Digital Fashion – Mode, die gar nicht existiert

Eine nachhaltige Antwort auf modische Langeweile

Unsere Kleiderschränke platzen aus allen Nähten und dennoch ist der Wunsch groß, mit etwas ganz Besonderem zu verblüffen. Nur für ein Foto auf Instagram oder auf anderen Social-Media-Kanälen soll es sein… Doch genau dieses Verhalten treibt die textile Inszenierung auf die Spitze, da zahlreiche Kleidungsstücke oftmals nur einmal getragen werden. Die Folge? Wertvolle Ressourcenverschwendung wird zur bitteren Realität. Die Fast Fashion Industrie gehört zu den größten Umweltsündern unserer Erde: Günstig produziert, kurz oder gar nicht getragen und genauso schnell entsorgt – unser Konsumverhalten hat sich in den letzten Jahren enorm verändert. Wir sind nicht nur kritischer geworden, sondern wollen zudem jedem noch so kleinen neuen Trend folgen. Doch die von Modelabels angepriesenen aktuellen Kollektionen sind realistisch betrachtet lediglich eine Wiederholung von längst dagewesenen Looks. 

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Bild: stock.adobe/ ronstik
Warum Kleidungsstücke im Modegeschäft nebenan kaufen, wenn wir gerade in aktuellen Pandemiezeiten hauptsächlich über die digitalen Medien kommunizieren? Mode aus Codes und Pixeln – das wäre doch eine mögliche Alternative! Tatsächlich: Digitale Stoffe und Designs werden die Modeindustrie in Zukunft noch grundlegend verändern und es ist sogar schon damit losgegangen. Es wird virtuell maßgeschneidert und Geld fließt für Mode, die gar nicht wirklich existiert, sondern nur in der digitalen Welt zu finden ist. Was sich jetzt vielleicht erstmal nach Abzocke anhört, ist eigentlich ein Grenzbereich, den wir uns schon lange ersehnt haben beziehungsweise in vielen Bereichen schon kennen.

Kleiderkauf ohne Stoff? 

Für viele von uns ist die digitale Welt genauso wichtig wie das reale Leben selbst – in beiden Fällen geht es nämlich darum, sich zu entdecken und sich zu inszenieren. Die digitale Mode hat dabei jedoch einen sehr großen Vorzug: Sie hinterlässt kaum einen ökologischen Fußabdruck. Upcycling und nachhaltiger Konsum in Form von Second Hand reichen schon lange nicht mehr aus, um die Umwelt zu entlasten – vielmehr müsste ein Produktionsstopp für entbehrliche Kleidung stattfinden. Die Schattenseiten der Modeindustrie sind groß, auf Kurz oder Lang ruiniert unser Mode-Wahnsinn unsere Welt. Vielen jungen Menschen liegt unser Planet am Herzen und auch diese Generation versucht, den Nachhaltigkeitsgedanken umzusetzen. Digitale Mode steht für Inspiration auf Social-Media und das in umweltfreundlicher Weise. Beim Designen gibt es in Bezug auf die Kreativität keinerlei Grenzen durch die Gesetze der Physik. Kleidung, die nicht geschneidert, eingefärbt und versandt werden muss, steht auch nicht in Konflikt mit unserer Umwelt. Zwar benötigt virtuelle Mode eine große Menge an Strom in Hinsicht auf den Datenspeicher und Übertragungsgeschwindigkeiten in Form von Bits und Bytes, diese landen aber immerhin ohne Überreste im digitalen Papierkorb. Fast Fashion hingegen ist sozusagen heute Trend und morgen Müll. Von Konsum ohne Schuldgefühl kann bei schneller Mode demnach keineswegs gesprochen werden. Digitale Mode jedoch würde den Ruf von Kleidung als „Einwegartikel“ beenden und Mode völlig neu definieren. Wir können mit einer virtuellen Garderobe jedem noch so kleinen Trend folgen, ohne dabei die Umwelt zu belasten. Wenn Mode rein digital wäre, dann gäbe es keine prekären Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern, keine Berge an Kleidung, die als Restposten schlimmstenfalls in den Tonnen landet beziehungsweise gar verbrannt werden muss. 

Was kann digitale Mode wirklich?

