125 Jahre Katholische Arbeitnehmer Bewegung

Ehem. Landesvorsitzende Erna-Kathrein Groll im Interview

Kempten…Gemeinsam mit seinem Dachverband, der Katholischen Arbeiternehmer Bewegung KAB, feierte auch der Stadtverband des KAB Kempten sein 125-jähriges Bestehen. Dazu lud man Mitglieder und Freunde der Bewegung in die St. Lorenz Pfarrei nach Kempten ein. Nach einem gemeinsamen Besuch eines Festgottesdienstes in der St. Lorenz-Basilika, sprachen beim Festakt in der Pfarrei u.a. der Kemptener Oberbürgermeister Thomas Kiechle, der stellv. Generalsekretät der NGG-Region Allgäu Joschka Ebel und der Diozäsanvorsitzende des KAB Augsburg Erwin Helmer zu den rund 100 Gästen. Kemptens 3. Bürgermeisterin Erna Kathrein-Groll, dem KAB eng verbunden, weil ehedem Vorsitzende des Kreisverbandes Kempten-Allgäu und des Diözesanverbandes Augsburg sowie Mitglied im Bundesvorstand der KAB Deutschland, erklärte vorab in einem Interview, wie die Arbeitnehmer-Bewegung entstand und welche Aufgaben und Ziele sich der KAB setzt.

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Der Stadtverband Kempten der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung feierte in der Pfarrei St. Lorenz sein 125-jähriges Bestehen.Bild: Jörg Spielberg
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TRENDYone: Welche genaue Führungsposition hatten Sie beim KAB Kempten inne?

Rund 30 Jahre lang hatte ich Führungspositionen in der KAB inne, als Vorsitzende des Kreisverbandes Kempten-Allgäu und des Diözesanverbandes Augsburg sowie Mitglied im Bundesvorstand der KAB Deutschland, zuletzt war ich auch Landesvorsitzende der KAB Bayern. Aktuell bin ich noch durch die KAB Mitglied der ACA Bayern (Arbeitsgemeinschaft christliche Arbeitnehmerorganisationen) und vertrete diese im Landesentwicklungsbeirat der Bayerischen Staatsregierung und bin ehrenamtliche Richterin am Arbeitsgericht. Meine Leitungsfunktionen in der KAB musste ich schweren Herzens, aufgrund des zeitlichen Aufwandes für die politischen Ämter im Kemptener Stadtrat und als Dritte Bürgermeisterin aufgeben.

TRENDYone: Auf welchen Feldern engagiert sich die KAB ganz aktuell?

Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) ist ein Sozialverband in Deutschland, Österreich und der Schweiz, der seine Wurzeln in der christlichen Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts hat. In der EBCA (Europäische Bewegung) und WBCA (World Movement) wird der internationale Auftrag sichtbar, sich für gerechte und existenzsichernde Arbeitsbedingungen einzusetzen.

Die KAB setzt sich immer und auch aktuell ein für „Gute Arbeit“ und damit gegen prekäre Arbeitsverhältnisse. Denn prekäre Arbeit bedeutet auch ein prekäres Leben. Mit einem unsicheren Einkommen und Arbeitsverhältnis ist die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben nahezu ausgeschlossen. Niemand darf jedoch abgehängt, ausgegrenzt und diskriminiert werden. Prekäre Arbeitsverhältnisse sind unsolidarisch, ungerecht, menschenunwürdig und nicht nachhaltig. Neue Arbeitsverhältnisse im digitalen Zeitalter werfen auch neue Fragen auf. Die Arbeit der Betriebs- und Personalräte müssen auch auf diese neuen Arbeitsverhältnisse angepasst und ausgerichtet werden.
Die KAB bewertet Maßnahmen für die „Gute Arbeit“ auf dem Hintergrund, ob sie eine kapitalistische Wirtschaftsordnung überwinden können, die alle Tätigkeiten nur nach der finanziellen Rendite bewertet. Die Maßnahmen müssen dazu führen, dass „Arbeit“ nicht auf Erwerbsarbeit reduziert wird, sondern die gemeinwohlorientierte Arbeit und die Privatarbeit gleichwertig sind. Mit dem KAB-Konzept des Garantierten Grundeinkommen, dem Schutz des arbeitsfreien Sonntags und KAB-Rentenmodell setzt die KAB ein Zeichen für gerechtes und sinnstiftendes Miteinander in unserer Gesellschaft.

