Die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl 2017 - Teil 1
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577 Seiten, sechs Programme, sechs Parteien – wir haben für Sie die Wahlprogramme für die kommende Bundestagswahl auseinandergenommen. Wenn Sie sich noch nicht sicher sind, wem sie im September ihre Stimme geben sollen, können Sie hier die Kernforderungen der großen sechs Parteien zu den Themen Demokratiegestaltung, Familienpolitik, Arbeit sowie Renten- und Steuerplänen vergleichen.
Deutschland und seine Demokratie
CDU/CSU: Die Union aus CDU und CSU strebt für die kommende Legislaturperiode an, die Zahl an neuen Gesetzesentwürfen um mindestens 10 Prozent zu reduzieren.SPD: Die SPD möchte Wahlen wieder stärker im Alltagsleben integrieren und fordert hierbei unter anderem Aktionstage für die Demokratie, die Verbesserung der Briefwahl, eine Erleichterung der Stimmabgabe für Deutsche im Ausland sowie verlängerte Öffnungszeiten von Wahllokalen und mobilen Wahlstationen. Das Wahlrecht soll ausgeweitet werden und nun auf kommunaler Ebene für dauerhaft ansässige Drittstaatsangehörige gelten. Generell treten die Sozialdemokraten für eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre ein. Für mehr Beteiligung an der Demokratie soll das Petitionsrecht beim Deutschen Bundestag weiterentwickelt und eine Engagementstiftung für freiwillige Arbeit gegründet werden.
Die Grünen: Die Grünen machen sich für die Einführung eines öffentlichen Lobbyregisters, das den Einfluss von Lobbygruppen auf die Gesetzgebung transparent gestalten soll, stark. Außerdem wollen sie im Parteiengesetz verankern, dass schon kleinere Parteienspenden veröffentlicht werden müssen und fordern weiterhin ein Whistleblower-Schutz-Gesetz zur Sicherheit vor Strafverfolgung. Das Wahlalter möchten sie auf 16 Jahre absenken.
Die Linke: Die Linke möchte ein verbindliches, transparentes Lobbyregister einführen und tritt für ein Beschäftigungsverbot von Lobbyisten in Bundesministerien und von Abgeordneten (in Vollzeitparlamenten) bei Unternehmen und Lobbyorganisationen ein. Weiterhin müssen Nebenverdienste von Abgeordneten zeitnah veröffentlicht werden. Die Linkspartei steht außerdem für ein Verbot von Unternehmens- und Lobbyistenspenden sowie einer Begrenzung privater Parteispenden auf 25.000 Euro pro Jahr ein. Sie plant eine umfassende Wahlrechtsreform mit der Abschaffung der Fünf-Prozent-Sperrklausel und einem Wahlrecht ab 16 Jahren und für alle seit fünf Jahren in Deutschland lebenden Menschen. Das Programm berücksichtigt außerdem die Einführung von Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene, die Möglichkeit eines Veto der Bürger gegen parlamentarische Entscheidungen durch die Einführungen von Referenden und den Schutz von Whistleblowern.
FDP: Es ist das Ziel der FDP, häufigen Wahlkampf einzuschränken und so Legislaturperioden effektiver zu gestalten. Dafür müssen Legislaturperioden durchgängig auf fünf Jahre verlängert werden und Wahltermine der Länder gebündelt werden. Weniger Wahlen bedeuten weniger Wahlkampf und mehr Konzentration auf eine effektive Gesetzgebung! Außerdem befürworten die Liberalen eine Ausweitung der sogenannten Einheitlichen Stelle zur Vermeidung vieler verschiedener Behördengänge.
AfD: Die AfD tritt für mehr Volkssouveränität ein – dies betrifft zum Beispiel die Einführung von Volksentscheiden nach Schweizer Vorbild und die „freie Listenwahl“, durch welche die Bürger über die personelle Zusammensetzung des Parlaments mitentscheiden können sollen. Die Wahl des Bundespräsidenten möchte die Partei dem Volk überlassen. Weiterhin fordert sie eine Verkleinerung des Bundestags von fast 700 auf 500 Abgeordnete und Mandatszeitbegrenzungen für Abgeordnete auf vier und für den Bundeskanzler auf zwei Legislaturperioden.
