Duzen oder Siezen am Arbeitsplatz?

Ich - Du - Er - Sie - Es – welche Anrede im Berufsleben

Solche Sätze wie „Ich bin der Rainer“ können im Job eine unterschiedliche Bedeutung haben. Ist Rainer ein Kollege, dann könnte sich ein entspanntes und vertrauteres Umfeld um Büro entwickeln. Ist Rainer Ihr Vorgesetzter, könnte dies die Distanz zur Führungsebene verkleinern. Aber nicht alle Menschen sind im Beruf einer flacheren Hierarchie wohlgesonnen, sondern wahren absichtlich die professionelle Distanz. Welche Vor- und Nachteile das Duzen im Job mit sich bringt, was es im Arbeitsrecht bedeutet und wie wir vom Du wieder zum Sie zurückkommen, erfahren Sie, wenn Sie sich Rainer vorgestellt haben. Angenehm.

Vorteile vom Duzen im Job
Natürlich: Wenn sich im Kollegen- und Vorgesetztenkreis untereinander geduzt wird, schafft allein dieses kleine Wort eine große Vertrautheit und Verbundenheit untereinander. Die Hierarchien wirken flacher und die Firmenkultur offener. Dies fällt vor allem bei Neuankömmlingen in den Abteilungen auf. Ist jeder ein „Du“, wird daraus leichter ein „Wir“. Gemeinschaftsgefühl und Teamgeist bekommen dadurch Muckies und werden gestärkt. Förmliche Barrieren und Hemmschwellen weichen schneller und insgesamt finden wir ein partnerschaftliches Klima vor.

Nachteile vom Duzen im Job
Das Duzen kann allerdings auch zu viel Nähe erzeugen, die mancher Mitarbeiter nicht für erstrebenswert hält. So kann es zu falscher Vertrautheit führen, die manche Personen ausnutzen können. Vor allem Frauen stehen zu viel verbaler Nähe skeptisch gegenüber und betrachten es als Eindringen in ihre persönliche Komfortzone. Außerdem kann die fehlende verbale Distanz den respektvollen Umgang erschweren. Obacht für alle, die gern plaudern: So mancher Mitarbeiter könnte dadurch verleitet werden, zu viel private Dinge am Arbeitsplatz preiszugeben, ist das förmliche Sie erst einmal beiseite. Auch warnen Soziologen davor, dass ein Streit bei einem generellen DU leichter unter die Gürtellinie eskalieren und viel persönlicher werden kann. 
Das sehen auch 15 Prozent der Angestellten so: Laut Umfragen würden sie sich im Job weiterhin einen „Du-freien“ Raum wünschen und die Distanz bewahren. Der übrige Teil von 61,2 Prozent macht die Frage nach dem „Du“ oder „Sie“ vom Einzelfall abhängig.

Arbeitsrecht
Arbeitsrechtlich ist das Duzen im Job zunächst keine Beleidigung. Sollte es uns einmal ungewollt über die Lippen rutschen, wäre dies allenfalls eine Taktlosigkeit oder Unhöflichkeit. Zur Beleidigung wird Duzen erst, wenn es unerwünscht und trotzdem konsequent angewendet wird, z.B. um seinen Gegenüber herabzuwürdigen. In diesem Fall verstößt es mitunter gegen das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Grundgesetz). Demnach hat jeder Erwachsene das Recht, die Art und Weise zu bestimmen, wie er oder sie angeredet werden will. Dies kann allerdings im Beruf hinter dem Ziel einer gewünschten Firmenkultur (generelles DU) zurückstehen.
Nice to know: So musste ein Mann, der sich von einem bayerischen Grenzbeamten schlecht behandelt fühlte und diesen deshalb beschimpfte („Du blöde S**“) tief in die Tasche greifen: 2.500 Euro für die Beleidigung – und 300 Euro extra für das Duzen.

Vom Duzen zurück zum Siezen
Was aber tun, wenn wir das Angebot zum Du angenommen haben, nun aber irgendwie doch lieber wieder zurück zum Sie möchten? Die kurze Antwort: schwierig. Hier bleibt uns normalerweise nur eine hypothetische Karenzzeit von 24 Stunden. Nachdem wir eine Nacht darüber geschlafen haben, lässt sich ein Du im Nachhinein noch ablehnen. Natürlich von unserer Seite höflich, mit viel Taktgefühl und völlig vorwurfsfrei. Sie brauchen ein konkretes Beispiel, wie das aussehen könnte? So vielleicht: „Es ist mir furchtbar unangenehm, aber ich möchte lieber beim Sie bleiben. Ich fühle mich beim Duzen im Beruf unwohl. Sorry, Rainer.“ Gut, den letzten Satz können wir weglassen.

Tipps (auch für den Sonderfall)
1. Beachten Sie bei allen Benimm-Codes: Nie vorschnell auf ein spontanes Du-Angebot reagieren und Ja sagen.

2. Das Party-Du: Wenn die Stimmung steigt und diverse Getränke durch die Venen fließen, dann ist es bis zum Duzen nicht mehr weit. Obacht: Ein „Party-Du“ gilt nur für den Moment. Wenn Sie Ihren Chef oder Kollegen am nächsten Morgen sehen, siezen Sie bitte zunächst wieder. Ihr gegenüber wird die korrekte Anrede richtigstellen, sollte sie noch gelten.

3. Darf das Du abgelehnt werden? 
Rainer, tief durchatmen. Fall Sie ein Du angeboten bekommen, dürfen Sie dies jederzeit ablehnen – höflich und respektvoll. Denn so ein Angebot ist meist ein Ausdruck von Dank, Vertrauen und Wertschätzung. Weisen Sie dies zu forsch zurück, könnte sich Ihr Kollege gekränkt fühlen. Eine Begründung Ihrerseits ist zwar nicht nötig, kann aber helfen. Aufgepasst: Fühlt sich Ihr Chef von durch Ihre Ablehnung zurückgewiesen, könnten Sie in seiner Gunst sinken. Zuwendung könnte sich in Abweisung verkehren. Wägen Sie diese Entscheidung also gut ab.
Alles Gute für Sie. Wir bleiben weiterhin förmlich. Nicht wahr, Rainer? | Text: Stefanie Steinbach