Demografischer Wandel: Folgen für den Arbeitsmarkt

Bis zum Jahr 2060 soll die Geburtenrate auf 1,4 schrumpfen

Die Textpassage „Ich weiß es nicht, doch ich frag es mich schon: Wie hast du mich gefunden? Einer von 80 Millionen“ stammt aus dem Lied „80 Millionen“ von Max Giesinger . Wenn wir kleinlich sind, dann müsste es heißen „einer von 82,8 Millionen“. Es leben durch die Zuwanderung der Flüchtlinge so viele Menschen wie noch nie in Deutschland. Laut einer Prognose braucht Max Giesinger in Zukunft nicht mehr so gründlich zu suchen, denn unsere Bevölkerung soll nun stetig abnehmen, bis wir im Jahr 2060 bei rund 73 Millionen Einwohnern liegen.

Was hat das alles mit dem demografischen Wandel zu tun? Und mit unserer Arbeitswelt? Eine ganze Menge: Bevölkerungsentwicklung – so lässt sich der Begriff „Demografischer Wandel“ in einem Schlagwort darstellen. Alles verändert sich, vor allem das Zahlenverhältnis von Männern und Frauen, und die Entwicklung der Anzahl von Inländern, Ausländern und Einbürgerungen. Die Veränderungen der Altersstruktur, die Geburten- und Sterberaten und zu guter Letzt die Fort- bzw. Zuzüge prägen nicht nur die Struktur unseres Landes, sondern auch die unseres Arbeitsmarktes. Und dieser muss sich nicht unerheblich auf die kommenden Zeiten anpassen.

Unsere Bevölkerung veraltet

Gegenwärtig profitiert Deutschlands Arbeitsmarkt von den stark besetzten Jahrgängen der Babyboom-Generation (1955-1969). Allerdings steigt die Anzahl der Personen, die 60 Jahre und älter sind stetig an, während sich parallel dazu der Anteil der unter 20-Jährigen verringert. Die seit Mitte der 1970er-Jahre anhaltend niedrigen Geburtenziffern und die beständig steigende Lebenserwartung haben zu einer drastischen Veränderung des Größenverhältnisses zwischen den Generationen geführt. Unsere Bevölkerung altert und die jungen Nachrücker, die zu den vielversprechenden Fachkräften für die Arbeitswelt zählen, werden immer weniger. Wir Deutschen kriegen für eine ausgeglichene Geburtenbilanz (Zahl der Lebendgeborenen abzüglich der Zahl der Sterbefälle) einfach nicht genügend Kinder. Zurzeit liegt der Durchschnitt bei 1,5 Kinder pro Frau. Um unsere Bevölkerung zu sichern, benötigen wir allerdings 2,1 Kinder.

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Politik und Wissenschaft befassen sich unter anderem mit zwei problematischen Aspekten des demografischen Wandels:
1. Fehlendes, junges Potenzial für die Arbeitswelt
Die Altersgruppe der 15 bis 29-Jährigen ist ungemein wertvoll für unseren Arbeitsmarkt, da in diesen Altersjahrgängen Studium, Meisterausbildung und andere weiterführende Ausbildungen stattfinden. Diese Gruppe bildet die Wettbewerbskompetenz des zukünftigen Arbeitsmarktes. Es wird befürchtet, dass ihr Rückgang das Innovationspotenzial in der Bundesrepublik Deutschland gefährden könnte. Junge, taffe und wissbegierige Menschen sind der Dynamo für unsere Wirtschaft und liefern in unseren Unternehmen das nötige Know-How. Würde dieser „Strom an neuem Wissen“, den die Betriebe kostenlos aus dem staatlich finanzierten Bildungssystem werben können, in großer Zahl wegfallen, so fehlt den Betrieben das nötige Fachwissen in den künftigen Belegschaften.

2. Die übermäßig steigende Anzahl der 50+ Jährigen
Diese wird als bedrohlich betrachtet, da der älteren Generation nach einem weit verbreiteten Vorurteil geminderte Leistungsfähigkeit unterstellt wird und dies den Wettbewerb in der Unternehmensbranche gefährden könnte. Außerdem seien junge Menschen weitaus offener, lernbereiter und flexibler, was gerade in Zeiten des technologischen Marathon-Fortschritts eine ernstzunehmende und notwendige Eigenschaft darstellen würde. 

In Lösungen denken

Projekte 50+
Die Politik beginnt, diesem Problem der wachsenden Arbeitslosigkeit Älterer verstärkt ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Einige Bundesländer haben in den letzten Jahren spezifische Programme zur Reintegration ältere Menschen in den ersten Arbeitsmarkt aufgelegt.
Bayern hat im Rahmen seines Beschäftigungspaktes inzwischen begonnen, eine ganze Reihe von Projekten durch den „Arbeitsmarktfonds“ zu fördern, die gezielt auf die Probleme älterer Arbeitnehmer abzielen und auch mit einem gewissen experimentellen Charakter verschiedene Instrumente und Zielgruppen unter diesen Arbeitnehmern testen.

