Rettenberger Bürger entscheiden für geplante Ortsumfahrung

»Die Würfel sind gefallen«

Am 20. Februar hatten die BürgerInnen Rettenbergs die Gelegenheit über die verkehrliche Infrastruktur ihrer malerischen Otrschaft im Oberallgäu zu entscheiden. Auf Initiative des Gemeinderates wurden die Bürger in Form eines Ratsbegehrens dazu eingeladen, zu entscheiden, ob der Ort eine südlich verlaufende Ortsumfahrung erhält (Variante-Süd-1a). Konkret ging es darum, ob nach langjährigen Vorplanungen das Staatliche Bauamt dazu ermächtigt werden soll, ein Planfestellungsverfahren auf den Weg zu bringen. Ein solches formelles Verfahren dient dazu, alle vom Bauvorhaben betroffenen öffentlichen wie privaten Belange zu prüfen und abzuwägen. Zudem werden Rechtsfragen geprüft und eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Erst nach einem positiven Abschluss des Planfestellungsverfahrens besteht Baurecht.

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Alle hoffen, dass in jeder Hinsicht wieder Ruhe im beschaulichen Rettenberg einkehrt, nach der Entscheidung „Pro-Orstumfahrung".Bild: pixabay
Vorab informierte Rettenbergs 1. Bürgermeister Nikolaus Weißinger und der Gemeinderat die wahlberechtigten Bürger über diese Umstände in Form einer Sachverhaltsdarstellung. Somit war allen Bürgern bewußt, dass dann bei einer „Pro-Entscheidung" der Freistaat am Ende eines positiven Planfeststellungsverfahrens Baurecht erhält. Dabei werden die geschätzten Kosten von 6,9 Mio. Euro vom Freistaat übernommen und Eigentümer von Ländereien für den Verlust ihrer Flächen entschädigt. Zudem kommt der Freistaat für die Instandsetzung der bestehenden Ortsdurchfahrt auf, die hernach in den Besitz der Gemeinde übergeht. Knapp 5 Hektar Land (Grünfläche) werden für den Bau der Umgehungsstraße benötigt, davon werden nach Fertigstellung 1,8 Hektar versiegelt sein.

Dauerthema

Schon seit 50 Jahren wird in Rettenberg über die enge Ortsduchfahrt diskutiert. Mit nur 5,20 m Breite ist diese tatsächlich schmaler, als normale Staatstraßen mit einer Breite von 6,50 m. Häufig kommt es auf dem innerörtlichen Straßenabschnitt zu Stauungen und nicht selten weichen Fahrzeuge auf die ohnehin teilweise nur 70 cm breiten Gehwege aus, um den Ortskern zu passieren. Mit einer Verkehrsbelastung von rund 6.600 Fahrzeugen/Tag (Quelle: baysis.bayern.de) liegt Rettenberg weit über dem Mittelwert von 3.800 Fahrzeugen/Tag für Staatsstraßen in Bayern. Im Ort selbst hatten sich zwei Bürgerinitiativen gebildet, die sich einerseits für eine neue, südlich verlaufende Ortsumfahrung (Variante-Süd-1a) eingesetzt haben und andererseits, die eine solche verhindern möchten und stattdessen eine Tonnagebegrenzung für die bestehende Ortsdurchfahrt in die Debatte eingebracht haben. Nun hieß es am vergangenen Sonntag Abend: „Alea jacta est – Die Würfel sind gefallen."

Entscheidung Pro-Ortsumfahrung

Eine beachtliche Mehrheit der 4.500 Rettenberger Bürger haben sich für ein Planfestellungsverfahren entschieden, was am Ende zum Bau einer Ortsumfahrung führen dürfte. 59% der Stimmen gingen an das Ja-Lager, 38% an das Nein-Lager und 3% der Stimmen waren ungültig. Die Wahlbeteiligung war mit 75,28% hoch. 1. Bürgermeister Nikolaus Weißinger deutete das Ergebnis als starkes Signal der Bürger. Gemeinsam mit dem Gemeinderat werde er nun versuchen, die Dinge schnell voran zu bringen und zeitnah mit dem Staatlichen Bauamt in Kontakt treten. Der Fokus der Arbeit liege nun bei der Suche nach geeigneten Ausgleichsflächen für die betroffenen Grundstückseigentümer. Am wichtigsten ist es Nikolaus Weißinger aber, dass der Frieden im Ort erhalten bleibt: „Erst müssen die Emotionen abkühlen, um optimale Lösungen zu finden."

Bernhard Bader von der Initiative „Zukunft Rettenberg":

„Vielen Dank an ALLE RETTENBERGER Mitbürgerinnen & Mitbürger für Ihre großartige Beteiligung an der Abstimmung über die Ortsumfahrung beim Ratsbegehren/Bürgerentscheid am 20.02.2022!!!
 Unser ganz besonderer Dank gilt unseren Mitbürgerinnen & Mitbürgern aus ALLEN GEMEINDETEILEN, die sich mit UNS für die Ortsumfahrung und damit für die Zukunft Rettenbergs entschieden haben!
Dafür sagen wir Euch herzlichst `Vergelt´s Gott!´
 59% Zustimmung zur Ortumfahrung sind für die BI `Zukunft Rettenberg-Die Bürgerinitiative´ eindeutiger Auftrag die Realisierung der OU mit Nachdruck voran zu treiben. Dazu gehört u. a. die umgehende Beauftragung des Staatlichen Bauamtes Kempten durch den Bürgermeister mit Unterstützung des Gemeinderat Rettenbergs mit der Aufnahme der Detailplanungen. Damit ist insbesondere auch gemeint die vollumfängliche Begleitung/Unterstützung des Entscheidungsprozesses mit allen seinen Terminen und Fristen durch unsere Bürgerinitiative, um etwaige Verzögerungen zeitnah zu erkennen und vermeiden zu helfen.
Dabei sieht sich unsere BI in der Pflicht alle Rettenberger zu vertreten, auch die, die bisher mit ihren Bedenken die OU ablehnen und mit Nein gestimmt haben! Gemeinsam werden wir versuchen für alle Betroffenen das Realisierbare zu verwirklichen und das Beste für alle Rettenberger herauszuholen.´´

