Kempten diskutiert möglichen Verlust von 170 Parkplätzen
Polizei rein - Autos raus?
Zur Unzeit poppte eine Nachricht aus dem Polizeipräsidium Kempten auf. In einer Zeit in der der Einzelhandel in der Nördlichen Innenstadt ohnenhin unter dem coronabedingten Lockdown leidet, vermeldete der Leiter des Präsidialbüros des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West, Markus Asbach, dass ein neues Polizeigebäude am Pfeilergraben hinter der Residenz entstehen soll. Und das ausgerechnet auf dem Areal des Parkplatz „Am Pfeilergraben". Die Bauarbeiten zur Errichtung des Gebäudes, dass den derzeit überlasteten Standort Auf der Breite entlasten soll und mehr Nähe zur bestehenden Verwaltung im ehemaligen Gesundheitsamt schaffen soll, werden wohl im Frühjahr 2023 beginnen. Die Polizei verspricht sich durch das „Zusammenrücken" ihrer Beamten eine bessere und schnellere Kommunikation. So sollen Teile der Polizeiinspektion, der Operativen Ergänzungskräfte und des Polizeipräsidiums, alle derzeit am Standort Auf der Breite beheimatet, an den Pfeilergraben verlegt werden.
„Die Verwaltung in unmittelbarer Nähe zu haben, würde vieles erleichtern.", äußerte sich Markus Asbach, Leiter des Präsidialbüros des PP Schwaben Süd/West gegenüber der Presse. Allerdings würde durch den Bau eines Gebäudekomplexes durch die Polizei vor Ort der bestehende Parkplatz Pfeilergraben verschwinden, der aktuell immerhin 170 Stellplätze für PKWs bereit hält und auf dem auch viele Kunden des Einzelhandels aus der Nördlichen Innenstadt parken. Oberbürgermeister Thomas Kiechle begrüßte zwar den geplanten Umzug von Teilen der PI und des PP in die unmittelbare Nähe zur Innenstadt, machte aber zugleich deutlich, dass den Forderungen des Einzelhandel nach ausreichend Parkflächen in Citynähe Rechnung getragen werden muss. Unter Umständen könnte so die Diskussion um ein neues Parkhaus in der Rottachstraße neben dem Gelände der Feuerwehr wieder belebt werden. TRENDYone hat sich umgehört, was Einzelhändler und das City-Management Kempten e.V. zur Situation sagen:
Joachim Sauikel, Geschäftsinhaber Laufsport Saukel, Kronenstraße
Selbstverständlich ist der Wegfall der Parkplätze am Pfeilergraben ein herber Verlust für die nördliche Innenstadt und für die davon betroffenen Gewerbetreibenden. Ein grundsätzlicher Wandel des Mobilität-Verhaltens der Bevölkerung wird noch einige Zeit auf sich warten lassen. Vor diesem Hintergrund erscheint es mir wichtig über ein Parkhaus an der Rottachstraße nachzudenken. Es ist außerordentlich wichtig, dass wir diese Neuentwicklung auch in die Beurteilung zur Standortfrage des neuen Wohnmobilstellplatzes am Illerstadion einfließen lassen. Sollte die Entscheidung für den Stellplatz im Süden des Illerstadion fallen, würden dort noch einmal zusätzlich 97 stark frequentierte Parkplätze wegfallen.
Der stationäre Einzelhandel steht mehr denn je vor großen Herausforderungen. Onlinehändler machen den Geschäften zu schaffen und die Corona-Krise hat die Lage noch verschärft – die Innenstädte bluten aus. Der Wegfall von 367 Parkplätzen wäre ein weiterer Brandbeschleuniger. Deshalb plädiere ich als Beauftragter der Stadt für Tourismus und Stadtmarketing und als betroffener Einzelhändler mehr denn je für den Wohnmobil-Stellplatz im Norden des Illerstadions. Das Positive ist, dass der Umzug der Polizei zur Belebung der nördlichen Innenstadt beitragen könnte. Das ändert aber nichts daran, dass die Parkplätze fehlen.
