Local Hero: Interview mit Schausteller Josef Diebold
Local Hero: Interview mit Schausteller Josef Diebold
Ich bin mit Leib und Seele Schausteller!
Josef Diebold ist Schausteller mit Leib und Seele – aus einer traditonsreichen Familie – er ist der Vorsitzende des Schwäbischen Schaustellerbundes und acht Monate im Jahr „auf Saison“ unterwegs. Im Januar fand in Augsburg der Delegiertentag des Deutschen Schaustellerbundes statt, den er mit seinem Team organisiert hat. Momentan ist er voll eingebunden in sein „Heimspiel“, den Augsburger Plärrer. Dennoch nahm sich der vielbeschäftigte Unternehmer am Rande einer Pressekonferenz die Zeit, unsere Fragen zu beantworten.
"Der Plärrer lebt"
TRENDYone: Erzählen Sie und doch bitte kurz etwas zu Ihrer Person. Vom Werdegang über Hobbies zur Familie hin. Wie sind Sie zu dem gekommen, was Sie heute machen?
Josef Diebold: Mein Name ist Josef Diebold, ich bin 50 Jahre alt und bin Vater von drei Töchtern. Zudem bin ich mit Leib und Seele Schausteller. Ich komme wohl aus der ältesten Schaustellerfamilie in Augsburg, denn bei uns hat es schon 1892 (seitdem jedenfalls mit schriftlichen Dokumentationen) angefangen. Somit hat meine Familie seit über 130 Jahren Schaustellerbetriebe geführt. Zudem bin ich mit Kinderkarussells und diversen Fahrgeschäften aufgewachsen, die mich geprägt haben und auf gewisse Art und Weise dem Beruf gegenüber verpflichten. Jedoch lebt man auch für diesen Beruf. Ich konnte mir damals als junger Mensch auch keinen anderen Beruf vorstellen können. Meine Frau kommt auch aus dem Schaustellergewerbe und somit ergänzen wir uns prima. Ich denke, das spiegelt sich in unserem Erfolg auch wider.
Was zeichnet Sie als Unternehmer aus?
Ein Schaustellerbetrieb ist in erster Linie ein Dienstleistungsunternehmen. Wir „verkaufen“ Spaß und Freude an einem Kinderkarussell. Stellen wir uns folgende Situation vor: Eine Familie bekommt ein Baby, dann kommt man mal vorbei und schaut wie solch ein Karussell funktioniert. Irgendwann ist das Kind dann ein Jahr alt und die Frage, ob der Kleine schon mitfahren kann, kommt auf. Und man nimmt dann so langsam den Eltern die Angst, und lässt den Kleinen angeschnallt das erste Mal mitfahren. Und alles läuft gut. Eventuell lernt man sich anschließend in den nächsten 5 bis 6 Jahren auf den Volksfesten, Weihnachtsmärkten oder Plärrer kennen.
Unser Umsatz ist personell gebunden. Es ist nicht nur Laufkundschaft, die kommt und geht sondern man sieht sich, spricht sich gegenseitig an und kommt ins so Gespräch. Und obwohl die Kinder größer werden und irgendwann nicht mehr Kinderkarussell fahren, erkennen die Eltern uns trotzdem wieder und man kommt wieder ins Gespräch. Und das ist das schöne an meinem Beruf. Es geht sehr menschlich zu und ich bin als Schausteller acht Monate im Jahr auf Saison, das heißt ich bin in vielen deutschen oder süddeutschen Städten mit meinem Betrieb tätig. Es ist natürlich manchmal auch eine Herausforderung mit einem Wirtschaftsunternehmen, dass sozusagen „mobil“ immer komplett den Standort wechselt. Das ist eine Leistung. Für einen normalen Unternehmer gar nicht vorstellbar. Das stellt so manche vor ein Rätsel. Bereits ein Umzug für Privatpersonen kann schon Stress sein. Wir haben alle 14 Tage einen Standortwechsel mit Personal, Betrieb, etc. Wenn der Plärrer aufgebaut ist, ist man eigentlich im Kopf mit der Logistik, den Genehmigungen sowie den Transporten schon 14 Tage weiter. Denn Sachen wie die Anmeldung für Strom im nächsten Ort müssen natürlich geregelt sein. Das fordert einen. Ein Gast, der ein Volksfest besucht sieht eigentlich nur das Endergebnis, die Leistung die erbracht werden muss, damit es funktioniert sieht der Kunde als selbstverständlich an. Für uns ist das eine Herausforderung. Wir müssen uns jedes Jahr neu bewerben für unsere Veranstaltungen. Und sollte nun mein Betrieb irgendwo Schwächen zeigen, wäre meine Zulassung für nächstes Jahr in Frage gestellt. Und das zeichnet den ein oder anderen Betrieb aus. Ja, so funktioniert ein Schaustellerunternehmen.