Rettenberger Grüne bleiben beim deutlichen NEIN zur geplanten Ortsumgehung:

Rettenberg - Die Rettenberger Grünen bleiben nach intensiven Diskussionen der Mitglieder, des Vorstandes und der Gemeinderäte bei ihrem deutlichen Nein zu der geplanten Ortsumgehung. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist für den Ortsverband die Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage von MdL Thomas Gehring zu einer Tonnagebegrenzung auf der Staatsstraße. Danach hat das Landratsamt hier durchaus Handlungsspielräume für eine Begrenzung. Es müsse der unbedingte Wille aller Beteiligter sein, das ursächliche Hauptproblem - den Schwerlast- und Durchgangsverkehr - mit einer Tonnagebegrenzung zu lösen […] Mit allen damit verbundenen Rechtsstreitigkeiten könne es bis zur Fertigstellung laut staatlichem Bauamt durchaus 10 bis 15 Jahre dauern. Auch die sich verändernde Verkehrspolitik – Stichworte E-Mobilität und Klimaschutz - müsste stärker in die Entscheidung einfließen

Den Rettenberger Grünen ist die persönliche Situation einzelner Anwohner, an einer engen und viel befahrenen Straße zu leben, durchaus bewusst. Aus ihrer Sicht ist die so genannte “Lösung zum Nulltarif“ keine Lösung der Probleme. Vielmehr führe sie letztendlich zu einer noch größeren Verliererseite zu einem hohen Preis. Diese Haltung – „Reduktion des Schwerlastverkehrs im Ort auf das unbedingt notwendige Maß und Umgehungsstraße nur, wenn alle anderen Alternativen zur Reduzierung ausgereizt sind“ - sei von den Grünen schon zur Kommunalwahl so kommunizierte worden, so der Ortsverband […]

Eric Beisswenger, MdL, Vorsitzender des Arbeitskreises für Umwelt und Verbraucherschutz, Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz:

 Die Bürgerinnen und Bürger der Oberallgäuer Gemeinde Rettenberg haben sich am Sonntag in einem Ratsbegehren für eine seit Jahrzehnten diskutierte Ortsumfahrung ausgesprochen. Zwei Bürgerbegehren hatten für bzw. gegen die Ortsumfahrung gekämpft. Der Allgäuer Landtagsabgeordnete Eric Beißwenger zeigt sich erfreut, dass in Rettenberg die Bürgerbeteiligung so hochgehalten wird und hofft, dass der Dialog in der Gemeinde weitergeführt wird.

 "Seit mehr als 50 Jahren wurde das Thema Ortsumfahrung in Rettenberg leidenschaftlich diskutiert. Ein Teil der Bevölkerung wünschte sich mehr Sicherheit und Ruhe innerhalb des Ortes, da die Verkehrsbelastung wirklich sehr stark ist auf der schmalen Ortsstraße. Ein anderer Teil der Bevölkerung wehrte sich gegen den Bau einer neuen Straße, weil er einen zu harten Eingriff in die Natur ablehnt oder weil er für das Vorhaben einen Teil seines Landes abgeben muss", sagt der CSU-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Arbeitskreises für Umwelt und Verbraucherschutz Eric Beißwenger. Sein Lob geht an den Rettenberger Bürgermeister Nikolaus Weißinger und den Rettenberger Gemeinderat, dass sie den Mut hatten, das Thema nun endlich anzugehen und nach ausführlichen Informationen die Bürgerinnen und Bürger in einem Ratsbegehren über den Bau der Ortsumfahrung abstimmen zu lassen.

Der Gemeinderat hatte vor der Abstimmung versprochen, das Votum der Bürger, egal wie das Ratsbegehren ausgeht, zu akzeptieren. Nun heißt es also für die Gemeinde, die Planungen voranzutreiben und die Entscheidung umzusetzen. Von Seiten des Staatlichen Bauamtes ist die Ortsumfahrung als besonders dringend eingestuft. Die Kosten für den Bau der neuen Staatsstraße übernimmt der Freistaat, die Ortsdurchfahrt, die aktuell noch als Staatsstraße gilt, wird auf Kosten des Freistaates saniert werden und dann zu einer Gemeindestraße umgewidmet.

"Jetzt ist es wichtig im Gespräch zu bleiben", so der Landtagsabgeordnete weiter. „Ich hoffe, dass die Verhandlungen zwischen Bürgermeister und Grundstückseigentümern zu einem guten Abschluss führen. Die Gemeinde muss auf dem weiteren Weg zur Ortsumfahrung auch die 'Gegner' der Straße mitnehmen - für ein friedliches Miteinander in Rettenberg, für eine gemeinsame Zukunft."