Austausch zwischen Politik und der Sozialbau zur Krise der Bau- und Wohnwirtschaft

»Der perfekte Sturm«

Kempten…Die Menschen im Freistaat sind verunsichert. Mietraum ist knapp und wer zur Miete wohnt, fürchtet Mieterhöhungen, insbesondere bei Nebenkosten. Auch ist es jungen Familien kaum mehr möglich, an den Bau eines Eigenheims auf der grünen Wiese zu denken – zu knapp das Angebot an Bauplätzen, zu hoch die Baukosten. Alle Preise kennen scheinbar nur noch einen Weg: den nach oben.

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V.l.n.r.: Bezirksrätin Daniela Busse (FDP), der Architekt Sebastian Körber, MdL, ( FDP), im Dialog mit den Geschäftsführern der Sozialbau Kempten Martin Langenmaier und H...Bild: Jörg Spielberg
Ernste Lage

Rund 70.000 Wohnungen braucht der Freistaat jährlich an neuen Wohnungen, aber aufgrund vielfältiger Ursachen ist an diese Zahl nicht zu denken. Der Bund steht vor den gleichen Herausforderungen. Von der Ampel versprochen wurden rund 400.000 neue bezahlbare Wohnungen, realistisch ist eine Zahl um die 100.000. Externe Faktoren wie Bauspreissteigerungen, hohe Hypothekenzinsen, Rekordinflation, hohe Energiepreise sowie Lieferketten-Probleme führen zu eklatanten Preissteigerungen. Bauwirtschaft sowie Bauherren und Mieter verzweifeln. Die Aufträge gehen spürbar zurück und erste Arbeitskräfte werden freigestellt. Konnte noch im vergangenen Jahr die Kemptener Wohnungsbaugesellschaft Die Sozialbau ihre Neubauwohnungen zu einem Quadratmeterpreis von 11,50 Euro anbieten, so ist der Quadratmeterpreis aktuell auf 18,50 Euro gestiegen. Die Verantwortlichen in der Politik verweisen auf Gründe wie den Krieg in der Ukraine oder Lieferketten-Abrisse aus der Coronazeit. Aber es gibt auch hausgemachte Probleme, wie u.a. den Fachkräftemangel, und über diese wollte sich die FDP Kempten mit Vertretern der Bauwirtschaft austauschen. Im letzten großen Neubaugebiet der Sozialbau „Funkenwiese" im Kemptener Westen trafen sich die FDP Bezirksrätin Daniela Busse, der FDP-Landtagskandidat Simon Schwendinger und der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag Sebastian Körber mit dem scheidenden Geschäftsführer der Sozialbau Herbert Singer, seinem Nachfolger Thomas Heubuch sowie dem stellv. Geschäftsführer Martin Langenmaier.

„Wir sind am Limit."

Rund 4.000 Wohnungen und 500 gewerbliche Objekte werden von der Sozialbau Wohnungs- und Städtebau GmbH in Kempten verwaltet, die Wohnungsbaugesellschaft ist der große Player im Bereich Immobilien in der Allgäu-Metropole. Die Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft zeigten sich froh mit Verantwortlichen der FDP über die Misere am Bau sprechen zu können. Die Lage der Bauwirtschaft wurde von Herbert Singer und Martin Langemaier mit drastischen Worten beschrieben. „Es kommt der perfekte Sturm auf uns zu.", so Singer. Langenmaier fügt hinzu.„Die Luft wird immer dünner. Wir sind am Limit." Beide fordern unisono „…ein Stoppschild zu setzen." Nachfolgend die Forderungen der Verantwortlichen der Sozialbau an Bundes- und Landespolitik:

• keine weiteren Mietpreis-Bremsen - diese bringen nicht mehr, sondern weniger Wohnungsbau
• Abbau von Vorgaben und Bürokratie, insbesondere bei
• Brandschutz
• Schallschutz
• Barrierefreiheit
• Stellplätze – besonders bei Nachverdichtung und Aufstockung
• Schneelast-Vorgaben
• TÜV-Prüfungen für Aufzüge, Antriebstore, Brandmeldeanlagen etc.
 
Demgegenüber macht die Sozialbau folgende Verbesserungsvorschläge:

• Reduzierte Grunderwerbssteuer für Erst-Immobilien-Käufer im Neubau
• Keine weitere Verschärfung beim Energiestandard - EnEV-Standard EH 55 ist völlig ausreichend
• Bestandssicherheit für funktionsfähige Heizungsanlagen – Vermeidung weiterer Teuerung – Inflationstreiber
• Steuerung der regenerativen Energie durch intelligente Setzung/Dotierung der CO² Besteuerung, anstatt mit einem Bürokratiemonster Subventionen zu verteilen

Lösungsansätze der Politik

Sebastian Körber, MdL und bau- und wohnungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag stellte den Vertretern der Sozialbau die wichtigsten Punkte aus dem aktuellen Positionspapier der FDP-Bayern vor: „Bayern braucht pro Jahr 70.000 neue Wohnungen. Auch ohne Energiekrise hat es die Staatsregierung nicht geschafft, dieses Ziel zu erreichen. Mit den aktuellen Rahmenbedingungen wird dies umso weniger gelingen. Daher braucht es effektive Gegenmaßnahmen. Wohnen darf nicht zum Luxus werden.", so Körber. Einige der 64 Maßnahmen, die die Liberalen in ihrem Positionspapier entworfen haben, stellt Körber am Abend vor: „Digitalisierung stärken: BIM, Behörden mit Soft- und Hardware befähigen; Grunderwerbsteuer für erste, selbstgenutzte Wohnung abschaffen (Bund wird dafür die Voraussetzung schaffen.); Vorschriften entrümpeln: insbesondere Sonderregelungen sind abzuschaffen; BayernHeim abschaffen: Diese hat bisher keine 8.000 Wohnungen auf den Weg gebracht, wie es Ministerpräsident Söder kundgetan hat; mehr Geld für kommunale, kirchliche und genossenschaftliche Wohnungsbaugesellschaften zur Verfügung stellen; explizit auch den Neubau von Eigenheimen ermöglichen".