Augsburger Puppenkiste: Klaus und Jürgen Marschall im Interview

Über die Zukunftspläne der Augsburger Puppenkiste und vieles mehr

Klaus Marschall, der jüngere Sohn von Hannelore Marschall-Oehmichen und Hanns-Joachim Marschall führt in nunmehr dritter Generation als Theaterleiter die Puppenkiste in das 21. Jahrhundert. Über die Zukunftspläne und vieles mehr sprachen wir mit ihm und seinem älteren Bruder Jürgen, als wir die beiden in der Augsburger Puppenkiste besucht haben.

TRENDYone: Wie kamen Sie zur Augsburger Puppenkiste?

Klaus Marschall: Ich bin 1961 in Augsburg geboren und in der Altstadt gemeinsam mit meinem drei Jahre älteren Bruder Jürgen aufgewachsen. Nach dem Kindergarten verbrachten wir den Nachmittag bei unseren Großeltern, die neben dem heutigen Curt-Frenzel-Stadion gewohnt haben. Dort war auch die Puppenwerkstatt untergebracht, wo unsere Mutter schnitzte und unsere Oma die fertigen Figuren bekleidete. Später zogen wir dann nach Stadtbergen um. Auch die Schnitzwerkstatt wurde dorthin verlagert. Wir haben beide das Jakob-Fugger-Gymnasium besucht. Mit dem Erlangen der mittleren Reife nach der zehnten Klasse verließ ich die Schule. Ich war eher praktisch veranlagt und habe auch in meiner Schulzeit immer wieder in der Puppenkiste ausgeholfen. Da ich allerdings zunächst noch keine Lehrstelle hatte, nahm ich einige Wochen Sprechunterricht in Hamburg und war eine Zeitlang mit dem „Weilheimer Puppentheater“ unterwegs, um erste praktische Erfahrungen zu machen. Anschließend begann ich eine Lehre als Schaufenstergestalter. Dabei konnte ich mit den verschiedensten Materialien arbeiten und eine Zeitlang in der Schreinerwerkstatt des Ausbildungsbetriebs mithelfen. Während meiner Bundeswehrzeit habe ich geheiratet und bin danach als Puppenspieler im Marionettentheater eingestiegen. Bereits zehn Jahre später, in 1992, habe ich die Leitung der Puppenkiste von meinem Vater übernommen.

Jürgen Marschall: Ich habe nach der mittleren Reife eine Malerlehre gemacht. Mir war es wichtig, zunächst meinen eigenen Weg zu gehen, obwohl mein Großvater darüber nicht sehr erfreut war. Nach der Malerlehre war ich als DJ im Augsburger Nachtleben unterwegs und hatte auch mit dem „Katzenstadel“ meine erste eigene Kneipe. Später habe ich dann im Nebenjob in der Puppenkiste gearbeitet und meinem Bruder Klaus geholfen. Wir haben sehr gut harmoniert und zusammengearbeitet. Im Jahr 1991 fing ich an, jeden Tag bei meiner Mutter in der Werkstatt Puppen zu schnitzen. In der Nacht war ich aber immer noch unterwegs. Nach einem halben Jahr Probezeit wurde ich 1992 fest in der Puppenkiste angestellt. 1998 habe ich mich um die Sonderausstellung zum 50-jährigen Jubiläum der Puppenkiste gekümmert, die nach dem Umbau und der Renovierung des Theaters im neu geschaffenen Museum „Die Kiste“ ihren festen Platz fand. Im Jahr 2003, nachdem unsere Mutter verstarb, habe ich die Leitung der Puppenwerkstatt übernommen. Geschnitzt habe ich immer für mein Leben gerne.

Was waren die Meilensteine in Ihrer Karriere?

Klaus Marschall: Ich erinnere mich noch gut an das Jahr 1989 - mein erster Auftritt beim damaligen Augsburger Kulturreferenten Dr. Ludwig Kotter, als ich mir zunächst großen Ärger eingeholt habe. Doch uns fehlte schlichtweg das Geld, um die Mitarbeiter der Puppenkiste ausreichend bezahlen zu können. Ich wollte deshalb die Zuschussleistungen der Stadt Augsburg und des Freistaats erhöht wissen. Gemeinsam konnten wir Dr. Kotter davon überzeugen, dass die Erhöhung der Zuwendungen unumgänglich war. Er erarbeitete mit uns einen 5-Jahresplan und setzte sich persönlich auch beim Kultusministerium für die Steigerung unserer Zuschüsse ein.

Der zweite Meilenstein waren harte Vertragsverhandlungen in Frankfurt mit dem damaligen Programmdirektor des Hessischen Rundfunks. Mit ihm konnten wir auch in diesen Verhandlungen eine massive Steigerung erreichen und damit den Fortbestand der Puppenkiste sichern. Das waren sehr einschneidende Erfahrungen für mich bei der Übernahme der Geschäftsleitung. Als jüngerer Bruder hatte ich ja zunächst nicht damit gerechnet, die Leitung zu übernehmen, doch habe ich mich durch die Zahlenwerke gebissen und habe mir betriebswirtschaftliches Grundwissen aus Büchern angeeignet.

Hat die Augsburger Puppenkiste noch Zukunft?

Klaus Marschall: Die Besucherzahlen sind nach wie vor sehr gut, dennoch müssen wir auf die veränderte Medienwelt reagieren. Die regelmäßigen Fernsehauftritte unserer Marionetten gibt es heute ja nicht mehr, wobei auch bemerkt werden muss, dass in der heutigen Fernsehlandschaft die Puppenkiste mit nur vier Folgen jährlich das Gros der Zuschauer nicht mehr erreichen könnte. Deshalb müssen wir andere Wege suchen, um auf uns aufmerksam zu machen.

Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Klaus Marschall: Figurentheater ist ein Steigbügel für die Fantasie. Wir bieten etwas an, das erst mit der Fantasie des Zuschauers vervollständigt wird. Deshalb kann man Geschichten im Figurentheater auch intensiver erleben. Es zeigt sich, dass auch Jahre später die Zuschauer sich noch an winzige Details erinnern können. Bei den heutigen computeranimierten Filmen das wohl kaum mehr vorkommen. Diese Unterhaltungsfilme sind zu perfekt, sie lassen keine eigene Fantasie mehr zu. Deshalb bin ich überzeugt, dass Figurentheater auch in Zukunft eine große Rolle in der Kinderunterhaltung übernehmen wird. Es weckt Kreativität und fördert das Vorstellungsvermögen intensiv und nachhaltig.

Was ist Eure Lieblings-Marionette?

Klaus Marschall: Es gibt mehrere Figuren mit verschiedenen Charakteren, die mir ans Herz gewachsen sind, wobei jede für sich etwas ganz Besonderes ist. Beispielsweise der „kleine Prinz“ oder „Kapitän Tiphys“ aus dem „Prozess um des Esels Schatten“. Aber auch unser Kasperl, mit dem ich eine ganz besondere Verbindung habe, gehört dazu und der Drache „Triefaug“ aus „So Hi und das weiße Pferd“.

Jürgen Marschall: Bei mir ist das ganz klar der Kasperl und ich habe einen weiteren besonderen Liebling: den kleinen „Fripf Ferdinand“, das kleine Nashorn aus „Urmels große Reise“. Es kann kein „s“ sprechen, heißt aber eigentlich Fritz. Diese Figur ist mir wirklich sehr gut gelungen und was einem gut gelingt, wächst einem ganz besonders ans Herz.

Das Interview führte Sabine Roth.