Digitale Mode im übertragenen Sinne ist den Meisten von uns schon relativ lange ein Begriff: Wer verwendet nicht zahlreiche Filter auf dem Instant-Messaging-Dienst Snapchat und posiert mit allerlei virtuellen Extras wie Sonnenbrillen oder Kopfbedeckungen? Es geht dabei um Spaß, Unterhaltung und vor allem um Selbstverwirklichung. Doch digitale Mode kann noch viel mehr und wirkt um einiges realistischer. Jede Textilart hat seine ganz besondere Beschaffenheit – so verhält sich Seide in Bewegung beispielsweise komplett anders als Leder, Baumwolle, Leinen oder Samt, kein Hindernis jedoch für die virtuelle Welt. Bei der digitalen Mode kann die Bewegung eines jeden Stoffes nämlich dank hochkarätiger Programme genauestens berechnet und schlussendlich lebensecht simuliert werden. Dadurch wird zusätzlich eine nachhaltige Alternative zur klassischen Modenschau geschaffen: Keine Models, die zu Fashion Shows geflogen werden müssen, kein Stoff, der nach der Präsentation in den Tonnen landet – alles digital, aber dennoch täuschend echt. 

Wie digital sind wir bereits im Onlinehandel?

Ausgewählte Brillenhersteller, die ihre Ware online anbieten, wagten schon den ersten Schritt: Die virtuelle Anprobe dient dazu, die Käuferinnen und Käufer bereits im Vorfeld das passende Brillengestell finden zu lassen und dadurch das Treffen der richtigen Entscheidung zu erleichtern. Schnell und einfach kann hier mit einer Vielzahl von Brillenfassungen experimentiert werden – alles unkompliziert und per Mausklick. Retouren werden dadurch auf ein Minimum heruntergefahren und für den Handel ergibt sich kaum eine logistische Herausforderung. Was hierbei natürlich ebenfalls nicht unerwähnt bleiben darf: Rücksendungen sind bekanntlich alles andere als umweltfreundlich und wir in Deutschland zählen zu den Spitzenreitern, wenn es sich um Retoursendungen handelt. Gerade im Zuge der Pandemie, aber teilweise auch schon vor dem Eintreten dieser, setzten ebenfalls Modemarken auf modernste Technologien mit dem Ziel, unser Einkaufserlebnis zu verbessern. Digitale Anproben in einer sogenannten „virtuellen Ankleidekabine“ waren bereits in einer Testphase. 

Bildmontage für einen einzigen Post auf den Social-Media-Kanälen

Man erkennt kaum, dass es sich um keine greifbare Mode handelt: Viele Influencer sind sich bereits der Vorzüge digitaler Mode bewusst und präsentieren ihren Followern Kleidung, die ausgefallener nicht sein könnte. Doch wo gibt es diese It-Pieces zu kaufen? Im Kleiderladen um die Ecke werden wir nicht fündig, aber in der Welt der digitalen Mode. Schon im relativ niedrigen Preissegment kann virtuell maßgeschneiderte Kleidung gekauft werden, die passgenau auf ein beliebiges Bild aufgesetzt wird. Eigentlich ganz einfach: Hierfür muss lediglich ein Foto eingereicht werden, worauf man bestmöglich kaum bekleidet, abgelichtet wurde oder im hautengen Outfit zu sehen ist. Per Klick erhält man somit das Recht für eine limitierte Garderobe. Als Fotomontage bekommt man dann nach wenigen Tagen das fertige Endergebnis mit der täuschend echt angelegten digitalen Mode. Dass es sich hierbei um High Fashion handelt, wird beim Blick auf das Angebot schnell klar. Digitale Mode entspricht eher weniger den Kleidungsstücken, die man normalerweise trägt, sondern steht für It-Pieces, die extravagant und einzigartig sind. Digital Fashion findet man in keinem Kleiderschrank der Welt und auch in keinem Geschäft – das gestaltet den zukunftsorientierten Trend so besonders.

Erfolgreiches Geschäftsmodell im Gamingbereich

In der Gaming-Welt ist die digitale Mode ebenfalls fest verankert. Hier greifen zum Beispiel die Videospiel-Fans bei „League of Legends“ oder „Fortnite“ für die Kleider und Kostüme der Figuren tief in die Tasche und geben viel Geld für die sogenannten „Skins“ aus. Gerade während des Lockdowns hat der Gamingbereich profitiert und hat zudem immer mehr an Beliebtheit gewonnen, sodass hier von enorm hohen Beträgen gesprochen werden kann – Bei einzelnen Spielen ist sogar von Umsätzen im zweistelligen Millionenbereich die Rede. Für viele große Modemarken also Grund genug, ebenfalls ihre neuen Kollektionen auf diesem Wege zu vermarkten. Das italienische Luxuslabel Gucci nutzt „The Sims“ als Plattform und präsentiert dort Mode in Gaming-Optik. Aber auch bei „Animal Crossing“ wurde schon mal eine Winter-Kollektion einer namhaften Marke gezeigt. Nicht zuletzt sind die Labels Louis Vuitton, Burberry und Balenciaga zu nennen, die allesamt mit besonderen „Skins“ im Gamingbereich überzeugen. 

