Vom freien Platz zum grünen Wohnzimmer?
Die Idee von Bäumen auf dem Augsburger Rathausplatz und wie sich daran die Geister scheiden.
Der Augsburger Rathausplatz ist heute einer der bekanntesten Orte der Stadt – ein offener Raum mit Blick auf die prächtige Renaissancefassade des Rathauses. Doch dieser Platz ist keineswegs historisch gewachsen, sondern ein Produkt des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Über Jahrzehnte hinweg war Begrünung hier kein Thema. Im Vordergrund stand stets der ungestörte Blick auf das historische Rathaus und die Nutzung des Platzes für große Veranstaltungen wie den Christkindlesmarkt. Erst mit dem wachsenden Bewusstsein für Klimaanpassung und Aufenthaltsqualität rückte die Idee von Bäumen am Rathausplatz ins Blickfeld. Visualisierungen zeigten, dass eine Begrünung möglich wäre, ohne den Charakter des Platzes zu beeinträchtigen. Aber auch die zentralen Veranstaltungen das Jahr über? Genau zu dieser Frage gibt es unterschiedliche Ansichten, Meinungen und Begründungen. Marion Buk-Kluger sprach mit dem 1. Vorsitzenden der Altaugsburggesellschaft, Sebastian Berz zu seiner Sicht der Thematik. Und traf auch Manuela Müller-Manz , 1. Vorsitzende im Bayerischen Landesverband der Marktkaufleute und Schausteller e.V..
„Wir Marktkaufleute sehen natürlich, dass der Rathausplatz im Sommer aufheizt. Das Wasserspiel für die Kinder ist eine klasse Sache und natürlich muss man mehr Schatten schaffen. Die Frage ist allerdings, muss dafür bepflanzt werden?“, so Manuela Müller-Manz , 1. Vorsitzende im Bayerischen Landesverband der Marktkaufleute und Schausteller e.V..
Konkret denkt sie an andere Schattenspender wir transportable Segel und/oder Büsche und Bäume. Ihr und ihren Kollegen und Kolleginnen ginge es um die Grundstruktur des Platzes. Schließlich habe man, gerade die Betreiber des Christkindlesmarktes, eine optimale Infrastruktur für die Versorgung der Stände geschaffen, und dies aus eigener Tasche. „Wir sind hier in Augsburg richtig gut, es gibt keine Überfahrbrücken in den Gassen mehr. Alles, Kabel, Zuwasser, Abwasser, beheizbare Schläuche, notwendig im Winter, verschwindet im Boden.“ Dies alles ist aber auch verbunden mit einem konkreten Plan, wo genau die Stände aufgebaut sind. Bei einer Baumsetzung verändere sich jedoch die Aufstellsituation.
Gibt es also Alternativen der Platz-Kühlung für die Befürworter der Idee „Bäume auf dem Rathausplatz“, wollten wir vom 1. Vorsitzenden der Altaugsburggesellschaft, Sebastian Berz wissen: „Die Wirkung von Bäumen kann nicht annähernd durch technische Mittel erzielt werden. Schirme und Dächer bilden zwar Schatten, liefern jedoch keine Verdunstungskühlung. Zunehmend wird Anlagentechnik zur Verdunstung oder Vernebelung von Wasser in sogenannten Klima- Inseln bereitgestellt. Erdverwurzelte Bäume sind hingegen eine lebendige und die wirtschaftlichste Alternative. Sie erübrigen extrem aufwändige und überwiegend gestalterisch unbefriedigende technische Lösungen, die mit der Denkmalpflege nur schwer zu vereinbaren sind.“
Inzwischen hat auch die Stadtpolitik das Thema für sich entdeckt. CSU, Grüne, SPD/Linke und die Bürgerliche Mitte haben im Stadtrat eine Machbarkeitsstudie angestoßen. Es geht um Fragen des Denkmalschutzes, aber auch um das Klima. Experten bestätigen: Bäume könnten das Mikroklima deutlich verbessern. Ob es dazu Bäume auf dem Rathausplatz braucht, wird sich zeigen. Die Marktkaufleute befürchten, dass die Attraktivität des Marktes schwinden würde, wenn durch die Bäume eine Reihe an Ständen verschwinden müsste. „Zu uns kommen viel Menschen, da wir durch das breite Angebot an Waren begeistern und wir eben für diese Beschicker Raum und weiterhin Platz für deren Stände brauchen. Vergessen darf man auch nicht, die tägliche Notwendigkeit von ausreichend Platz etwa für Anlieferungen, nicht nur während des Christkindlmarktes“, so Manuela Müller-Manz.