Außerdem setzt sich die KAB für die Demokratie ein. Demokratie lebt von unten, vom Engagement aller Bürgerinnen und Bürger, die sich mit fairen und demokratischen Mitteln einmischen. Wir setzen uns in Bündnissen für eine starke Zivilgesellschaft ein, die Grundlage unseres demokratischen Gemeinwesens und Ausdruck demokratischer Willensbildungsprozesse ist. Wir lehnen jede Zusammenarbeit mit demokratie- und fremdenfeindlichen, rassistischen, intoleranten und die Menschenwürde nicht achtenden Parteien ab.

Wir setzen uns für eine Wirtschaftsform ein, bei der menschenwürdige Arbeit und der schonende Umgang mit den natürlichen Ressourcen in den Mittelpunkt gestellt wird. Die Weiterentwicklung zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft und deren Zukunftsfähigkeit kann nur gelingen, wenn die politischen und gesellschaftlichen Weichen so gestellt werden, dass wir innerhalb unserer planetarischen Grenzen wirtschaften.

TRENDYone: Was unterscheidet die KAB von den bekannten Einzelgewerkschaften des DGB? Arbeitet man zusammen?

Die KAB arbeitet seit vielen Jahren mit den Gewerkschaften und auch anderen Sozialverbänden intensiv zusammen, um die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken. Beispielhaft sei hier das Soziale Netz Bayern genannt, in dem 16 Organisationen zusammenarbeiten. Zusammen mit dem Sozialen Netz Bayern fordert die KAB einen höheren Mindestlohn, eine ausreichende Kindergrundsicherung, bezahlbaren Wohnraum, den Schutz der Umwelt, politische Maßnahmen gegen überbordenden Flächenverbrauch und deutliche Verbesserungen im Pflegebereich.

Die KAB orientiert sich an der Katholischen Soziallehre, die ein gutes Fundament bietet, um echte Fakten und Fake-News einordnen und bewerten zu können.
Die daraus resultierende Methode „Sehen-(be-)Urteilen-Handeln“ ist Grundlage, die in der KAB-Erwachsenenbildung, in den KAB-Arbeitsgruppen, in der arbeitsrechtlichen, gesellschaftlichen und politischen Bewertung der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Anwendung findet. Durch ihren nationalen und weltweiten Kontakt mit sozial Benachteiligten, den Armen und Ausgegrenzten ist die KAB in der Lage, beurteilen zu können, ob gemachte und diskutierte politische Konzepte tatsächlich geeignet sind, sozial-ökologisch nachhaltig zu sein und dadurch ein Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und Frieden sein könnten. Das vielleicht ist der unterschiedliche Ansatz -aber nicht trennende- zwischen Gewerkschaft und KAB. Der Fokus der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung liegt zunächst auf denjenigen, die vermeintlich nicht zu den „Leistungsträgern“ der Gesellschaft gehören. Die KAB fordert die Verbesserung der Lebensumstände aller Menschen und setzt sich ein für „Gutes Leben für Alle“.

TRENDYone: Für welche Ziele möchte sich der KAB in der nahen Zukunft für Arbeitnehmer*Innen einsetzen?

Für eine gerechte Gesellschaft – sozial und ökologisch! Die Krisen bewältigen, Zukunft gestalten, Reichtum umverteilen!  

TRENDYone: Ein paar Sätze zu 110 Jahre Arbeitskreis Frauen in der KAB Bayern…

Die, gesetzlich verankerte, Gleichstellung ist bis heute in vielen Bereichen immer noch nicht Realität. Alte Rollenmodelle wirken immer noch, im privaten wie im beruflichen Bereich. Chancengleichheit, Entgeltgleichheit, Vereinbarkeit Beruf/Familie, politische Mitwirkung - das sind nur einige wenige Punkte, für die KAB Frauen und Männer weiterhin eine intensive Interessensvertretung einbringen müssen und werden. Leider hat gerade auch Corona zu einem Rückschritt in der gleichberechtigten Teilhabe von Frau und Mann geführt. Solange die Gesellschaft zulässt, dass Berufsfelder die schlechter bezahlt werden den Frauen vorrangig zugeschrieben werden und gutbezahlte Berufsfelder und Führungspositionen zu einem sehr großen Anteil den Männern vorbehalten sind, solange in den Köpfen der politisch Verantwortlichen immer noch das Gesellschaftsmodell  (männlicher) Alleinverdiener vorherrscht, ist Veränderung hin zur gleichberechtigten Teilhabe kaum möglich. Deshalb braucht es dringend die gemeinsamen Anstrengungen von Männern und Frauen diese Hemmnisse aufzulösen. Deshalb braucht es auch noch nach 110 Jahren engagierte Menschen, die sich einsetzen für die Gleichberechtigung.