Kinder aus dem Haus. Was nun?

Juhu - die Kinder sind aus dem Haus!

Wir konnten uns nicht vorstellen, wie das Leben mit Kindern ist – bis sie da waren. Ab diesem Zeitpunkt fragen sich manche Eltern, wie sie ihre bisherige Freizeit verbracht und wie sie all die übrigen Stunden gefüllt haben.

Eine Familie wächst mit der Zeit, äußerlich wie innerlich. Wenn jemand aus der Familie fehlt, fehlt er nicht nur körperlich, sondern auch im Herzen. Und dann, wenn dieses Familienwerk vollendet und eingespielt ist, werden die Kinder langsam erwachsen und verlassen irgendwann das heimische Nest, den Wohlfühlort. Und dann bleiben zwei Menschen zurück, die sich im schlimmsten Fall nicht mehr an die Augenfarbe des Partners erinnern. Wir malen zu schwarz? Dann holen wir die Buntstifte heraus und fangen an, den vermeintlich leeren Alltag wieder auszumalen. Und wir malen über den Rand!

Das ändert sich

Eltern reagieren unterschiedlich auf frei gewordene Kinderzimmer. Manche hüten sie wie einen Schrein, lassen sie unangetastet für seltene Besuche, andere renovieren sofort, legen entweder die Schlafzimmer auseinander oder richten sich ein Arbeitszimmer ein. 

Jahrzehntelang ist die Familie mit all ihren Mitgliedern zusammengewachsen. Das Leben miteinander ist zu einer eingespielten Gewohnheit geworden, vor allem für Eltern. Ist das heimische Nest erst verlassen, so wirkt es zunächst seltsam still im Haus. Das Bad ist plötzlich wieder frei und der Kühlschrank bleibt voll. Der größte Inhalt im Leben der Eltern ist nun nicht mehr unmittelbar in der Nähe. Plötzlich ist die lang studierte und antrainierte Elternrolle nicht mehr gefragt im eigenen Haus.

Es kann schwierig sein, gegen das Gefühl von Entwertung anzukämpfen, wenn Eltern scheinbar nicht mehr gebraucht werden und die Verantwortung fallenlassen müssen. Alles, was Eltern sich angewöhnt haben, muss wieder neu strukturiert, sozusagen wieder „auf Null“ gebracht werden.

Das Ehepaar hinter den Eltern

Die Elternschicht wird mit jedem Jahr, in dem Kinder im Haus sind, erneut reichhaltig aufgetragen, bis vom einstigen Liebespaar oftmals nichts mehr zu sehen ist. Laut einem Hamburger Psychologen ist „das Ehepaar das Subsystem der Familie.“ Wenn das Hauptsystem zusammenbricht, wird das Subsystem entweder bedeutungsvoller oder geht auf Distanz. Und es kann krachen, besonders in den Bereichen, die vehement vernachlässigt wurden, wie Zuhören, Zärtlichkeit oder gemeinsame Unternehmungen. 

In dieser Phase ist die Krisenanfälligkeit für eine Partnerschaft am größten, Außenbeziehungen wirken interessanter als die leere Wohnung, in der beide schweigend auf dem Sofa sitzen. Ein Silberstreif am Horizont: Der Inhalt des Lebens ist ein paar Kilometer weiter entfernt, aber nicht verschwunden. Und das ist das Liebespaar bei genauerem Hinsehen meistens auch nicht.

Es gibt ein Leben nach den Kindern

Die Veränderung, also das Loslassen und Freiraum gewinnen sollte anerkannt werden. Und zwar mit klarem Blick. Oft sind es die Frauen, die jetzt die Sinnfrage stellen, die andere Ansprüche stellen. Gerade, weil der Horizont nicht mehr grenzenlos ist. Mit dem Wissen, dass die eigenen Kinder jetzt eine spannende und wertvolle Zeit erleben werden, können Sie sich gestärkt wieder den Dingen widmen, die Sie schon lange Zeit vernachlässigt haben. Kramen Sie ruhig etwas in Ihrem Gedächtnis dabei. Sie brauchen Inspirationen? Hier ein paar Fragen, die Sie sich stellen können:

1. Was wollten Sie schon immer einmal ausprobieren? Tauchen? Segelschein? Töpferkurs?

2. Welche Hobbys haben Sie aufgrund Zeitmangel aufgegeben?

3. Was haben Sie früher mit Ihrem Partner gern gemacht?

4. Welche Augenfarbe hat Ihr Partner? (Falls Sie diese Frage nicht beantworten können, schenken Sie Frage drei gern besondere Aufmerksamkeit.)

5. Was mögen Sie gern, macht Ihnen Spaß?

6. Welche Projekte könnten Ihnen gefallen? (Umbau der Kinderzimmer, Anlegen einer Bibliothek, Gartengestaltung...)

7. Wohin wollten Sie schon immer einmal reisen?

8. Welches Essen wollten Sie schon immer einmal kochen?

Machen Sie es sich gemütlich und denken Sie daran, wer Sie waren, bevor es die Kinder in Ihrem Leben gab. Sie werden zwar nicht mehr dieselbe Person, bzw. das selbe Liebespaar wie damals sein, im Gegenteil: Sie sind nun reifer! Ehepaar 2.0 sozusagen.

Schlusswort

Dem Leben wieder wichtige Inhalte zu geben, sich wieder ganz auf den Partner einlassen zu können und an der Beziehung zu arbeiten sind gute Wege, um das eigene Leben neu zu strukturieren. Unsere Kinder ziehen zwar aus, aber verlassen uns nicht. Oft wird die Beziehung sogar besser, weil die täglichen Reibungspunkte wegfallen. Liebe und Nähe kennen keine Entfernung. Und das ist doch tröstlich. | Text: Stefanie Steinbach

Buchtipps:

  • „Ausgeflogen - Wie Sie es sich im leeren Nest wieder gemütlich machen.“ (von Felicitas Römer)
  • „Liebende bleiben“ (von Jesper Juul)
  • „Mutti allein zu Haus: Vom Leben mit nestflüchtigen Kindern“ (von Lotte Kühn)