Und hier ist das ganze Interview mit Sebastian Berz, dem 1. Vorsitzenden der Altaugsburggesellschaft, das seine Sicht der Thematik wiedergibt (Anmerkung!)
1. Warum ist die Begrünung des Rathausplatzes wichtig? Und wie passt dies in die Gesamtphilosophie Begrünung der Innenstadt?
BERZ: Der heutige Rathausplatz ist das Ergebnis einer im Jahr 1962 durch den Willen der Bürger entstandenen städtebaulichen Maßnahme. Der im historischen Stadtgrundriss bebaute Bereich wurde nach dem 2. Weltkrieg zunächst für eine Neubebauung freigeräumt. In einem der ersten Bürgerbegehren kämpften die Augsburger für einen „freien Rathausplatz“ mit dem heutigen Rundblick. Allerdings sprach sich schon damals eine große Zahl für einen Platz mit „viel Grün“ aus. Dieser Wusch blieb bedauerlicher Weise über 60 Jahre lang unerfüllt. Doch der Rathausplatz muss als Mitte der historischen Altstadt auch in Zukunft hohe Aufenthaltsqualität besitzen. Dies ist mit einer grünen Kulisse, wie wir sie 2023 vorgeschlagen haben, hervorragend zu bewirken. Die Denkmalpflege hat der von uns vor drei Jahren erarbeiteten Lösung sehr gerne zugestimmt, da die historischen Gebäude durch Bäume in ihrer Wirkung gewinnen. Dies ist ein wichtiges Argument unserer Philosophie, von der Sie sprechen. Anstatt Augsburg zu begrünen folgten die Stadtplaner in den vergangenen 15 Jahren dem Paradigma der steinernen Stadt. Diese Sichtweise ändert sich angesichts des Klimawandels vollständig.
2. Wäre ein Ausschluss der Rathausplatz-Begrünung durch Bäume gleich zu setzen mit einem Scheitern der Idee oder reichen auch Pflanzungen an anderer Stelle?
BERZ: Die Idee der intensiven Begrünung unserer City kann nicht scheitern. Es geht um das existenzielle Bedürfnis aller nach gesunden Lebensverhältnissen und nach angenehmer Atmosphäre. Je umfassender die Entsiegelung von Asphaltflächen und Betonplätzen erfolgt, desto erfolgreicher gelingt die Transformation der zentralen Innenstadt von einem überwiegend kommerziellen Zentrum zum urbanen Lebensraum mit harmonischen Straßen und Plätzen. Der klimatische Effekt durch eine Bepflanzung mit Großbäumen liegt erstens in der Wirkung des Schattens, den Bäume mit großer Krone werfen, und zweitens in der Abkühlung um ca. 10° Celsius, die durch die Verdunstungsleistung der Pflanzen entsteht. Die begrünten Plätze sind idealerweise durch ein Netz von verschatteten Wegen mit einander verknüpft. Ein solches Netz haben wir für die Augsburger City erarbeitet.
