Vegane Ernährung: Argumente für und gegen eine pflanzliche Ernährung

Trend oder Ernährung der Zukunft?

Aus gesundheitlichen, ethischen oder ökologischen Gründen geht in den letzten Jahren der Trend immer mehr in Richtung pflanzlich betonter Kost. Die Diskussion um vegane Ernährung und ihre Pros und Contras sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

PRO: 

Matthias Rohra
(Geschäftsführer Deutschland bei ProVeg International)

Matthias Rohra steht als Geschäftsführer von ProVeg Deutschland auf der Pro-Seite und wird uns seinen Standpunkt in Bezug auf Veganismus genauer erklären. 

Ist es moralisch vertretbar, Tiere für den Genuss zu töten?

Das Wohl der Tiere ist gerade unter jungen Menschen oft der Anstoß für eine pflanzliche Ernährung. Einige große Discounter haben nun gezeigt, wie gesellschaftsfähig der Blick aufs Tierwohl auch in der Breite ist: Sie wollen nur noch Fleisch höherer Haltungsklassen anbieten und verändern damit bereits unser Ernährungssystem. Wir haben uns als Gesellschaft also längst geeinigt, dem Wohl der Tiere einen höheren Stellenwert zu geben – unsere Moralvorstellungen und unsere Vorstellungen von Genuss wandeln sich. Das betrifft die gesamte industrielle Tierhaltung. Denn sie bedroht auch die Umwelt und das Klima und bietet Erregern, aus denen die nächste Pandemie erwachsen könnte, einen Hort. Tier- und Menschenwohl gehen bei der Ernährung also Hand in Hand.

Hat eine vegane Ernährung negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit?

Im Gegenteil, eine ausgewogene und abwechslungsreiche pflanzliche Ernährung ist sehr gesund: Mit der Umstellung essen viele mehr Obst und Gemüse, schauen genauer auf ihre Lebensmittel und vermeiden verarbeitete Produkte mit vielen Transfetten. Die Menschen reduzieren den Konsum tierischer Produkte deshalb häufig gerade der Gesundheit zuliebe, etwa zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes. Die Formel Kohlenhydrate + Protein + Gemüse sorgt bei genügend Abwechslung bereits für einen sehr ausgewogenen Speiseplan. Da Gemüse heute gründlich gewaschen in den Handel kommt, befindet sich auf ihm kein B12 mehr. Hier hilft schon der Gebrauch einer B12-Zahnpasta. Pflanzliche Ernährung stärkt also tatsächlich meist die Gesundheit.

Sind Klimaschutz und Fleischkonsum vereinbar?

Unsere Ernährung macht beim Klimaschutz einen gewaltigen Unterschied: Rund drei Viertel unserer Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft stammen aus der Tierhaltung. Wer sich pflanzlich ernährt, kann seine eigenen ernährungsbedingten Emissionen nahezu halbieren. Die Klimaschutzkonferenz in Glasgow hat deshalb erstmals für alle angebotenen Speisen den CO2-Fußabdruck ausgewiesen. Raten Sie mal, wie die pflanzlichen Angebote abgeschnitten haben? Der Griff zu Fleischalternativen ist also praktisch gelebter Klimaschutz. Wir können damit einen wirklichen Unterschied machen!

Ist die vegane Ernährung die Ernährung der Zukunft?

Die pflanzliche Ernährung wird definitiv weiter an Bedeutung gewinnen. Die Menschen werden sich aber auch künftig entscheiden können, ob sie tierische Produkte essen möchten: Dank der Zellkultivierung gibt es bald Fleisch, Fisch und Milch ganz ohne Tierhaltung! In Singapur bietet ein Restaurant bereits zellkultiviertes Hühnerfleisch an, in den USA ist zellkultiviertes Speiseeis auf dem Markt. Auch in Europa wird es sicherlich bald Kombinationen geben, zum Beispiel pflanzliche Produkte mit zellkultiviertem Tierfett – für die Saftigkeit und den authentischen Fleischgeschmack. Ich bin schon sehr gespannt auf meine erste Kostprobe!

