Steht das Aus des Bargelds kurz bevor?

No Money, no problems?

Auch wenn gerade den Deutschen ihr Bargeld heilig ist: Digitale Zahlverfahren breiten sich immer weiter aus – auch einstellige Beträge im Supermarkt werden teilweise schon mit Kredit- oder Girokarte bezahlt. Zudem wird seit dem Start von Apple Pay und Google Pay das Smartphone verstärkt als Geldbörse genutzt. Wird Bargeld also in naher Zukunft komplett verschwinden?

In Schweden findet bereits eine Vorbereitung auf eine Zeit ohne Scheine und Münzen statt. Laut einem aktuellen Forschungsbericht scheint das Ende der Krone in Bargeldform sehr viel schneller einzutreten, als bisher angenommen wurde. Demnach soll bereits Anfang 2023 in Schweden gänzlich Schluss mit Bargeldzahlungen sein. Genauer gesagt, rentiert sich die Annahme von Bargeldzahlungen dem Bericht zufolge ab dem 24. März 2023 für die dortigen Händlerinnen und Händler nicht mehr – vorher wurde dies erst für 2030 prognostiziert.

Karte oder App statt Bargeld

Dabei war Schweden sogar das erste europäische Land, das im Jahr 1661 Banknoten druckte. Viele Aktivitäten werden dort – hingegen der historischen Tradition – nur noch mit Karte oder Bezahl-Apps auf dem Smartphone abgewickelt: Zahlreiche Restaurants, Geschäfte, Museen und andere Freizeitanlagen akzeptieren nicht einmal mehr Bargeld. Es ist auch weder in Bussen, auf Straßenmärkten, öffentlichen Toiletten oder bei der kirchlichen Kollekte zu finden.

Laut einer Studie der schwedischen Zentralbank sind die Bargeldabhebungen von 209 Millionen im Jahr 2013 auf 121 Millionen im Jahr 2017 zurückgegangen. Zu diesem Zeitpunkt kamen außerdem bereits zwei Drittel der Konsumenten gänzlich ohne Bargeld aus. Sehr beliebt in dem skandinavischen Land sind mobile Bezahl-Apps wie „Swish“ – eine gemeinsam von sechs dortigen Großbanken entwickelte App, mit der Zahlungen jeglicher Art rund um die Uhr innerhalb von Sekunden abgewickelt werden können. 

Länderspezifische Unterschiede

Ähnliche Entwicklungen wie in Schweden sind zwar beispielsweise auch in Dänemark oder Japan zu erkennen, für andere Länder gilt dies allerdings noch nicht. So steigt die Bargeldmenge weltweit pro Jahr um fünf Prozent. Im Nachbarland Österreich verwenden die Verbraucher laut einer Studie der Europäischen Zentralbank (EZB) nach wie vor bei mehr als 80 Prozent ihrer Einkäufe Bargeld. 

Die Deutschen gelten zwar ebenfalls als Verfechter des Bargelds, haben aber im vergangenen Jahr laut dem Handelsforschungsinstitut EHI im stationären Einzelhandel erstmals mehr 

Geld per Kredit- und Girokarte ausgegeben als in bar. Und selbst wenn der Marktanteil noch klein ist: Fast jede zehnte Girocard-Zahlung sei 2018 kontaktlos gewesen. Sogar in bisherigen Bargeld-Domänen wie beispielsweise Bäckereien wird auf diesem Weg bezahlt.

Auch das Zahlen per Smartphone breitet sich weiter aus. Beliebt ist dies vor allem bei Bus- und Bahntickets sowie Essens- und Taxibestellungen. Zudem senden immer mehr Personen per Handy Geld an Freunde und Familie. Kein Wunder: Karte und Geldbeutel hat man oftmals nicht dabei, das Handy eigentlich immer – sogar beim Joggen.

