Stirbt das Nachtleben in Augsburg aus?

Zahlreiche Umstrukturierungen, Betreiberwechsel und eine Vielzahl an Schließungen in den letzten Jahren

Wer sich etwas mit dem Nachtleben und den einst zahlreichen Clubs und Bars in Augsburg auseinandersetzt, wird schnell feststellen: Es hat sich in den letzten Jahres einiges verändert. Dabei gab es nicht nur allerlei Umstrukturierungen und Betreiberwechsel, sondern auch durchaus eine Vielzahl an Schließungen. Daher stellt sich unweigerlich die Frage, ob und warum das Nachtleben in Schwabens Hauptstadt langsam ausstirbt.

Max & Moritz, Pussy Club, Barcode, Catwalk, 2Club, Fuggerkeller oder Parklounge, die Liste kann beliebig fortgesetzt werden. Die teilweise sehr bekannten Locations haben aufgrund verschiedener Probleme schließen müssen, obwohl es immer mehr Studenten und junge Leute nach Augsburg zieht. Dies würde zumindest teilweise die Schließungen beispielsweise des B2 in Mering das auch mehrere Betreiberwechsel mit den Namen Alpha, Sonic und B2 Reloaded hatte, des Plaza in Rennertshofen oder des Club Imperium in Meitingen erklären, da es einen generellen Trend von Dorf oder Kleinstadt in Richtung Großstadt zu verzeichnen gibt. Einzig allein die Discothek PM in Untermeitingen und das Moos.Park in Pöttmes widersetzten sich diesem Trend in der Region erfolgreich.

Allerdings mussten auch traditionsreiche Lokalitäten wie der Circus als älteste Rock-Disco Augsburgs oder das Tropicana beziehungsweise der Tropi-Club ihr Ende ankündigen. In die Räumlichkeiten am Friedberger See ist immerhin ein neuer Betreiber eingezogen, der jedoch das Konzept mit Hochzeiten deutlich hochwertiger auslegt und somit nicht mehr zum Nachtleben zählt.

Umstrukturierungen und Betreiberwechsel

Ähnliches gilt für den beliebten YumClub am Königsplatz, der über 27 Jahre lang das Augsburger Nachtleben prägte. Auch wenn es mit der Kantine einen renommierten Nachfolger gibt, wird damit ein weiterer klassischer Club aus der Stadt verschwinden, da die Betreiber der Kantine nämlich verstärkt auf Livekonzerte setzen.

Die Schwierigkeiten zeigen sich darüber hinaus auch in den zahlreichen Umstrukturierungen der bekannten Discos in der Innenstadt, die bis auf Ausnahmen oftmals nicht unbedingt einen wirklichen Erfolg brachten. So wurde das Liquid in der Maximilianstraße zunächst das Chuck Norris und mittlerweile daraus der Nox Club. Auch das Schwarze Schaf wurde nach einem Betreiberwechsel zum Panda Club und der Cope Club zum Who beziehungsweise jetzt Pi Club.

Ähnliches zeigt sich auch in den Stadtteilen: In Stadtbergen wurde das Palazzo zur Metro und wenig später daraus der M-Club, dann der Club Zeitlos und schließlich zum Club Dreiklang bis es letztendlich ganz schloss und bis heute keinen Nachfolger mehr fand. Weitere Beispiele gibt es in Göggingen. Dort folgte auf das Kerosin der Club Ideal, das Glyzerin und letztendlich das Bungalow. Auch das früher bekannte Pleasure Dome hatte, bis es das heutige Cube wurde, zig Betreiberwechsel hinter sich um Besucher mit anderen Konzepten und neuen Namen anzulocken.

Ein weiteres Anzeichen für die zunehmend erschwerte Situation im Nachtleben: Der beliebte Mo Club in der Innenstadt behauptet sich mit den wenigen anderen Ausnahmen wie Ostwerk, Kesselhaus, Mahagoni Bar, Peaches und Barfly, bisher beständig in der Gastroszene. Ob sich durch die Inbetriebnahme der Uniklinik in wenigen Jahren und dem Zuzug von geschätzten 4000 Menschen (davon ca. 1.500 Studenten) etwas ändert, bleibt abzuwarten.

Woran liegt der allgemeine Rückgang?