Was waren die „Meilensteine“ Ihrer Karriere und auch persönlich?
Ich bin als Kind mit Auto-Scooter aufgewachsen, das war mein Leben. Und hab dann mit stolzen 21 Jahren angefangen, ein Kinderkarussell zu betreiben. Dabei treffen Welten aufeinander. Ich muss aber heute sagen, ich würde nie mehr einen anderen Weg gehen wollen, weil mit der Familie und Kindern zu arbeiten ist etwas schönes. Es ist vielleicht manchmal stressig, aber es ist schön und ich könnte mir gar nichts anderes mehr vorstellen.
Wie sind Sie zum Vorsitzenden des Schwäbischen Schaustellerbundes in Augsburg geworden?
Das ist eine Frage der Demokratie. Der Schwäbische Schaustellerverband ist ein Wirtschaftsverband der mit seinen 90 Mitgliedern alle zwei Jahre in der Generalversammlung Neuwahlen hat. Meine Nähe zur Vorstandschaft ist bereits in den letzten 10 bis 15 Jahren vorhanden gewesen. Wir hatten Neuwahlen daher habe ich mich aufgestellt und hatte dabei das Glück oder die Sympathie von der Mehrheit auf meiner Seite. So bin ich zum Vorsitzenden gewählt worden.
Im Januar fand der Delegierten-Tag des Deutschen Schaustellerbundes in Augsburg statt. An der Organisation war Ihr Team maßgeblich beteiligt. Welche Erfahrungen verbinden Sie mit dieser Veranstaltung?
Josef Diebold: Nun, unsere Väter haben vor 40 Jahren einmal diese Ehre gehabt. Wir haben uns seit mehr als acht Jahren dafür beworben, diese Veranstaltung für den Deutschen Schaustellerbund auszurichten. All das ist mit Ehre verbunden, sind daher sehr stolz darüber aber gleichzeitig ist es auch eine Herausforderung für unseren Verband mit 90 Mitgliedern solch eine Großveranstaltung im Alleingang zu organisieren. Wir haben das aber denk ich, sehr gut gemeistert. Der Erfolg spricht für sich. Wir hatten natürlich auch das Glück, dass unser Oberbürgermeister die Veranstaltung, ich möchte fast sagen, als „Schirmherr“ begleitet hat. Die „politische Bühne“ war dabei sehr wichtig, denn natürlich werden auf solch einer Veranstaltung auch Sorgen und Nöte besprochen und es werden die Weichen für die Zukunft gestellt. Zugleich fand eine „Inter-Show“ – eine Leistungsshow statt. Das bedeutet, dass Hersteller aus der Region, aus Europa ihre neuen Produkte speziell für das Schaustellergewerbe präsentiert. Es war sozusagen eine Fachmesse. Die 128 Aussteller waren dabei alle höchst zufrieden. Alle haben sehr gute Umsätze erzielt und freuen sich bereits auf die nächste Inter-Show.
In einem Artikel der „Welt“ ist von einem massiven Rückgang der – insbesondere kleineren – Volksfeste die Rede, welche Ursachen sehen Sie dafür?
Wie bereits anfangs erwähnt, funktioniert ein Volksfest nur mit einer Zusammenarbeit. Dazu gehören Schausteller, der Schaustellerverband, Stadtpolitik sowie Medien. Wagen wir einen Rückblick: Der Plärrer ist über 100 Jahre alt, die Medien kommen und gehen, die Stadtväter also die Entscheidungstreter kommen und gehen, nur die Schausteller sind die, die immer gleich geblieben sind. Diese haben über mehrere Kriege hinweg, tatkräftig für den „Wiederaufbau“ gesorgt. Meistens aus eigenen Mitteln. Es ist also nicht der Verdienst der zählt, sondern man schaut in die Zukunft. Der Plärrer hat dabei nie diesen großen Absturz erlebt, wie manch andere Volksfeste. Und wenn man jetzt die letzten Jahre Revue passieren lässt, dann ist hier in unserer Stadt etwas außergewöhnliches passiert. Der Plärrer lebt. Er hat an Image deutlich zugenommen und das im positiven Sinne. Wir sind ein Fest der Region, sehr familiengeprägt. Unsere Besucherzahlen steigen. Damit ein Volksfest funktioniert müssen viele Bausteine die mitspielen vorhanden sein. Wenn irgendwo in einer Kommune ein Baustein fehlt, der andere wegbricht, läuft es auch auf dem Volksfest nicht mehr „rund“. Damit würde die Tradition unterbrochen werden und irgendwann gäbe es all das hier nicht mehr.
