Ex-Topmanager Thomas Middelhoff zu Gast bei der BIRMELIN AKADEMIE

«Es ist gut so, wie es ist.»

Altusried…Wie kaum ein anderer verkörperte Thomas Middelhoff den Typus eines karriereorientierten deutschen Topmanagers, der zur Erreichung seiner beruflichen Ambitionen keine Kompromisse einging. Das bedeutete für viele, die von seinen unternehmerischen Entscheidungen betroffen waren, z.T. nichts weniger als den Verlust des Arbeitsplatzes und damit einen möglichen Sturz in prekäre Lebensverhältnisse. Beispielhaft sind hier viele Beschäftigte der ehemaligen Arcandor AG anzuführen, die im Zuge des Insolvenzverfahrens Anfang der 10er Jahre ihre Jobs bei den Tochterunternehmen Karstadt und Quelle verloren. Wenngleich damals die Möglichkeiten zur Rettung des Handelskonzerns bereits sehr beschränkt waren, wurde die Causa Arcandor in den Medien schnell zur Causa Middelhoff. Schlussendlich endete der Fall Middelhoff mit einer Verurteilung des Topmanagers wegen Untreue in 27 Fällen und Steuerhinterziehung in drei Fällen. Maßgeblich mitverantwortlich an der „Demontage" Middelhoffs, so die Worte des ehemaligen Konzernlenkers, war die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), die ihre nordrheinwestfälische Amtskollegin Roswitha Müller-Piepenkötter anwies, die Causa Middelhoff genauer zu prüfen. Medial wurden die Vorgänge damals inbesondere durch das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" begleitet, der rund 98 mal über den westfälischen Unternehmersohn berichtete.

Schockstarre

Über die Erlebnisse dieser Zeit sprach am vergangenen Wochenende der ehemalige Topmanager Dr. Thomas Middelhoff auf Einladung von Rolf Birmelin, dem Geschäftsführer der Birmelin Managementberatung GmbH, auf der BIRMELIN AKADEMIE/EVENTbühne in Kimratshofen. Rund 120 Gäste, die z.T. Teilnehmer des dreitätigen Großgruppenworkshops ”I do it my way – Der rote Faden in meinem Leben" waren, lauschten gespannt den Ausführungen des Ex-Topmanagers. „Ich war wie zu Stein erstarrt.", sagt der heute 66 Jahre alte Ex-Manager Dr. Thomas Middelhoff, wenn er an den 14. November 2014 zurückdenkt, als er durch das Oberlandesgericht Essen sein Urteil erfuhr. Drei Jahre Haft lautete seinerzeits der Richterspruch und weil aus der Sicht der Justiz Fluchtgefahr bestand, Middelhoff besaß zu dieser Zeit einen zweiten Pass und ein großes Anwesen in Südfrankreich, wurde der Angeklagte unmittelbar im Gerichtssaal festgenommen. Von diesem Moment an, war es Middelhoff seitens des Gerichts untersagt sein Handy zu benutzen oder sich gar von seiner Familie zu verabschieden. Middelhoff wurde augenblicklich in eine Justizvollzugsanstalt gebracht, in der er sofort eine Untersuchungshaft anzutreten hatte.

Weg nach oben

Thomas Middelhoff ist das dritte Kind von fünf Kindern einer Textil-Unternehmerfamilie aus Düsseldorf. Middelhoff studierte Betriebswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. 1987 promovierte er mit seiner Arbeit über Integrierte Planung von Kommunikationsystemen. Zu dieser Zeit arbeitete Middelhoff bereits als Assistenz der Geschäftsleitung der Graphische Betriebe der Mohndruck GmbH. Die Mohndruck GmbH war Marktführer im Offsetdruck und ist Teil der Bertelsmann Printing Group, Europas größter Druckereigruppe mit Sitz in Gütersloh. Im Jahr 1989 wurde Thomas Middelhoff Geschäftsführer der Mohndruck GmbH, ein Jahr später Vorstandsmitglied der Bertelsmann Druck- und Industriebetriebe. Diese Tätigkeit eröffnete Dr. Thomas Middelhoff die Möglichkeit im Gütersloher Medienkonzern eine einzigartige Karriere zu durchlaufen, die ihn bis zum Vorstandsvorsitzenden von Bertelsmann aufstiegen liess. Seine Verdienste um das deutsche Medienunternehmen sind unstrittig. Unter seiner Rigide ging u.a. AOL Europe 1995 mit der Bertelsmann AG das Joint Venture AOL Deutschland ein und die RTL-Group wurde zum größten Betreiber werbefinanzierten Fernsehens und privater Radiosender aufgebaut. In seiner knapp vier Jahre währenden Zeit als Vorstandsvorsitzender verdoppelten sich die Umsätze des Bertelsmann AG.