Familienpolitik
CDU/CSU: Eine Anlauf- und Auskunftsstelle für alle Familienangelegenheiten – die Union möchte es Familien erleichtern, Informationen über alle staatlichen Unterstützungsangebote zu erhalten und von diesen Angeboten auch Gebrauch zu machen. Sie möchte außerdem das Kindergeld um 25 Euro pro Kind erhöhen. Kinderrechte sollen Teil des Grundgesetzes werden.SPD: Die Sozialdemokraten unterstützen die Vielfalt von Familienformen, inklusive der Ehe für alle und einem damit verbundenen Adoptionsrecht. Familien möchte man durch die Einführung einer Familienarbeitszeit und eines Familiengelds unterstützen. Wenn beide Eltern ihre Arbeitszeit partnerschaftlich aufteilen, sollen sie künftig das Familiengeld erhalten (jeweils 150 Euro monatlich für beide Eltern, wenn sie 75 bis 90 Prozent der jeweiligen Vollzeitarbeit leisten). Auch die Pflege von Familienmitgliedern möchte die SPD unterstützen und den Pflegenden für bis zu drei Monaten eine Freistellung von der Arbeit mit einer Lohnersatzleistung etwa in Höhe des Elterngeldes gewähren. Bei längerer Reduzierung der Arbeitszeiten auf 75 bis 90 Prozent der jeweiligen regulären Vollzeit gibt es das Familiengeld für Pflege (150 Euro). Weiterhin tritt die SPD für die Verankerung von Kinderrechten – insbesondere einem Recht auf ein Aufwachsen ohne Gewalt – im Grundgesetz verankern.
Die Grünen: Grüne Politik will alle Formen von Familien unterstützen und deshalb nicht nur den leiblichen, sondern auch den sozialen Eltern mehr Rechte einräumen. Um Kindererziehung und Berufstätigkeit besser vereinbaren zu können, hat die Partei eine „KinderZeit Plus“ als Ersatz für das Elterngeld ausgearbeitet, das es ermöglichen soll, auch wenn die Kinder schon älter sind, weniger zu arbeiten und dabei finanzielle Unterstützung zu erfahren. Auch für die Pflege von Angehörigen soll es mit der „PflegeZeit Plus“ Lohnersatzleistungen geben. Die Grünen wollen außerdem Kinderrechte im Grundgesetz festschreiben.
Die Linke: Die Ehe für alle reicht noch nicht für eine Gleichberechtigung der Lebensweisen, so die Linkspartei. Sie ist durch ein System der Wahlverwandtschaften zu ergänzen. Hierbei sollen nicht nur monogame Zweierbeziehungen Verantwortung füreinander übernehmen dürfen, sondern jegliche Gemeinschaft, die sich einander verbunden fühlt. Privilegien der Ehe – wie das Ehegattensplitting – sollen zurückgenommen werden. Es soll durch Steuermodelle ersetzt werden, die der Vielfalt der Lebensweisen mit Kindern gerecht werden und niemanden benachteiligen.
FDP: Die Vielzahl kindesbezogener Leistungen möchte die FDP zu einem Leistungspaket bündeln. Ein solches „Kindergeld 2.0“ besteht aus einem einkommensunabhängigen Grundbetrag, einem einkommensabhängigen Kinder-Bürgergeld und Gutscheinen für Leistungen für Bildung und Teilhabe. Die Ehe für alle wird von der Partei unterstützt. Neben ihr soll es jedoch zukünftig auch Verantwortungsgemeinschaften als Rechtsinstitut geben. Gefordert wird außerdem eine Öffnung des Angebots an Reproduktionsmedizin für alle.
AfD: Die Familienpolitik der AfD richtet sich nach dem Bild der klassischen Familie aus Vater, Mutter, Kindern. Die kürzlich beschlossene Ehe für alle lehnt die Partei ab. Sie tritt für eine „Willkommenskultur für Kinder“ ein. Dafür fordert sie: Ehe-Start-Kredite zur Förderung früher Familienbildungen, Einführung von Familiensplitting für steuerliche Entlastung und das Ende der Versuche einer Legalisierung von Abtreibung. Eine kinderfreundliche Gesellschaft und der Erhalt des Staatsvolks sollen als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen werden.