Heute kleide ich mich mit Codes und Pixeln

Greifbare Mode besitzt einen sehr wesentlichen Vorzug: Sie schützt den menschlichen Körper vor Kälte, Regen sowie vor vielen anderen Umwelteinflüssen. Doch unsere Garderobe verfolgt zusätzlich noch einen ganz anderen Zweck – sie spiegelt unsere Identität wider und verhilft den Trägerinnen und Trägern zu einem angestrebten Image. Für den alltäglichen Gebrauch wurden Kleidungsstücke bereits in großen Massen produziert. Umweltschonend wäre es lediglich auf die bereits hergestellten Textilien zurückzugreifen, denn die Funktion des Selbstdarstellens wird auch durch die digitale Mode erfüllt. Die neue Ästhetik der virtuellen Garderobe ist faszinierend: Digital Fashion ist gefragter, als wir uns aktuell vorstellen können und gilt als großer Wachstumsmarkt mit unerschöpflichem Potenzial. In virtuelle Mode wird investiert, es wird auch spekuliert – ähnlich wie auf dem Aktienmarkt. Viele möchten limitierte Stücke erwerben, egal ob ein Paar Sneaker, ein Mantel oder andere It-Pieces. Doch diese besagten Kollektionen sind bereits nach kürzester Zeit vergriffen und dass, obwohl man lediglich Rechte an einer Datei erwirbt. Zu Rekordpreisen wurde digitale Mode bereits vermarktet. Bestes Beispiel: Das virtuelle „Iridescence“-Kleid von „The Fabricant“ brachte im Jahre 2019 eine Summe von 9.500 Dollar ein. Der Käufer schenkte das transparent, reflektierende und vor allem extravagante Kleidungsstück damals seiner Frau, die seither lediglich ein Foto von sich in diesem exklusiven Kleid besitzt.  

Fashion funktioniert auch virtuell 

Während des Lockdowns haben wir sicherlich die meiste Zeit im Schlafanzug oder im Jogginganzug verbracht. Gerade während der Pandemie müsste uns doch eigentlich bewusst geworden sein, dass wir mehr Kleidung besitzen, als wir eigentlich benötigen würden. Die unzähligen schicken Abendkleider oder die eleganten Smokings hängen nun schon sehr lange Zeit verwaist in unseren Kleiderschränken. Für ein Meeting über Zoom hat wohl niemand neue Looks online geshoppt, sondern wir haben auf Kleidung, die wir bereits besitzen, zurückgegriffen. In diese Richtung sollte unsere Einstellung auch in Zukunft gehen. 

Denn wollen wir tatsächlich verantworten, dass es wegen unserem Konsumwahn anderen Menschen schlecht geht und die gesamte Natur in Mitleidenschaft gezogen wird? Mit der digitalen Mode könnten wir die reale Produktion auf ein Minimum reduzieren und die Modeindustrie hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft revolutionieren.

Mode, die online von künstlicher Intelligenz erschaffen wird 

Programmieren statt Schneidern – das wird unsere Garderobe der Zukunft sein. Virtuelle Kleidung ist einer der größten Trends in der digitalen Welt. Softwareentwickler auf der ganzen Welt arbeiten an Designs und extravaganten Styles. Die Zielgruppe: Eine Generation, die täglich auf den digitalen Kanälen unterwegs ist und sich dort in Szene setzen möchte. Heutzutage ist nahezu alles möglich und wir werden wahrscheinlich noch unzählige Grenzbereiche in vielen anderen Gebieten durchbrechen. Künstliche Intelligenz ist in aller Munde und gliedert sich immer mehr in unseren Alltag ein. Diese Technologie besitzt viele Stärken – das zeigt auch die digitale Mode. 

FAZIT: 

Digital Fashion ist in vielen Bereichen schon ein fester Bestandteil unseres Lebens geworden und wird auch in Zukunft immer mehr an Bedeutung sowie Beliebtheit gewinnen. Bei der virtuellen Garderobe gibt es keinerlei Grenzen, die Möglichkeiten sind unerschöpflich. Vielleicht werden wir in nicht allzu langer Zeit bei Videokonferenzen nicht nur den Hintergrund anpassen können, sondern auch täuschend echt in digitaler Mode gekleidet, an einem Meeting oder an einer Schulung teilnehmen. Auch auf Instagram oder auf anderen sozialen Netzwerken wird dieser Zukunftstrend dann nichts mehr Außergewöhnliches sein. Doch eine Frage bleibt auch bei der digitalen Mode immer gegenwärtig: Was ziehe ich denn heute nur wieder an? 

| Text: Jana Dahnke