3. Welche Alternativen der Platz-Kühlung könnten Sie sich vorstellen?
BERZ: Die Wirkung von Bäumen kann nicht annähernd durch technische Mittel erzielt werden. Schirme und Dächer bilden zwar Schatten, liefern jedoch keine Verdunstungskühlung. Zunehmend wird Anlagentechnik zur Verdunstung oder Vernebelung von Wasser in sogenannten Klima- Inseln bereitgestellt. Erdverwurzelte Bäume sind hingegen eine lebendige und die wirtschaftlichste Alternative. Sie erübrigen extrem aufwändige und überwiegend gestalterisch unbefriedigende technische Lösungen, die mit der Denkmalpflege nur schwer zu vereinbaren sind. Wirksamste Ergänzung einer lebenden Grüninsel ist in jeder Weise fließendes Wasser, da unmittelbare Verdunstungskühlung entsteht. Die altaugsburggesellschaft setzt sich aus diesem Grunde aktiv für den Erhalt der zahlreichen Brunnen in der Augsburger Innenstadt ein. Für den Augustusbrunnen regen wir beispielsweise den Einbau der historischen Wasserspiele des Lucas Kilian an. Als rhythmisch explodierendes Fontänenfeld aus dem von Figuren umrahmten Brunnenbecken kann es eine kleine Attraktion werden und eine Klima-Insel der besonderen Art darstellen.
4. Wie ordnen Sie die Bedenken der Marktkaufleute ein?
BERZ: Wir haben uns vor der Entwicklung des Bepflanzungskonzeptes für den Rathausplatz mit den Bedingungen der Marktkaufleute auf dem Christkindlesmark befasst, um einen politisch akzeptablen Vorschlag unterbreiten zu können. Denn der Markt liegt uns sehr am Herzen. Wir richten als Verein alljährlich die Weihnachtskrippe ein, und das beliebte Engelesspiel, das überregional beworbene Zugpferd des Marktes, wurde 1977 vom damaligen ersten Vorsitzenden der altaugsburggesellschaft entwickelt. Umso bedauerlicher ist es, dass ein Gespräch mit den Marktkaufleuten über die Planung zur Begrünung nie zustande kam. (Anmerkung: Nach unseren Recherchen bei den Marktkaufleuten gab es diese Gespräche sehr wohl, führten aber zu keinem Ergebnis noch Verständnis für deren Perspektive) In Straßenmärkten sehen wir ganzjährig großes Potenzial für die Innenstadt. Wir fordern daher die Ergänzung des Straßenbahnnetzes in der City als City-Ring um die Altstadt. Es sollte ausgehend vom Rathausplatz eine attraktive Stadtfestzone entwickelt werden, in deren Bereich für viele Veranstaltungen, wie beispielsweise für den Kinderfasching rund um Rathaus und Perlach oder im Sommer für die Weinstraße auf der Maximilianstraße wirtschaftlich vertretbare und gestalterisch integrierte Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden können.
5. Was wünsche Sie sich in diesem Zusammenhang von den Poltischen Akteuren der Stadt?
BERZ: Um es frei zu sagen, wünschen wir uns mehr Einsicht und mehr Mut bei den wichtigen Themen der Klimaanpassung. Wer ernsthaft behauptet, in der Maximilianstraße und auf dem Rathausplatz bestehe kein Handlungsbedarf, auch wenn sämtliche Analysen diese Zonen als extrem gefährdet ausweisen, der stiehlt uns allen, und vor allem unseren Kindern wertvolle Zeit. Um beherzte Entscheidung zu fördern werden wir zur Kommunalwahl 2026 unsere Themen breit kommunizieren. Dies kann ein Bürgerbegehren einschließen, das zum Ziel hat, dem sogenannten „Radvertrag“ vergleichbare Verhandlungen zugunsten von mindestens 7000 Bäumen in der Kernstadt herbeizuführen. Grundlage für die Umsetzung muss eine gesicherte Finanzierung sein, die ohne klare politische Willensbildung niemals beschlossen würde. Wer Gründe sucht, weshalb die Bauverwaltung bisher erheblich zur Verzögerung der Begrünung des Rathausplatzes beigetragen hat, dem können wir keine befriedigende Auskunft geben.