Generell lässt sich also feststellen, dass es für die Betreiber von Clubs im Augsburger Nachtleben immer schwieriger wird. Nun kommt die Frage auf, woran das im Einzelnen liegen könnte. Möglicherweise gehen immer weniger Menschen weg beziehungsweise bleiben nicht mehr so lange in den Clubs oder bevorzugen andere Abendaktivitäten. Andererseits könnten bestimmte Auflagen, höhere Mietpreise oder weitere Vorschriften die Arbeit erschweren. TRENDYone hat verschiedenste Beteiligte wie Betreiber aus der Augsburger Clublandschaft nach ihrer persönlichen Einschätzung zum Aussterben des Nachtlebens und möglichen Gründen und Lösungsmöglichkeiten hierzu befragt.

Statements der Befragten

Daniel Debus, Veranstalter
Wie und warum hat sich Ihrer Meinung nach das Nachtleben in den letzten Jahren gewandelt? 
Die klassischen Discotheken und vor allem die großen haben es schwerer, genug Gäste zu gewinnen. Ich glaube, dass das Internet und speziell Flirt-Apps wie beispielsweise Tinder einen großen Teil dazu beitragen, dass die Jugend nicht mehr weggehen muss, um neue Leute kennen zu lernen. Dazu kommt vielleicht auch, dass sie sich aus Kostengründen oder weil Teile der Gruppe noch zu jung sind, bei Hausparties treffen. Dabei könnte es auch eine Rolle spielen, dass Musik durch Streamingdienste wie Spotify viel freier zugänglich geworden ist. Generell nehmen Studenten angeblich auch Ihr Studium ernster, sodass man nicht mehr jedes Wochenende die ganze Nacht im Club verbringen kann. Dann sind Bars oftmals die coolere Alternative, in denen man sich früher treffen, besser unterhalten oder spannendere Drinks bekommen kann.

Inwiefern hat sich dadurch die Situation der Club- und Discothekenbetreiber sowie Veranstalter verändert?
Während man sich früher vielleicht noch an jedem beliebigen Öffnungstag aussuchen konnte, wen man reinlässt oder wen nicht, muss man sich heute viel mehr Gedanken um neue Partykonzepte machen, die viele Besucher anlocken. Oder als Veranstalter ausgefallenere Locations suchen, um den Gästen immer wieder neue und besondere Erlebnisse bieten zu können. Dadurch dass die Leute nicht mehr so oft weggehen, picken sie sich dann die Highlights raus, beispielsweise auch Festivals, die in letzter Zeit immer mehr entstehen.

DJ G.Paolo Montagni, DJ und Musikproduzent
Wie und warum hat sich Ihrer Meinung nach das Nachtleben in den letzten Jahren gewandelt?
Eigentlich habe ich schon Anfang 2016 die Prognose abgegeben, dass sich das Discothekenszenario sehr verändern wird. Schon damals konnte man selbst am Samstag einen großen Schwund an Clubbesuchern feststellen. Auch die Art zu Feiern hat sich aus meiner Sicht völlig verändert. Seither kam nur noch die Wandlung der sogenannten „Black Music“ dazu. Die Tanzbarkeit, Energie und Qualität wird meiner Meinung nach, bis auf wenige Ausnahmen, immer schlechter und gehaltloser. Auch die neuerlichen DJ Sets mit Deutsch Rap bei Black Music Parties wirken befremdend. In den meisten (der mittlerweile auch überwiegend kleinen) Clubs, gibt es nur noch reduzierte Beleuchtungen, egal wie groß oder klein die Location ist.

Aktuell ist das alles eigentlich nur noch den Jungen Clubgängern zu vermitteln, weshalb auch immer weniger Erwachsene in Clubs gehen. Ausnahmen sind entsprechende Mottopartys, meist im kleineren Stil.
Den Rest besorgen die boomenden Festivals die am Veranstaltungstag dafür sorgen, dass alle anderen Clubs quasi leer bleiben. Die Loyalität der Gäste für die Stammdisco ist somit faktisch nicht mehr vorhanden. Meist wird nur noch kurzfristig via WhatsApp und Co. entschieden, wo und wie der Abend verbracht wird.

Inwiefern hat sich dadurch die Situation als Club- und Discothekenbetreiber verändert?
Die Clubs werden immer mehr zur Zweckentfremdung genötigt und fallen mehr durch Verlosungen und sonstige übertriebene Promotion auf. Dies führt mittlerweile schon so weit, dass manche Clubs nur noch dann frequentiert werden, wenn sie immer noch spektakulärere Aktionen anbieten. Außerdem finden viele Veranstaltungen nur noch in artfremden Locations statt da die Neugier und das Interesse der Gäste für den neuen Ort oft größer ist, als für die Veranstaltung und die DJs selbst.