Arbeit und Arbeitslosigkeit
CDU/CSU: Ziel der Union ist es, bis zum Jahr 2025 Vollbeschäftigung in Deutschland zu erreichen. Dafür möchte man Langzeitarbeitslosen die Möglichkeit geben, gemeinnützige Tätigkeiten auszuüben und Qualifizierung, Vermittlung und Reintegration von Langzeitarbeitslosen verbessern. In Betrieben ab einer bestimmten Größe soll Anspruch auf befristete Teilzeit geschaffen werden, das Konzept eines mitwachsenden Minijobs soll realisiert und unnötige Bürokratie in allen Bereichen abgebaut werden.SPD: Die SPD fordert die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen sowie der Ausnahmen beim Mindestlohn für Langzeitarbeitslose. Sie steht weiterhin für eine Mindestausbildungsvergütung und die Unterstützung von Frauen im Beruf durch eine verbindliche Frauenquote und ein Entgeltgleichheitsgesetz ein. Arbeitslose sollen ein Recht auf Weiterbildung erhalten und Qualifizierungsmaßnahme angeboten bekommen. Bei der Teilnahmen an diesen Maßnahmen soll ihnen das neue Arbeitslosengeld Q (ALG Q) zur Verfügung stehen. Sozialdemokraten drängen auf die Verabschiedung eines Wahlarbeitszeitgesetzes für eine selbstbestimmtere Arbeitszeitgestaltung, das auch ein Recht darauf enthält, nach einer freiwilligen Phase der Teilzeitarbeit zu früheren Arbeitszeiten zurückzukehren.
Die Grünen: Die Grünen setzen auf Flexibilität von Arbeitszeiten und wollen dafür einen Vollzeit-Arbeitszeitkorridor im Bereich von 30 bis 40 Stunden, innerhalb dessen die Beschäftigten frei über ihren Arbeitszeitumfang bestimmen dürfen. Sie richten sich gegen sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverträgen, die Verweigerung einer Rückkehr in die Vollzeit und Ausnahmen beim Mindestlohn. Frauen sollten verbindlich zu 40 Prozent in den börsennotierten Unternehmen vertreten sein, es soll zusätzlich ein Entgeltgleichheitsgesetz und eine bessere Bezahlung von typischen Frauenberufen angestrebt werden. Die Arbeitslosenversicherung soll in eine umfassende Arbeitsversicherung umgewandelt werden, die Beschäftigen und Arbeitslosen die Möglichkeit der Weiterbildung und Qualifikation eröffnet und so längeren Arbeitslosigkeitsphasen entgegenwirkt.
Die Linke: Die Linkspartei möchte den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 erhöhen, sachgrundlose Befristungen, Leiharbeit und Minijobs abschaffen und dafür einen Rechtsanspruch im Arbeitsvertrag von 22 Stunden pro Woche einführen. Gleichzeitig soll die Wochenhöchstarbeitszeit auf 40 Stunden reduziert werden. Den Mindesturlaubsanspruch im Bundesurlaubsgesetz will Die Linke schrittweise von 24 auf 30 Werktage anheben. Gefordert werden auch die Abschaffung des Hartz IV-Systems und der Ersatz durch eine bedarfsdeckende und sanktionsfreie Mindestsicherung in Höhe von 1.050 Euro sowie ein umfassendes Verbandsklagerecht für Gewerkschaften. Es soll ein Rechtsanspruch auf Weiterbildung für alle Beschäftigten geschaffen werden. Hierzu werden Weiterbildungsfonds eingerichtet, in die alle Unternehmen einer Branche einzahlen.
FDP: Die FDP richtet sich entschieden gegen Marktregulierung seitens des Staates und lehnt Einschränkungen von Zeitarbeit und von Befristungen ab. Frauen in Führungspositionen sollen zwar gefördert werden, Eingriffe in den Markt wie etwa durch eine gesetzliche Frauenquote lehnt die FDP jedoch ab. Zur Förderung der eigenen Souveränität bei der beruflichen Lebensgestaltung wird das Modell der Langzeitkonten unterstützt, in denen in arbeitsintensiven Zeiten Überstunden, Boni etc. angesammelt werden können.
AfD: Die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I soll sich nach der Zeit der Dauer der Vollbeschäftigung richten. Die AfD setzt sich für die Schaffung von Bürgerarbeit als gemeinnützige, sozialversicherungspflichtige Arbeit für Langzeitarbeitslose ein. Sie lehnt Quotenregelungen wie die Frauenquote ab. Im Wahlprogramm wird außerdem eine gesetzliche Obergrenze von 15 Prozent Beschäftigten mit Leih- oder Werkverträgen in Unternehmen und eine Überführung von Leiharbeit in eine feste Anstellung nach sechsmonatiger Beschäftigungsdauer verlangt.
