Bauch über Herz: Kolumne über Familie und andere Abenteuer

Geschwister

Als ich noch sehr klein war, hat meine Oma mir mal erzählt, dass sie unbedingt ein Geschwisterchen wollte und darum versucht hat, den Storch mit Zucker auf der Fensterbank anzulocken. Ob diese Geschichte so stimmt, wage ich heute zu bezweifeln. Aber damals kam mir gleich in den Sinn, dass dies ja auch umgekehrt funktionieren müsste und ich einfach Seife auf der Fensterbank verteilen sollte, damit der Storch abrutscht und mein angekündigtes Brüderchen einfach ein Stockwerk tiefer abgibt. Immerhin wurde meinem Kaninchen ein ganz ähnliches Schicksal angedroht, falls es noch einmal die Terrassenmöbel anknabbern würde. Nicht falsch verstehen, ich fand es toll, einen Bruder zu haben, aber ich hatte halt schon einen und hätte dazu einfach lieber einen Welpen gehabt.

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Bild: Dora Rauch
Heute sind die Kinder natürlich etwas aufgeklärter – Und so meinte meine Große einfach nebenbei „Mama, wenn das Baby da ist, lass dir doch so eine Spirale verschreiben, nicht, dass da noch eines kommt.“
 
Woher weiß sie sowas?
 
Oder ist sie einfach schon ein Google-Tracker und meint, sie muss mich aufklären? Immerhin hätte sie irgendwann auch gerne einen Hund. Manche Dinge ändern sich also und andere nie!
 
Ich würde auch sagen, dass meine Geschwister und ich relativ wenig Ähnlichkeiten aufweisen. Ich habe mir, um ehrlich zu sein, auch nie Gedanken darüber gemacht, ob das bei meinen eigenen auch so sein könnte.
 
Was meine beiden Kinder aber schon vor ihrer Geburt gemeinsam hatten: Sie sitzen gerne rum und zwar in meinem Bauch. Da kann ich mich dann auf den Kopf stellen und sämtliche Yogaübungen bei Sonnenuntergang zelebrieren – Da tut sich nix!
 
Wenn sich sowas wiederholt, liegt es eigentlich nicht an den Kindern, sagt der Arzt, na vielen Dank, ich habe verstanden. Also Kaiserschnitt Nummer zwei.

Da dies mein erster Kaiserschnitt sein würde, den ich auch mitbekommen sollte, war ich zugegeben etwas (sehr) nervös. Als die PDA endlich wirkte und alle „Smalltalk-Höflichkeiten“ ausgetauscht waren... „Oh sie sind aber schon schön braun“, „Oh vielen Dank“, „Wohin geht es in den Urlaub?“ ...stand endlich der große Augenblick kurz bevor...
 
Trommelwirbel... Überraschung das Kind ist... dieser Moment sollte in die Geschichte eingehen, als der Moment, über den meine Schwester später sagen wird. „Oh Mann, warum bist du so langweilig, hättest du dir nicht ein Tränchen verdrücken und etwas vom Konzert beim Ed stammeln können? Nur um die Gesichter zu sehen.“
 
Das Kind ist rothaarig und sehr, sehr hellhäutig – Schneewittchen würde vor Neid erblassen (falls das überhaupt möglich ist).
 
Ich habe mittel- bis dunkelbraunes Haar wie meine Tochter. Und auch der Papa ist dunkelhaarig. In unserer Familie sind eigentlich alle recht durchschnittlich mit braunen Augen und Haaren dazu Hauttyp 2,5 bis 3,5.
 
Plötzlich höre ich eine leise kichernde Stimme von rechts hinten „Brauchen wir etwa eine Ausrede für den Papa hihi“. Ich fand das ziemlich witzig, lag wohl an den Medikamenten oder der Aufregung. Die operierende Ärztin hätte uns mit Sicherheit gerne mit dem Gummihammer in die Vollnarkose verfrachtet. Aber zweifelsohne ein unvergesslicher Moment.

Es dauerte dann genau fünf Minuten, bis die erste Freundin auf die freudige Nachricht antwortete: „Sag mal, wieso sieht das Baby so aus, als hättest du ein Techtelmechtel mit einem gewissen britischen Sänger gehabt?“
 
Ja, gute Frage, wenn man vom Musikhören neuerdings nicht schwanger werden kann, ist das halt ausgeschlossen? Verdammt ich hätte im Biounterricht eindeutig besser aufpassen sollen.

Auch ist der Kleine schon mit knapp einem Monat ein echter Charmeur, während die Große in dem Alter cool bleiben und erstmal die Lage Checken favorisierte – nur weil sich da einer zum Affen macht, muss ich mich ja nicht gleich vor Lachen überschlagen.
 
Und dann ist es irgendwann 22 Uhr, und nein, das Baby ist nicht im Traumland! Der Charmeur hat Platz gemacht für einen nörgelnden und quengelnden Zeitgenossen, der im Fliegergriff durch die Wohnung getragen werden möchte, stehenbleiben oder sogar hinsetzen? Streng verboten. Und ich frage mich, kommt mir das jetzt bekannt vor. Schon irgendwie. In mancher Hinsicht sind die beiden wohl doch gleich, und von wem haben die das nur? Von mir? Auf keinen Fall ;-)