CONTRA: 

Steffen Schütze
(Metzgermeister, Fleischsommelier, Geschäftsführer der Metzgerei Hack in Freising)

Die vegane Bewegung hat in den letzten Jahren eine unglaubliche Entwicklung hingelegt. Gleichzeitig argumentieren viele „Fleischesser“ damit, dass dadurch andere wichtige Bereiche vernachlässigt werden. Ist die vegane Ernährung vielleicht nur eine Modeerscheinung und richtet sie vielleicht doch mehr Schaden an, als sie Nutzen hat? Steffen Schütze erklärt, wie er als Metzger zu dem Thema Veganismus steht und zeigt uns seine Sicht der Dinge auf. 

Ist es moralisch vertretbar, Tiere für den Genuss zu töten?

Moralisch vertretbar ist es aus meiner Sicht schon, denn Fleisch / Fleischerzeugnisse zählen zur ausgewogenen menschlichen Ernährung. Dennoch sollten wir uns über einige Punkte Gedanken machen:

  • Für meinen Fleischgenuss musste ein Tier sterben, ist mir das bewusst?
  • Woher kommt das Tier und wie wurde es gehalten?
  • Wo und wie wurde das Tier geschlachtet?
  • Das ganze Tier ist ein Edelteil und besteht nicht nur aus Filet und Lende, bin ich bereit, auch andere Teilstücke zu verarbeiten z.B. die Knochen für Suppe?


Wenn ich mir darüber bewusst bin und dies mit meinem Gewissen vereinbaren kann, steht dem Genuss nichts im Wege. Fleisch ist in unserer Gesellschaft viel zu anonym, es muss mehr über diese Punkte aufgeklärt werden. Wo kommt das Tier her, wie wurde es gehalten, was hat es gefressen, wie wurde es geschlachtet und verarbeitet.

Hat eine vegane Ernährung negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit?

Die Ernährungswissenschaft ist sich einig, dass eine rein vegane Ernährung für Schwangere, Kinder, Jugendliche in der Wachstumsphase nicht zu empfehlen ist. Als gesunder Erwachsener solltest Du bei einer veganen Ernährung über einen längeren Zeitraum unbedingt Nahrungsergänzungsmittel (z.B. Vitamin B12) zu Dir nehmen, da sonst Mangelerscheinungen auftreten können, die zum Teil auch irreparabel sind. Es ist wichtig auf eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung zu achten, Lebensmittel zu kombinieren damit unser Körper die im Fleisch und Pflanzen enthaltenen Vitamine und Nährstoffe verarbeiten und aufnehmen kann.

Sind Klimaschutz und Fleischkonsum vereinbar?

Es gibt nicht nur schwarz oder weiß, sicher ist das der weltweite Fleischkonsum viel zu hoch (vor allem in den westlichen Ländern). Wenn jeder seinen Fleischkonsum reduziert oder sogar nur halb so viel Fleisch isst, reicht es für eine ausgewogene Ernährung leicht aus und die CO² Belastung fällt niedriger aus. Das wäre ein erster Schritt und einfacher umzusetzen als einem Fleischliebhaber sein Schnitzel wegzunehmen. Wichtig ist auch nur wenig oder gar nicht verarbeitete Lebensmittel zu verwenden, denn jeder industrielle Verarbeitungsprozess ist mit hohem Energieaufwand und Emissionen verbunden

Ist die vegane Ernährung die Ernährung der Zukunft?

Ich finde eine Mischung aus allem sollte es sein, man muss sich nicht entscheiden, ob man zu den Vegetariern oder Fleischessern gehört. Sich zu ernähren kann für uns Menschen einfach sein, da wir als Allesesser alles essen können, was für uns verwert- und genießbar ist. Wir gelten als „Omnivore“, sodass uns eine reichhaltige Auswahl pflanzlicher und tierischer Nahrungsmittel zur Verfügung steht, die uns täglich mit allen notwendigen Nährstoffen versorgen kann. Für mich ist die Ernährung der Flexitarier die Vernünftigste, denn die Dosis macht das Gift. Der Konsument muss Fleisch wieder als etwas Besonderes ansehen und nicht als Billigware, die in Massen produziert wird. Wir selbst arbeiten an Alternativen zum Fleisch, die nicht nur den Veganern schmecken, sondern auch den Fleischessern.

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