Kandidat Markus Kubatschka machte den Vorschlag aus der Erhöhung der Kurtaxe, die von Touristen für den Erwerb der ansonsten kostenlosen „Allgäu-Walser-Card" zu entrichten sei, Mittel zur Finanzierung des ÖPNV abzustellen. Auch der FDP Kandidat Michael Käser mochte sich auf keine konkrete Zahl festlegen. Er mache sich stark für einen zukunftsfähigen, modernen ÖPNV, der durch technische Neuerungen, wie autonom fahrende Busse, attraktiver für die Bürger werden soll. Zu bedenken sei aus seiner Sicht auch, dass selbst kleine Taktverdichtungen zu exponentiell steigenden Kosten führen würden. Uwe Schweizer, Kandidat der AfD, widersprach Markus Kubatschka von der SPD. Für ihn sei Einheimischen der Sinn einer kostenlosen „Allgäu-Walser-Card" für Touristen nur schwer zu vermitteln. Auf einen konkreten Preis liess sich auch Schweizer nicht ein, sondern forderte eine Erhöhung der Taktung und eine moderate Preissenkung. Peter Rist, Kandidat des Bürgerbündnisses, hält wenig von einem günstigen ÖPNV-Jahresticket, wenn dies auf der anderen Seite nur ungenügende Angebote bereit hält. Rist brachte das Modell aus Reutlingen ins Spiel. Dort zahle man im Jahr 365,- Euro für ein Jahresticket des ÖPNV, was aber attravtive Angebote für die Bürger bereit halte. Für Hubert Müller von der ÖDP gilt Vorarlberg als Modelregion für einen modernen und effizienten ÖPNV. Dieses Model für das Allgäu umzusetzen, würde aber längere Zeit in Anspruch nehmen. Hubert spricht hier einen Zeitraum von 10 Jahren an. Ebenso ist es für den ÖDP-Kandidaten von Bedeutung, dass vorab besondere Bereiche des ÖPNV-Netzes als Versuchsstrecken fungieren könnten. So könnte sich Huber beispielhaft für das Hindelanger und Hintersteiner Tal bessere Angebote für Einheimische und Touristen vorstellen. „Immer da, wo Anfahrtspunkte wie auf einer Perlenkette aneinandergereiht sind, kann am Beginn ein Parkplatz die Menschen zum Umsteigen auf den ÖPNV bewegen." Als letzter Kandidat der Runde äußerte sich Alfons Hörmann zur Neugestaltung des ÖPNV. Für Hörmann ist es wichtig, dass nicht politisch populistische Vorschläge gemacht werden. „Die Umgestaltumng des ÖPNV ist eine Aufgabe für ein Jahrzehnt.", so die Überzeugung des Sportfunktionärs und Unternehmers. Hörmann sieht hier die Frage der Vernetzung der einzelnen Verkehrsmittel, wie Individualverkehr, ÖPNV und Bahn als vordergründig. Mit dem „mona Verkehrsverbund" sei zudem in jüngster Zeit eine effektive Zusammenarbeit von unterschiedlichen Allgäuer Verkehrsunternehmen gelungen. „An diesem Vorhaben müssen wir zeitnah weiterarbeiten."

Zukunft des Wintersports

Ein weiteres wichtiges Thema des Abends war der Tourismus, Einkommensquelle für viel Oberallgäuer. Peter Januschke wollte von den Diskutanten wissen, wie sie die Zukunft des Tourismus sehen. Indra Baier-Müller von den Freien Wählern will aus ökologischer Sicht keine neuen Skigebiete erschließen oder neue Bergbahnen in Betrieb nehmen lassen. Allerdings vertrügen bestehende Bahnen wie am Nebelhorn oder Fellhorn eine Sanierung, da diese in die Jahre gekommen sind. Christina Mader von den Grünen sieht allerdings auch in den neuen Grüntenliften eine Neuerschliessung, die sie persönlich nicht wolle. Hierzu waren einige Unmutsäußerungen aus dem Publikum zu hören. Grundsätzlich schloss sie sich ihrer Vorrednerin an und befürwortet Qualitätsverbesserungen an bestehenden Skigebieten. Dieser Meinung schliesst sich Markus Kubatschka als SPD-Kandidat an. Allerdings möchte er zudem keinen Rückbau an bestehenden und wirtschaftlich rentablen Anlagen. Beim Kandidaten der FDP zum ersten Mal eine etwas abweichende Meinung zum Thema. Michael Käser ist nicht per se gegen Neuerschließungen, weil aus seiner Sicht: „…wir Tourismusregion bleiben wollen." Neuerschliessungen kategorisch abzulehnen, hält Käser für zu „fatalistisch". Auch Uwe Schweizer als AfD Kandidat sieht den Tourismus als ein wirtschaftliches Standbein des Allgäus. Auch Schweizer favorisiert die Sanierung bestehender Anlagen, bekennt sich aber wie sein Vorredner zum Bau der Grüntenlifte und wünscht sich, dass der dortige Investor nicht zu sehr ausgebremst würde. Peter Rist, Kandidat des Bürgerbündnisses, plädiert ähnlich wie Käser nicht gleich neue Anlagen kategorisch auszuschliessen. Schliesslich könne man bei einer Neuerschliessung an einer Stelle an anderer Stelle etwas Bestehendes zurückbauen. „Ich denke, wir sollten uns da nicht zu sehr festnageln lassen, generell nichts Neues zuzulassen." so der Mann aus dem Ländle. Auch Hubert Müller ist zwar ausdrücklich gegen lärmende Freizeitanlagen im Allgäu, wünscht sich aber auch wie sein Vorredner von den Verantwortlichen ein zukunftsfähiges Konzept und einen roten Leitfaden für die Weiterentwicklung des Tourismus in der Region. „Ein guter Tourismus sorgt für ein verträgliches Miteinander von Touristen und Allgäuern.", so Müller. Als letzter Kandidat der Runde äußerte sich Alfons Hörmann zum Tourismus im Oberallgäu: „Der Tourismus ist einer der großen Lebensadern des Allgäus und gleichzeitig ist unser wunderschöner Naturraum etwas, was alle bewahren wollen. In diesem Spannungsfeld gilt es, ein tragbares Konzept für die Zukunft des Tourismus auszugestalten." Als Beispiel nannte Alfons Hörmannn den Grünten. Nachdem nun die strittige Walderlebnisbahn vom Tisch sei, müsse es grünes Licht für den regional verorteten Investor, die Familie Hagenauer, geben. Und die verlange nun mal aus wirtschaftlich plausiblen Gründen, einen Sommer- wie Winterbetrieb für die neuen Anlagen auf dem Grünten. Nicht nur Wintersportlern und Wanderern verheißen die modernen Anlagen mit Gastronomie mehr Freude am Berg, sondern eben bedingt durch die moderne, geräumige Kabinenbahn auch Kindern, Senioren und Menschen mit Behinderung. Das sei zu unterstützen, so Alfons Hörmann. Beim Punkt Entwicklung des ländlichen Raums herrschte bei den Diskutanten große Übereinstimmung. So sprachen sich alle für eine Verdichtung des bestehenden Siedlungsraums auf dem Land wie in der Stadt aus und versprachen sich gegen Flächenfraß einzusetzen. Da in der heutigen Zeit immer mehr Bauernhöfe den Betrieb einstellen, die Bewohner wegziehen oder versterben, wolle man sich dafür stark machen, dass deren Höfe vornehmlich zu Wohnhäusern umgestaltet würden, als dass diese zum Altersitz ortsfremder Käufer würden.