Wer ein Interesse an der Abschaffung hat

Zunächst einmal sind hierbei Zentralbanken zu erwähnen, die wegen der Schuldenkrise an niedrigen oder gar negativen Zinsen interessiert sind, weil diese eine geringe Schuldenlast bedeuten – was ohne Bargeld deutlich einfacher durchsetzbar wäre. Ähnliche Interessen hat der Staat, der eben auch Verflechtungen mit Zentralbanken und systemrelevanten Geschäftsbanken aufweist. 

Ohne Bargeld muss zudem kein Bank-Run (=Bank-Ansturm) befürchtet werden: Wenn das ganze Geld nur noch in digitaler Form auf den Konten liegt, wären auch Gebühren einfacher durchzusetzen – daher sind Geschäftsbanken ebenfalls Profiteure einer bargeldlosen Gesellschaft. Dies gilt auch für FinTechs (=Finanztechnologie), also Unternehmen, deren Geschäftsfeld der digitale Zahlungsverkehr im weitesten Sinne ist. Dazu zählen neben Anbietern elektronischer Zahlungssysteme wie e-Wallets, Bezahl-Apps oder Mobile Payment sowie Kreditkarten-Anbietern neuerdings auch Internet- und Computergiganten wie Apple Pay, Google Pay oder Facebooks „Libra“. 

Zudem haben Wirtschaft und Werbeindustrie ein Interesse an der Abschaffung, weil über Geldentwertung indirekt Konsumzwang ausgeübt werden kann und jede Finanztransaktion gespeichert und damit grundsätzlich verfügbar wird – die Idee des gläsernen Menschen könnte also Realität werden. Nicht zuletzt sind Überwachungs- und Kontrollbehörden zu nennen, die durch ein einfaches „Abdrehen des Geldhahns“ ganz einfach neue (Sanktions-) Möglichkeiten hätten.

Bargeldverbot: Was genau heißt das?

Könnte Bargeld denn eigentlich einfach so verboten werden? Der Begriff „Bargeldverbot“ kam vor einigen Jahren in das öffentliche Bewusstsein, als Initiativen wie „stop-bargeldverbot.de“, „Volkspetition Bargeldverbot stoppen“, „Verein Pro Bargeld“ oder Buchtitel wie „Achtung Bargeldverbot“ die Öffentlichkeit zum Thema sensibilisierten. Der Begriff Bargeldverbot ist aber eher plakativ: Ein Verbot suggeriert, dass etwas mit einer Strafe behaftet ist. Bargeld an sich steht aber nicht unter Verbot, dies ist auch kurzfristig nicht zu erwarten – vielmehr scheint eine Abschaffung realistischer.

Im schwedischen Einzelhandel werden bereits sechs von sieben Zahlungen elektronisch getätigt.

Wann und wie könnte Bargeld abgeschafft werden?


Generell wäre dies ein langwieriger Prozess mit vielen kleinen Schritten. Dabei soll Bargeld zunächst unattraktiv und unpraktisch gemacht werden – und irgendwann wird es dann ganz abgeschafft. Ein Beispiel ist der 500-Euro-Schein: Er wird zwar bisher noch akzeptiert, aber nicht mehr neu herausgegeben und dadurch langsam aus dem Verkehr gezogen. 

Nach dem sukzessiven Abschaffen großer Banknoten könnten also zunächst die Obergrenzen für Barzahlungen verschärft und die Bargeld-Annahmepflicht bei wichtigen Dienstleistungen schrittweise aufgehoben werden. Danach fände eine Verschärfung von Abhebungsbeschränkungen bei Bankkonten statt, zum Schluss würden dann sogar extra Gebühren und Steuern auf die Nutzung von Bargeld erhoben.

Die Vorteile

Das Hauptargument der Befürworter einer Gesellschaft ohne Bargeld: Es gibt mehr Transparenz – in vielerlei Hinsicht. Zum einen wäre es sehr viel schwieriger, korrupte Machenschaften und Schwarzarbeit abzuwickeln, zum anderen wäre es erheblich einfacher, die Wirtschaft in Krisenzeiten anzukurbeln.

