Kemptener Stadtrat Ullrich Kremser im Interview

«Mehr sichtbar werden»

Der Freidemokrat Ullrich Kremser (71 J.) ist langgedienter Stadtrat. Seit 40 Jahren sitzt Kremser für die FDP im Stadtrat von Kempten. Gemeinsam mit seinem Fraktionskollegen Dr. Dominik Spitzer, Landtagsabgeordneter der FDP bis zur letzten Landtagswahl, schloss er sich nach der letzten Kommunalwahl der neugegründeten „Allianz" im Kemptener Stadtrat an. Das war ein Zweckbündnis aus Freien Wählern, Grünen, SPD und FDP, gegründet, um die Dominanz der CSU-Fraktion einzuhegen. Nun traten beide Stadträte der FDP aus der „Allianz" aus und Ullrich Kremser erzählt im Interview von den Beweggründen und wie sich der Kemptener Stadtrat ganz allgemein auf schwierige Zeiten einstellt.

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Im Interview spricht Ullrich Kremser über den Austritt aus der „Allianz" und neue Schulden.Bild: Jörg Spielberg
Keine persönlichen Gründe

Kremser betont, dass die Trennung von der „Allianz" nichts mit dem persönlichen Verhältnis zu den Stadträten der anderen Fraktionen zu tun hat, sondern inhaltlicher Natur ist. „Die FDP durchläuft schwierige Zeiten. Obwohl wir in der Bundesregierung viel Gutes bewirken…", Kremser nennt hier die Schuldenbremse, das 49,- Euro Ticket, die Sanierung von Brücken und Bahninfrastruktur, „…werden wir für alle Fehlentwicklungen der Bundesregierung mit in die Verantwortung genommen. So etwas wirkt bis in die Kommunalpolitik." So möchten er und sein Parteifreund Dr. Spitzer bewusst mehr wahrnehmbare Distanz zu bestimmten Positionen anderer Parteien deutlich machen. „Wir müssen wieder mehr sichtbar werden.", so Kremser.



Streit um PV-Anlagen und ein falscher Ton

Kremser nennt an dieser Stelle beispielhaft die Photovoltaik. Die FDP steht hinter der Energiewende und möchte in Kempten den Weg für Investoren, die auf Freiflächen Photovoltaik-Anlagen errichten möchten, frei machen. Hier stosse man aber allzu häufig auf Vorbehalte der Grünen, die aus Gründen des Umweltschutzes oder der Landwirtschaft die Entwicklung bremsen würden. „Wir möchten als FDP, dass das Ersuchen eines Investors im Bauausschuss oder im Stadtrat zeitnah entschieden wird, auch wenn dieser auf Freiflächen und nicht nur auf privilegierten Flächen, wie denen neben der A7 oder den Bahngleisen, PV-Anlagen errichten möchte.", so Kremser. Was Kremser und speziell Dr. Spitzer in jüngster Vergangenheit ebenso gestört hat, waren die Äußerungen des Bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger, Freie Wähler, der sich despektierlich und in der Wortwahl unangemessen scharf über politische Mitbewerber wie die FDP geäußert habe. „Das schafft ein vergiftetes Klima, das bis in den Kemptener Stadtrat wirkt.", so Kremser.

Schwierige Zeiten

Kremser kommt im weiteren Verlauf des Gesprächs auf die angespannte Haushaltslage der Stadt Kempten zu sprechen. Bis vor kurzem war Kempten eine Stadt, die sukzessive ihre Verschuldung von 40 Mio. Euro auf Null gebracht hat. Bedingt durch die Corona-Zeit und den Krieg in der Ukraine mit seinen Folgen für die Weltwirtschaft, kommt auch Kempten nicht umhin, sich neu zu verschulden. „Für den Haushalt 2024 ist eine Neuverschuldung von 23 Mio. Euro veranschlagt. Schauen wir, was wir am Ende tatsächlich davon brauchen.", so Kremser. Die Sanierung des Carl v. Linde Gymnasiums sei erst einmal mit einem Sperrvermerk versehen worden, zum Mißfallen der Betroffenen. Mit dem Bau der neuen Dreifachsporthalle würde zeitnah begonnen. „Die Baumfällarbeiten beginnen diese Woche.", sagt Kremser. Viel Geld würde aktuell in den Bau oder die Vergrößerung von Schulanlagen fliessen. „Wir bauen die 10. Grundschule für Kempten, wir möchten mit der Sanierung der Lindenbergschule beginnen, die Grundschule Heiligkreuz zieht um und wird erweitert und gemeinsam mit dem Landkreis wird in einem Zweckverband das Berufsschulzentrum saniert. Das alles und steigende Personalkosten (aktuell 8 Mio. Euro, u.a. durch neue Tarifabschlüsse und neue Stellen bei der Ganztagesbetreuung in Schulen) schränken die Handlungspielräume der Stadt Kempten erheblich ein.", so Ullrich Kremser. Eines ist dem langjährigen Stadtrat noch wichtig zu erwähnen. Auch wenn derzeit berechtigterweise viel Raum für Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Radfahrer, ÖPNV und E-Mobilität in der Allgäu-Metropole geschaffen würde, sei es wichtig, dass die Kemptener Innenstadt auch zukünftig für den motorisierten Individualverkehr erreichbar sei. Vielleicht ein Alleinstellungsmerkmal der Kemptener Freidemokraten, das für mehr Sichtbarkeit und Unterscheidbarkeit sorgen wird.

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