Wie sehen Sie in dem Zusammenhang die Zukunft für die regionalen Märkte und Stadtteilfeste wie Lechhauser Kirchweih, Jakober Kirchweih, Gögginger Frühlingsfest, Gersthofer Kirchweih, etc.?
Nun, wir können natürlich als Tausendsassa nicht überall sein. Grundsätzlich habe ich vor der Zukunft für meinen Beruf keine Angst, da bin ich sogar sehr selbstbewusst. Der Plärrer ist eine Erfolgsgeschichte. Die Lechhauser Kirchweih hat man ja auch mit einem neuen Konzept belegt, welches fruchtet. Das Geschehen um die Jakober Kirchweih bedauere ich sehr, da meine Familie über ein Jahrhundert lang daran beteiligt war. So etwas darf sich nicht mehr wiederholen. Und beim Gögginger Frühlingsfest funktioniert leider auch nicht wirklich alles. Mir liegen natürlich diese Volksfeste, die eine Tradition über mehrere Jahrhunderte hinweg haben, sehr am Herzen, damit diese erhalten bleiben. Wir bemühen uns sehr darum, denn schließlich ist das unser Arbeitsplatz.
Welche Herausforderungen bringt der Plärrer für Sie persönlich mit?
Der Plärrer ist unser Arbeitsplatz. Ich bin ein Augsburger Bürger. Und für mich ist der Plärrer natürlich auch Heimspiel, da mein ganzes soziales Umfeld wie Bekannte oder Nachbarn und Freunde aber auch Industriepartner oder Dienstleister eigentlich ständig um mich herum ist. Das ist einfach schön. Hier bin ich daheim.
Wann ist wieder „Historischer Plärrer“ geplant?
2018 gibt es den Plärrer seit 140 Jahren. Und hier werden wir im Herbst voraussichtlich in Zusammenarbeit mit der Stadt einen „Historischen Plärrer“ organisieren. Allerdings ist noch nichts genaueres geplant.
Welche Pläne oder Ideen für den Plärrer würden Sie in Zukunft gerne umsetzen?
Wir möchten im Moment eigentlich gar nichts ändern. Der Plärrer ist geändert worden. Dazu wird natürlich auch vom Schausteller gefordert, dass er sich weiterbildet. Zu den Änderungen gehören unter anderem auch Dinge wie „grüner“ Strom oder Mülltrennung. Wir wollen, dass der Kunde mit einem Lächeln geht und etwas Positives berichtet. Natürlich ist Stillstand der falsche Weg. Daher werden wir jedes Jahr unsere „Hausaufgaben“ machen und stets Dinge verbessern. Der Plärrer ist eigentlich ständig in Veränderung. Wenn Sie den Plärrer in den Zulassungspapieren oder auf Bildern vergleichen, ist jedes Jahr eine Änderung enthalten. Und dies im positiven Sinne, was somit die Attraktivität steigert.
Was gefällt Ihnen am besten an Ihrer Tätigkeit?
Definitiv die Menschlichkeit. Wir haben angefangen bei unserem Personal bis hin zu unserer Kundschaft ein sehr gutes, menschliches Verhältnis. Und das finde ich einfach schön. Die Schattenseiten unserer Arbeit sind die Wetterkapriolen.
Wie viel Freizeit bleibt Ihnen noch und wie nutzen Sie diese?
Freizeit ist wie in jedem anderem Familienbetrieb äußerst schwierig, da wir natürlich am Wochenende Betrieb haben. Aber man verbindet das Ganze. Als Unternehmer freut man sich, wenn sich sein Karussell dreht. Als Schausteller freuen Sie sich wegen dem Wetter, es wird wieder wärmer, es funktioniert und dreht sich alles. Man kann das nicht mit Worten beschreiben. Es ist nicht nur der Umsatz, sondern generell die erfolgreiche Führung des eigenen Betriebs. Macht einen auch glücklich. Selbstverständlich gibt es zwischen den Volksfesten immer wieder mal eine Pause und da kann man dann wieder regenerieren.
Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Genau da, wo ich heute bin.
Wer ist Ihr persönliches Vorbild bzw. wer hat Sie in Ihrer Karriere besonders beeinflusst?
Als junger Mensch nimmt man sich natürlich immer ein Ziel. Andere Schausteller die etwas bewegt haben, Personen aus der Politik oder Unternehmer. Solch ein Vorbild ist immer gut. Der gerade Weg hat mich dahin geführt, wo ich bin und so werden wir auch weitermachen.
Stillstand ist Rückschritt
Haben Sie ein Lebensmotto?
Stillstand ist Rückschritt. Das hat schon mein Großvater gesagt.