Das oftmals als unhygienisch angesehene Bargeld müsste außerdem nicht mehr im Safe gesichert oder herumgetragen werden. Da man zwangsläufig auf Bankkonten angewiesen wäre, wird der klassische Sparstrumpf unter der Matratze zum Horten von Geld in Zeiten schlechter Zinsen also hinfällig. Ökonomen gehen davon aus, dass die Menschen bei fehlenden oder negativen Zinsen ihr Geld vermehrt ausgeben und damit die Konjunktur ankurbeln würden. Darüber hinaus kostet Bargeld an sich etwas – so fallen neben Produktionskosten auch Energie- und Personalkosten an, die immer weiter ansteigen.  

Die Nachteile

Allerdings dürfen auch die negativen Aspekte einer bargeldlosen Gesellschaft nicht vernachlässigt werden. So hätten beispielsweise ältere Personen, Menschen mit einer Behinderung sowie neu Zugewanderte mit erschwertem oder keinem Zugang zu elektronischen Zahlungsdiensten das Nachsehen.

Nachteilig für alle wäre darüber hinaus die hohe Abhängigkeit von privaten Akteuren im Zahlungsverkehr: Die Geldinstitute könnten nämlich auch bei positiven Zinssätzen hohe Gebühren für Kontoverwaltung und Einlagen verlangen. Zudem ist die technische Abhängigkeit um einiges höher – Internetausfälle, Serverabstürze und großflächige Stromausfälle könnten die Gesellschaft schnell zum Stillstand bringen.

Das Argument, wonach es ohne Bargeld keine Banküberfälle mehr geben würde, kann direkt entkräftet werden. So scheint es wahrscheinlich, dass einfach Hacker diese Rolle übernehmen würden. Auch Datenschützer sehen ein komplett bargeldloses Zahlen sehr kritisch. Wenngleich die Kosten für Bargeld nicht von der Hand zu weisen sind, sind Entwicklung, Unterhalt oder Sicherungsmaßnahmen für Produkte des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ebenfalls nicht gänzlich kostenfrei. Zudem könnte das ohnehin angeschlagene Vertrauen in Geld und Staat vollkommen verloren gehen, wenn Bargeld zwangsweise entwertet oder ganz abgeschafft werden würde.

Fragwürdige Sicherheit

Speziell Verbraucher schätzen beim bargeldlosen Bezahlen laut einer Statista-Umfrage von 2017 vor allem die hohe Flexibilität, den Komfort sowie die Schnelligkeit und die Sicherheit bei hohen Beträgen. Gleichzeitig standen Sicherheitsbedenken bei einer weiteren Umfrage von 2017 zu den Hindernissen von bargeldlosem Bezahlen an zweiter Stelle, die mangelnde Ausgabenkontrolle sowie Datenschutzbedenken oder die lange Dauer sowie Extra-Gebühren waren weitere kritisch gesehene Aspekte.

Fazit: Bargeld bleibt (vorerst)

Den meisten Europäern ist ihr Bargeld also weiterhin heilig: In Österreich soll das Recht auf Bargeld demnächst sogar in der Verfassung abgesichert werden! Allerdings wird die Akzeptanz des bargeldlosen Zahlungsverkehrs auch immer weiter ansteigen – vor allem die sogenannten „Digital Natives“ haben ohnehin wenig Vorbehalte dagegen und sind eben größtenteils damit aufgewachsen. Da trotzdem noch sehr viel Widerstand vorhanden ist, scheint eine Abschaffung von Bargeld zumindest auf kurze Sicht eher unwahrscheinlich.

Es gibt zahlreiche Institutionen und Gruppen, die ein Interesse an der Abschaffung von Bargeld haben.

Text: Vera Mergle