Fallstricke der Macht

Im Jahr 2002 verliess Thomas Middelhoff den Bertelsmann Konzern, nachdem es zu Differenzen mit dem Firmengründer Reinhard Mohn über die weitere Unternehmensstrategie gekommen war. Middelhoff erhielt eine Abfindung in Höhe von 25 Millionen Euro. Im Mai 2005 übernahm Middelhoff bei der KarstadtQuelle AG den Posten des Vorstandsvorsitzenden. Middelhoff benannte den Handelskonzern in Arcandor AG um. Das operative Geschäft wurde in die drei Kernbereiche Warenhaus (Karstadt), Versandhandel (Primondo) und Touristik (Thomas Cook) aufgeteilt. Das Tourismusgeschäft boomte Mitte der 0er Jahre und so konnte Middelhoff noch einmal das Eigenkapital des Konzerns steigern. Aber die weitere Sanierung des Konzerns hatte einen Pferdefuss. Durch den Verkauf der Warenhausimmobilien an das Immobilienunternehmen Whitehall wurde die Arcandor AG plötzlich Mieter im vormals eigenem Haus. Die jährlichen Mietzahlungen erreichten gewaltige Höhen und legten den schwächelnden Konzern an die Kette. Am Ende wurde die Arcandor Aktie mit lediglich 1,30 € gehandelt. Dr. Thomas Midddelhoff „hatte als Vorstandsvorsitzender fertig" und geriet ab Juni 2009 in den Fokus der Staatsanwaltschaft Essen, die gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eröffnete. Eine zentrale Rolle spielten dabei die Veräußerungen der konzerneigenen Warenhausimmobilien. Middelhoff wurde doppeltes Spiel vorgeworfen – seine Boni stiegen, Arcandor taumelte der Insolvenz entgegen.

Gier und Demut

Das juristische Urteil ist bekannt, Middelhoff wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er rund anderthalb Jahre in der JVA Bielefeld-Senne absaß. Im offenen Vollzug enschloss sich Middelhoff in den Bodelschwinghschen Stiftung Bethel in Bielefeld als Hilfskraft in einer Werkstatt für behinderte Menschen zu arbeiten. Thomas Middelhoff berichtet auf der BIRMELIN AKADEMIE EVENTbühne über seine Erfahrungen aus dieser Zeit, die ihn über seine „Ära" als Topmanager nachdenken liess. „Damals hatte die Gier Besitz von mir ergriffen. Ich wollte von allem immer nur das Beste.", gibt der Topmanager zu. Und so fällt es Middelhoff an diesem Abend nicht schwer einzuräumen, dass er selbst die Grube grub, in die er später fiel. „Es ist gut so, wie es ist.", befindet der ehemalige Vorstandsvorsitzende, der 2015 seine private Insolvenz anmelden mußte und derzeit über keinerlei Vermögen verfügt. Was Middelhoff am meisten traf, war die Scheidung von seiner Frau, die ihn in seiner Zeit als Überflieger der Wirtschaft als letzte zu erden versuchte. Heute hat Middelhoff in einer Verlagsleiterin eine neue Lebenspartnerin gefunden, wenngleich er weiterhin häufig Kontakt zu seiner Familie hält. Als Kind katholischer Eltern hat Middelhoff in der Zeit nach seiner Haft verstärkt zum christlichen Glauben zurückgefunden. Dabei geht es dem Ex-Manager, der aktuell in Hamburg lebt, mehr um die spirituellen Weisheiten eines Kohelet, der zu einer sinnvollen Lebensführung ermuntert, als um eine mögliche Privataudienz beim Pabst. Das Bekenntnis zum Glauben wirkt authentisch, vor allem wenn Middelhoff seine Fehler erklärt, indem er auf die Sünden in den Heiligen Schriften verweist. Auf die Frage, was der ehemalige Vorstandsvorsitzende zukünftig tun möchte, antwortet Middelhoff, sich vorstellen zu können, jungen StartUp-Unternehmen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Auf Nachfrage von Rolf Birmelin, was er den Jungunternehmern als wichtigsten Rat mitgeben möchte, antwortet Middelhoff in Englisch: „Ability may get you to the top - but it takes character to keep you there." und erklärt in Deutsch: „Neben Fähigkeiten wie Klugheit, Standhaftigkeit und Durchsetzungsvermögen, die einen nach oben führen, sind es charakterliche Tugenden wie Respekt vor anderen, Mäßigung und Demut, die einen oben bleiben lassen. Ich habe diese Eigenschaften zu meiner Zeit als Vorstandsvorsitzender vermissen lassen. Ich war damals leider ein Narzisst.", gesteht Middelhoff am Ende des Abends ein.