Kinder im Trotzalter - Zehn Strategien für Eltern

Durchhalten und lächeln

Max‘ Mama steht in der falschen Ecke des Raumes und atmet nicht im richtigen Rhythmus. Ole hat versehentlich Orangensaft statt Apfelsaft bekommen und wirft sich beherzt schreiend auf den Boden. Greta will unbedingt ihre Ballerinas bei drei Grad Minus Außentemperatur anziehen und schmeißt alles, was sie in die Finger bekommt, durch den Flur. Wir könnten noch ewig so weitermachen. Kommt Ihnen das bekannt vor? Dann ist Ihr Kind höchstwahrscheinlich zwischen zwei und fünf Jahren alt und mitten in der Trotzphase. Bis zehn zählen, Kopf hoch – weiteratmen.

Warum sind Kinder trotzig?

Ein Trotzanfall ist mit einer durchgebrannten Sicherung zu vergleichen. Das Ergebnis: Ein Kurzschluss, bei dem sich aufgestauter Frust, zum Teil in Kombination mit Sorgen oder Ängsten, explosionsartig entlädt. Die Ursache für uns: Klein und nichtig - aber sie ist die Initialzündung, die zum großen Knall führt. Das Kind wird von einem inneren Zorn überwältigt, den es in diesem Moment selbst nicht kontrollieren kann. Deshalb hilft bei Trotzanfällen weder geduldiges auf das Kind Einreden noch Schimpftiraden. Für Eltern ist dies eine nervenzehrende Situation. Für Kinder aber nicht weniger.

Wann beginnt die Trotzphase?

Die allerersten Trotzanfälle haben Kinder teilweise bereits im Babyalter – aber so richtig aktiv werden die kleinen Trotzköpfe ab ca. zwei Jahren. Die Kinder beginnen einen eigenen Willen zu entwickeln – heißt: Es wird versucht, den eigenen Kopf durchzusetzen. Die Bandbreite von kindlichen Trotzanfällen ist groß: von sporadischer Bockigkeit bis hin zu Wutausbrüchen der Meisterklasse mit hysterischem Geschrei, Treten, Schlagen – nichts ist unmöglich. 

Trotzphase lehrt Kinder Durchhaltevermögen

Für Eltern ist die Trotzphase in erster Linie eines: anstrengend. Aber für Kinder ist diese Entwicklungsphase von immenser Bedeutung. Eine ungeheure Beharrlichkeit und Frustrationstoleranz ist für Kinder die Voraussetzung, um gut durch die ersten Lebensjahre zu kommen. Die Kinder lernen, die eigenen Emotionen zu regulieren und Geduld zu haben, wenn Bedürfnisse nicht sofort befriedigt werden. 

In der Trotzphase pendeln Kinder zwischen dem Wissen „Ich bin ich. Und ich habe einen eigenen Willen!“ und den noch unzureichend ausgebildeten motorischen oder sprachlichen Fähigkeiten, die hochmotivierten Vorstellungen umzusetzen zu können. Kinder lernen, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen und üben sich kontinuierlich im Umgang mit Stress und Frustration – alles Dinge, die für das soziale Miteinander unerlässlich sind. 

Trotz hat nichts mit bösem Willen und Erziehung zu tun

Für Eltern ist es wichtig zu wissen: Wenn sich das kleine Wutmonster schreiend auf dem Boden wälzt, ist das weniger ein taktisches Manöver, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen – die Kinder selbst erleben diesen Zustand vielmehr als eine Naturgewalt, die gerade über sie hereinbricht.

Erste Hilfe bei Trotzanfällen

Achten Sie darauf, dass Ihr Kind sich in seiner unermesslichen Wut nicht verletzen kann. Manchen Kindern tut es gut, wenn sie sanft festgehalten werden. Wenn Ihr Kind nicht festgehalten werden möchte, zwingen Sie es nicht.

Reden Sie während eines Wutanfalls nicht auf Ihr Kind ein. Das ist völlig nutzlos. Besser: Warten, bis es sich beruhigt hat. Dann reden. Bleiben Sie selbst nach Möglichkeit ruhig. Nicht schreien, nicht schimpfen, nicht die Geduld verlieren.

Silberstreif am Horizont: Je mehr Trotzanfälle im Kleinkindalter, desto gemäßigter fällt die Pubertät aus. Angabe jedoch ohne Gewähr…

Im Trotzalter schnell wieder vertragen

Wenn wir als Eltern cool bleiben und aus dem Trotzanfall keine große Sache machen, flaut die Trotzwelle innerhalb weniger Minuten wieder ab. Schwierig? Und ob! Nichtsdestotrotz lautet die elterliche Aufgabe: Selbstkontrolle. Und selbst wenn die Trotzattacke der Kinder mal einen richtigen Streit verursacht hat, ist das kein Drama. Kleine Kinder sind Meister im Vertragen.

Wann endet die Trotzphase?

Fast wie eine erste kleine Pubertät sehen Entwicklungsforscher das Trotzalter heute als Übergang vom Babyalter in die Kindergarten- und später in die Schulzeit an. Das heißt mit spätestens sechs Jahren sollte die schlimmste Trotzphase überstanden sein.

Zehn Strategien zum Überleben

1. Ruhe am Abend
Sie könnne sich an feste Abendrituale halten und dafür sorgen, dass Ihr Kind genügend Schlaf bekommt. Beides hilft, abendlichen Wutanfällen vorzubeugen. Wenn bestimmte Abläufe immer gleich sind, lernen Kinder schnell, dass es keinen Sinn macht dagegen anzukämpfen.