Steuern, Rente, Sozialstaat
CDU/CSU: Die Pläne der Union umfassen unter anderem eine schrittweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags zur Einkommenssteuer, eine Senkung der Einkommenssteuer und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Eine Vermögenssteuer wird abgelehnt. Der Spitzensteuersatz soll künftig erst bei einem steuerpflichtigen Jahreseinkommen von 60.000 Euro einsetzen. Das Programm „Bürgerfreundliche Verwaltung“ der CDU und CSU sieht unter anderem vor, die Bearbeitung und Abgabe von Steuererklärungen einfacher zu gestalten.SPD: Statt dem bisherigen Ehegattensplitting bei der Steuer soll es zukünftig ein Familiensplitting geben, so die SPD. Außerdem setzt man sich für eine Erbschaftssteuerreform mit hohen Freibeträgen, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und die staatliche Einziehung von aus Straftaten erlangtem Vermögen ein. Zur Sicherung eines fairen Wettbewerbs befürwortet die Partei eine europäische Angleichung der Unternehmensbesteuerung. Die SPD möchte weiterhin eine Bürgerversicherung mit gleichen Anteilen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in die Wege bringen.
Die Grünen: Grüne Politik möchte für mehr Selbstbestimmung beim Renteneintrittsalter sorgen und konzipiert daher den Entwurf einer Teilrente mit 60 Jahren. Im Programm ist weiterhin die Forderung enthalten, geringfügige Beschäftigungen sozialversicherungspflichtig zu gestalten und langfristig eine Bürgerversicherung für alle zu errichten. Auch eine Vermögenssteuer ist Teil der grünen Pläne sowie eine Beschränkung von Unternehmen, Beträge über 500.000 Euro pro Kopf von der Steuer abzusetzen.
Die Linke: Die Linke fordert unter anderem: eine Solidarische Mindestrente von 1.050 Euro, die Schaffung einer Erwerbstätigenversicherung, bei der für alle Erwerbseinkommen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt werden müssen. Die Linkspartei möchte die Rente ab 65 oder nach mindestens 40 Beitragsjahren ab 60 Jahren. Weiterhin enthält das Wahlprogramm: Die Einführung einer Vermögenssteuer, bei der Vermögen ab einer Million mit fünf Prozent besteuert wird und einer Finanztransaktionssteuer mit 0,1 Prozent Versteuerung. Die Einkommensteuer soll die unteren und mittleren Einkommen entlasten, die oberen stärker belasten. Der monatliche Grundfreibetrag wird auf 1.050 Euro zu versteuerndes Einkommen erhöht. Es wird eine Reichensteuer mit zwei Stufen gefordert: 60 Prozent auf die Teile des zu versteuernden Einkommens oberhalb von rund 260.000 Euro Jahreseinkommen und 75 Prozent auf die oberhalb einer Million Euro.
FDP: Vermögens- sowie Finanztransaktionssteuern oder eine Verschärfung der Erbschaftssteuer darf es für die FDP nicht geben. Sie fordert weiterhin die Festschreibung einer Belastungsgrenze von 50 Prozent für direkte Steuern Sozialabgaben im Grundgesetz. Ein festgelegtes Renteneintrittsalter und Hinzuverdienstgrenzen sollen abgeschafft werden. Ab 60 Jahren soll jeder selbst entscheiden können, wann er in Rente geht, insofern das Einkommen aus der Rente das Grundsicherungsniveau abdeckt. Steuerfinanzierte Sozialleistungen möchte man zu einer Leistung – dem liberalen Bürgergeld – zusammenfassen.
AfD: Die AfD fordert, dass Gelder, die aktuell in die Migrationspolitik fließen, in Zukunft zur Alterssicherung der deutschen Bevölkerung genutzt werden. Der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil an der Kranken- und Pflegeversicherung soll angeglichen werden. Das Programm enthält weiterhin die Forderung nach der Abschaffung der Erbschaftssteuer und erteilt der Vermögenssteuer eine Absage. Außerdem soll die Mehrwertsteuer um sieben Prozentpunkte abgesenkt werden.