Jörg Reichmann, Geschäftsinhaber Photo Porst, Klostersteige
Ein Umzug der Polizei in Ihrem jetzigen Umfang brächte keinen Vorteil für uns, ein Wegfall der eh rar gesäten Parkplätze durch die Erweiterung der Polizei aber in jedem Fall einen großen Nachteil. Schon die Umwandlung des Parkplatzes an der Feuerwehr von kostenfrei in kostenpflichtig war heftig zu spüren und die Kommentare der Kunden vielen entsprechend aus. Wobei die Installation der Stromtankstellen wiederum eindeutig positiv zu bewerten ist. Ich glaube nicht, dass der Bau eines Parkhauses an dieser Stelle eine spürbare Verbesserung für die nördliche Innenstadt bedeuten würde. Während der Bauzeit eines solchen wohl eher ein Nachteil, weil Parkplätze fehlen würden.
Allgemein glaube ich, dass das Thema Parkplätze, in seiner jetzigen Form, nicht mehr an Priorität zunehmen wird, sondern im Zuge der, von vielen Städten auch angestrebten, Umstrukturierung hin zu anderen Beförderungsmitteln, eher stagnieren wird. Wenn wir über Parkplätze reden wollen, die einen Anreiz zum Besuch der Innenstadt darstellen sollen, werden wir ein völlig neues, anderes Konzept brauchen. Gute Beispiele gibt es in vielen Holländischen Städten. Die Belebung der nördlichen Innenstadt zum Einen und die zumindest Aufrechterhaltung der Attraktivität der Einkaufsstadt Kempten zum Anderen (Stichwort: Verödung der Innenstädte durch den Onlinehandel, befeuert noch durch Corona) sind extrem komplexe Themen, die wir auch nur mit komplexen Konzepten bewältigen können. Ein angestrebtes Einzelhandelskonzept, wie gerade wohl deutschlandweit "en vogue" wäre wichtig und wenn es gut durchdacht und ausgeführt wird, wohl die einzig rettende Lösung. Hierzu gibt es aber bisher außer teuren Gutachten, Studien und Expertenmeinungen nichts aussichtsreiches zu berichten.
Peter Miller, Geschäftsinhaber Die Raumbeleuchter, Gerberstraße
Natürlich spielt die Parkplatzsituation eine große Rolle und es wird der eh schon angespannten Situation nicht zuträglich sein, wenn man es den Leuten immer noch unbequemer und umständlicher macht die Geschäfte in der nördlichen Innenstadt aufzusuchen. Ob ein Parkhaus ein adäquater Ersatz ist hängt auch davon ab, wie man mit den etwas größeren Fahrzeugen umgeht, damit meine ich VW Busse, Sprinter, Wohnmobile usw.
Auf den jetzt angebotenen Parkflächen ist das kein Problem, aber in einem Parkhaus bleiben diese Fahrzeuge meistens außen vor und haben das Nachsehen. Gerade die Wohnmobillisten sind durchaus eine interessante und kaufkräftige Zielgruppe für uns Händler, aber außer ewig langen Diskussion hat sich meines Wissens hier noch nichts positives getan.
Wahrscheinlich wird es auch so sein, dass die Bereitschaft der Kunden sich einen Parkplatz zu suchen und einen entsprechenden „Fußmarsch“ auf sich zu nehmen in einem gewissen Rahmen proportional mit der „Größe“ oder Notwendigkeit des Einkaufes oder des Beratungsgespräches wächst. Konkret meine ich, dass der Kunde für eine größere Anschaffung auch eine größere Bereitschaft für eine längere oder umständliche Anreise hat. Und dazu gehört auch „die letzte Meile“ von der wir hier sprechen.
Tanja Fleschut, Projektmanagerin City-Management e.V.
Ein Wegfall des Parkplatzes ist ein großer Verlust vor allem für die Nördliche Innenstadt, weil der bisherige Parkplatz kurze Wege garantiert. Ein Parkhaus oder Parkplatz an einem anderen Standort – der wohl weiter weg sein wird – ist kein adäquater Ersatz, da ein längerer Weg eine größere Hürde für Kunden darstellt in der Innenstadt einzukaufen. Der motorisierte Individualverkehr spielt immer noch eine große Rolle in Kempten.
Der Online-Handel boomt – gerade in Zeiten von Corona. Mit dem Wegfall des Parkplatzes wird den Händlern und Gastronomen zusätzlich eine weitere Schwierigkeit in der Behauptung gegen den Online-Handel gestellt. Vor allem die Nördl. Innenstadt kämpft schon länger mit Problemen, darunter das Thema Leerstand. Diese, teils inhabergeführten, Geschäfte müssen dringend geschützt werden.