2. Verständnis zeigen
Eltern fühlen sich in Trotzmomenten (vor allem in der Öffentlichkeit) oft von ihren Kindern herausgefordert und wollen die Kontrolle behalten. Das endet meistens in einem Machtkampf. Die Aggression der Kinder richtet sich nicht gegen Eltern – es ist nichts Persönliches. Gehen Sie in die Knie, auf Augenhöhe und zeigen Sie Verständnis. 

3. Geduld haben
Eltern und Kind haben unterschiedliche Prioritäten. Bespiel Zoo: Die Großen wollen für ihr Geld den Zoo und „richtige Tiere“ anschauen, das Kind ist fasziniert von den Ameisen. Wichtig: Geduld und ein Kompromiss. Bieten Sie an, die Ameisen gemeinsam zu beobachten und dann zu den Elefanten zu gehen. Hocken Sie sich zu Ihrem Kind, stellen Sie Fragen: Was siehst du da? Was glaubst du, wo laufen die jetzt hin? Wenn Sie ein paar Minuten für die Ameisen investieren, haben Sie ein entspanntes Kind und einen friedlichen Familienausflug.

4. Den Alltag regeln
Zeitdruck am Morgen führt schnell zu Konflikten. Der Stress der Eltern überträgt sich auf die Kleinsten. Meist werden Eltern übergriffig und verletzen das Selbstwertgefühl des Kindes. Die Reaktion: Widerstand.
Kann gut gehen: Überlegen Sie, wie Sie den Zeitdruck morgens auflösen können. Entsteht der Konflikt immer beim Anziehen, suchen Sie mit dem Kind am Vorabend ein Outfit heraus.

5. Ernst nehmen
Wie fühlen Sie sich, wenn nichts so funktioniert, wie Sie es gern hätten? Wenn einfach jemand kommt und die Sache zu Ende bringt? Gedemütigt. Unseren Kindern geht es nicht anders. Nehmen Sie den Frust des Kindes ernst. Finden Sie Worte für das, was es fühlt. „Es ärgert dich, dass der Reißverschluss nicht in den Schlitz geht. Ich kann dich gut verstehen“.

6. Raus mit der Wut
Aber richtig! Helfen Sie Ihrem Kind herauszufinden, wie es mit seiner Wut umgehen kann: Wenn die Wut raus muss, hilft es auf ein dickes Kissen einzuschlagen. Sagen Sie ihm deutlich, was erlaubt ist, und was nicht. Schlagen und Treten ist verboten. Den dicken Softball gegen die Tür zu schmeißen ist okay. Loben Sie, wenn es diese Regeln umsetzt.

7. Einfach ablenken
Quengelzone an der Supermarktkasse: Stresstest, da Sie nie ohne Diskussionen vorbeikommen. Tipp: Wählen Sie eine Kasse, die weniger Reizüberflutung für Kinder bereithält und bieten Sie Ihrem Kind an zu helfen, den Einkauf auf das Laufband zu legen. 

8. Gewaltfrei bleiben
Manchmal sind die Fronten derart verhärtet, dass einem selbst die Sicherungen durchzubrennen scheinen. Wut, Verzweiflung, Hilflosigkeit schäumen über und Eltern rutscht die Hand aus. Gewalt schwächt Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl des Kindes. Besser: intelligent und kreativ mit Konflikten umgehen. Nehmen Sie sich oder das Kind aus der Situation. Sagen Sie z.B., dass Sie sich so ärgern, dass Sie kurz aus dem Zimmer gehen müssen. Häufen sich die Eskalationen, finden Eltern Hilfe bei einer Erziehungsberatungsstelle (www.bke-online.de).

9. Regeln einhalten
Kinder brauchen Grenzen für ihren Halt. Im Grunde testen sie jedes Mal, ob das, was gestern galt, heute noch zählt. Die Regeln sollten überschaubar sein und sich dem Alter und den Fähigkeiten des Kindes anpassen.

10. Mit Humor reagieren
Abends spielen sich in vielen Badezimmern Szenen ab, die filmreif wären. Das Kind soll Zähne putzen, doch es weigert sich. Oder es macht alles andere, nur berührt es nie die Innenflächen seines Mundraumes. Zähneputzen ist eine Regel, von der Eltern nicht abweichen sollten. Tipp: Überraschen Sie mit etwas Lustigem. Geben Sie der Zahnbürste eine Stimme. Humor hilft dem Kind oft, einzulenken und etwas zu tun, was es eigentlich nicht wollte.

11. Viel trösten
Ihr Kind will unbedingt ein Spielzeug haben, das hoffnungslos überteuert ist. Sie kaufen es nicht. Ihr Kind weint herzherreißend. Kindern fehlt der Weitblick, zu beurteilen, ob das Spielzeug gut, schlecht oder zu teuer ist. Sich von dem Wunsch, es zu haben, zu verabschieden, fühlt sich für sie wie ein schwerer Verlust an. Zeigen Sie Mitgefühl. Der Satz „Ich kann dich gut verstehen, du bist unendlich traurig“ kann helfen. Bleiben Sie verständnisvoll, auch wenn Ihr Kind tagelang dem Spielzeug nachtrauert.

An alle Eltern da draußen: Nerven behalten, gerader Rücken und ab ins Chaos! Die Zeit vergeht. Alles Gute! 

Text: Stefanie Steinbach