Lebenslange Bildung fördern 
Bildung ist wichtig für alle Altersgruppen, die Investition in Bildung zahlt sich immer aus. Jugendliche, die ihren Schulabschluss schaffen, Arbeitslose, die sich qualifizieren, Menschen in Betrieben, die sich regelmäßig weiterbilden: All diese Menschen können zu Fachkräften werden. Hinzu kommt, dass die Bildungschancen junger Menschen aus sogenannten bildungsfernen Elternhäusern erheblich verbessert werden müssen.

Reformierung des Gesundheitswesens
Damit ältere Menschen auch im hohen Alter in der Lage sind produktiv zu sein, muss ihre Gesundheit bereits sehr früh gefördert werden. Des Weiteren sind Unternehmen und Betriebe dazu aufgefordert, die Arbeitsbedingungen auf ältere Arbeitnehmer anzupassen. Dies bedeutet unter anderem die Veränderung der Arbeitszeiten und- abläufe. Ältere Arbeitnehmer müssen nach ihren Fähigkeiten und ihren körperlichen Leistungsvermögen so eingesetzt werden, dass die Produktivität und Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens weiterhin gewährleistet wird.

Die neue Elite
In den allgemeinbildenden Schulen sollten mehr Schülerinnen und Schüler ein höheres Kompetenzniveau erreichen. Generell müssen so viele Menschen wie möglich durch Berufsausbildung oder Studium auf anspruchsvolle Berufstätigkeiten vorbereitet und mit attraktiven Angeboten und Aufstiegschancen in der Region gehalten werden.

Kompetente Integration
In den letzten zwei Jahren gab es in unserem Land eine Zuwanderung von ca. 1,2 Millionen Menschen. Die Bildungs-, Weiterbildungs- und Erwerbschancen der Zuwanderer und ihrer Kinder können noch massiv verbessert werden.
Familie und Beruf vereinbaren
Seitdem die moderne Frau häufig nicht mehr hinter dem Herd anzutreffen ist, sondern hinter dem Schreibtisch, können mit einer familienfreundlichen Infrastruktur und Arbeitsorganisation mehr Frauen mit Kindern bessere Möglichkeiten für qualifizierte Berufstätigkeiten erhalten. Die Erwerbstätigenquote der Frauen im Alter zwischen 15 und unter 65 Jahren liegt übrigens bei 69 Prozent. Entsprechend der Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2014 arbeiten lediglich 53 Prozent der erwerbstätigen Frauen in Vollzeit. Von den nicht berufstätigen Müttern wären 58 Prozent gerne berufstätig.

Entwicklungen und Prognosen

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und die Bundesagentur für Arbeit haben eine Fachkräfteoffensive gestartet, um speziell über das Thema Fachkräftemangel zu informieren und vorhandene Potenziale im In- und Ausland zu mobilisieren. Die Belegschaft in Unternehmen wird dadurch vielfältiger. Das nennt man „Diversity“ (Vielfalt).
Außerdem wird über den früheren Eintritt in das Erwerbsleben und den späteren Austritt aus der Erwerbsphase spekuliert.

Die Arbeitswelt steht vor einer Umstrukturierung und Neukalkulation
Der demografische Wandel wird sich tiefgreifend auf den Arbeitsmarkt auswirken, weil sich schlichtweg mit der Alterung und der Schrumpfung der Bevölkerung auch die Erwerbstätigenstruktur verändern wird. Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer werden bis 2030 aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, hinzu kommt der Engpass an jungen und hochqualifizierten Mitarbeitern, ein Rückgang bei der Innovationskraft und Produktivität der Unternehmen sowie niedrigere Beitragszahlungen bei steigenden Sozialausgaben. Bis 2030 wird das Arbeitskräftepotenzial um ca. 6 Millionen Menschen sinken. Auch das Wort „Wohlstandsverlust“ steht zusammen mit der Frage „Wer soll das alles bezahlen?“ im Raum und beide wissen nicht, ob sie stehen bleiben oder sich längerfristig setzen sollen. Alleine durch die Einstellung des jüngeren Nachwuchses werden sich die Belegschaften nicht hinreichend weiterentwickeln können – mangels ausreichender Bewerberzahlen. Die gesamte betriebliche Personalentwicklungspolitik wird sich daher umorientieren müssen. Die Belegschaften altern zwar statistisch, aber nicht zwangsläufig in ihrer Leistungsfähigkeit.