Bei den weiblichen Gästen haben längst die Reggaeton und Latino Parties allem anderen den Rang abgelaufen, denn da wird heute so gefeiert wie früher, denn es geht um Tanzen, Bewegung, Spaß. Aber auch das wird nun inflationär gehandhabt.

Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit das Nachtleben wieder attraktiver wird?
Ich denke wie immer, dass ein gutes Team, mit einem DJ der die richtige Mischung an Musik anbietet auch weiterhin existieren kann, auch wenn es durch das geänderte Ausgehverhalten und die Gewaltbereitschaft einzelner Gäste auch immer schwieriger für alle wird. Besonders die Großraumdiscos müssen sich meiner Ansicht nach neu erfinden um wieder attraktiver für die Gäste zu werden.

Sebastian Karner, Kantine
Wie und warum hat sich Ihrer Meinung nach das Nachtleben der jungen Leute in den letzten Jahren gewandelt?
Es wird auf jeden Fall weniger ausgegangen wie früher. Und wenn dann hauptsächlich  noch an Samstagen und mit Abstrichen am Freitag. Zudem wird mehr privat gefeiert und die städtischen subventionierten und die privatwirtschaftlich organisierten Festivals tun ihr übriges dazu, dass es für uns Clubbetreiber zunehmend schwierig wird Gewinne zu erwirtschaften.

Inwiefern hat sich dadurch die Situation als Club- und Discothekenbetreiber verändert?
Es ist schlicht und einfach schwerer und aufwendiger geworden. Auf der einen Seite „nur“ rein wirtschaftlich. Auf der einen Seite bedingt das schwierigere Marktumfeld, dass es für kulturell aufwendige oder anspruchsvolle Themen oder Konzepte schwieriger ist sich am Markt zu behaupten. Strengere Auflagen bzw. Vorschriften und nicht zuletzt die überbordende Bürokratie sind außerdem ein großes Problem für die Betreiber.

Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit das Nachtleben wieder attraktiver wird?
Die Sperrstunde müsste z.B. um 2-3 Stunden nach hinten verlegt werden – also von 5 auf 7 Uhr oder 8 Uhr. Alle Zeiten des normalen Lebens wie Arbeitszeit, Einkaufen, Kneipenöffnungszeiten haben sich „nach hinten“ verlagert. Um 5 Uhr morgens zu schließen ist nicht mehr zeitgemäß. Zudem wäre eine liberalere Feiertagsregelung an den sogenannten stillen Tagen wünschenswert. In Baden Württemberg wurde in den letzten Jahren zusammen mit den Kirchen und der Landesregierung eine weit bessere Regelung in Kraft gesetzt als wir sie in Bayern aktuell haben

Wie wird sich Ihrer Meinung nach das Nachtleben in naher Zukunft verändern?
Deutschlandweit wird es weniger Clubs geben, die anspruchsvolles Programm anbieten. Es wird aber auch die Großraum Diskothek mehr und mehr aussterben. Die Nischen werden inhaltlich kleiner und alles konzentriert sich auf die wenigen Themen mit denen noch Profite zu erwirtschaften sind. Der so zwangsläufig zustande gekommene „Einheitsbrei“ ist natürlich kontraproduktiv für die Vielfältigkeit und die Strahlkraft der Nachtökonomie.

Daniel Albinger, Inhaber mamo Lounge
Wie und warum hat sich Ihrer Meinung nach das Nachtleben in den letzten Jahren gewandelt?
Wenn man das Nachtleben mit dem vor 10 Jahren vergleicht, fällt einem auf, dass es insgesamt ruhiger geworden ist. Früher war das Treiben in der Maxstr. fast über die gesamte Woche verteilt, da es normal war auch unter der Woche wegzugehen. Heute konzentriert es sich eher auf das Wochenende.

Was denken Sie, sind die Gründe hierfür?
Ich denke, der Rückgang ist mitunter auch den sozialen Netzwerken bzw. Kommunikationsportalen zuzuschreiben, da man heutzutage überall und zu jeder Zeit über die Tätigkeiten, Unternehmungen oder den aktuellen Status seiner Freunde und Bekannten informiert wird und dies für die Meisten ein persönliches Treffen – bei welchem man sich über genau das austauscht – ersetzt. Aber auch was das Kontakte-Knüpfen betrifft, immer mehr lernen sich auf virtuellen Weg kennen, früher war es selbstverständlich auszugehen, um jemanden kennenzulernen.

Ich bin zwar kein Club- oder Diskothekenbetreiber, da mein Lokal mehr vor dem richtigen Feiern besucht wird, aber ich bekomme von meinen Gästen oft mitgeteilt, dass diese im Anschluss oder generell nach München zum Feiern fahren, da dort die Auswahl größer und abwechslungsreicher ist.

Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit das Nachtleben wieder attraktiver wird?
Es müsste meiner Meinung nach in der Stadt Augsburg für mehr Abwechslung gesorgt werden. Wenn man sich andere moderne Städte ansieht, in welchen die Gastronomie- bzw. Nachtlebenszene floriert, begeistern und überzeugen diese mit einem bunten Stadtbild und unterschiedlichen Konzepten. Kurz: Ein breitgefächerteres Angebot an Veranstaltungen und Musikrichtungen, mehr Absprachen unter den Gastronomen, eine autofreie Maxstr., eine Lockerung der Richtlinien, aber auch ein wenig mehr Aufgeschlossenheit der Gäste; würde das Augsburger Nachtleben wieder aufleben lassen.

Wie wird das Nachtleben aus Ihrer Sicht in naher Zukunft verändern?
Ich denke es wird wohl weiter zurückgehen. Anzeichen dafür sind, dass die Gesellschaft bedachter Geld ausgibt; die Menschen immer mehr vom Job und Alltag eingespannt sind; zudem der Trend momentan auch darin liegt, sich gesund und bewusst zu „ernähren“, da Alkohol nicht mehr in den Mengen konsumiert wird, wie früher; ebenso ist auch der Sicherheitsaspekt auf unseren Straßen mittlerweile sehr wichtig geworden.

Ich persönlich fände es für die Zukunft schön, wenn die „echten“ Begegnungen mehr im Vordergrund stehen und die Leute sich öfters auf einen guten Drink (z.B) treffen oder gemeinsam feiern gehen, damit sie sich letztendlich am nächsten Morgen die Nachricht schicken können: „Toller Abend gestern, ich hatte richtig viel Spaß!! Sollten wir mal wieder öfters machen! :)“

Gogo Rosca, NOX Club, Panda Club, Terrassia
Wie und warum hat sich Ihrer Meinung nach das Nachtleben in den letzten Jahren gewandelt?
Ich denke, dass es den typischen Stammgast nicht mehr gibt. Durch das mittlerweile bestehende Überangebot an Veranstaltungen gehen die Leute meist nur noch spontan mal hier und mal dort hin. Auch der Trend der Sisha-Bars ist meiner Meinung nach spürbar. Dort verbringen die Gäste hauptsächlich ihre Zeit bis spät in den Abend, sodass dann einfach danach die Lust fehlt noch wegzugehen.  Besonders zu dieser Jahreszeit verbringen viele den Abend auch lieber im Freien. Das sieht man aktuell besonders wenn man durch die Innenstadt läuft, und mehrere hundert Leute am Rathausplatz oder dem Herkulesbrunnen in der Maxstraße antrifft.

Auch der finanzielle Aspekt ist sicher nicht unbedeutend. Heutzutage haben sehr viele einen Nebenjob am Wochenende, da das Geld sonst nicht reicht. Bei den Personen fehlt entweder danach noch die Lust wegzugehen oder sie können es sich schlicht und einfach nicht mehr leisten.

Als Hauptgrund sehe ich jedoch die sozialen Netzwerke. Vor einigen Jahren ist man noch in Clubs und Discotheken gegangen um Leute kennenzulernen und zu flirten. Dieser Aspekt des Ausgehens fällt jedoch mittlerweile weitestgehend weg, wenn man stattdessen ganz einfach auf Datingportalen wie Tinder oder Plattformen wie Facebook, Personen einfach und bequem anschreiben und kennenlernen kann. Diesen Trend stellen wir besonders bei der neuen Generation der Clubgänger fest.

Inwiefern hat sich dadurch die Situation als Club- und Discothekenbetreiber verändert?
Wir verfolgen mit unserem neu eröffneten Terrassa am Augsburger Flughafen ein anderes Konzept. Statt Indoor-Veranstaltungen wie im Panda Club, Nox und Touch Club, ist dort alles auf Open-Air ausgerichtet. Hier können die Gäste den Abend in unserer Location draußen verbringen und mit dem Restaurantangebot lecker essen. Zudem gibt es viele abwechselnde Veranstaltungen für Gäste jeden Alters. Auch im Winter ist dort einiges geplant. Somit bieten wir den Besuchern ein alternatives Konzept und passen uns dem geänderten Ausgehverhalten bestmöglich an.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach das Nachtleben in naher Zukunft verändern?
Ich glaube, dass sich das Nachtleben wieder zum Positiven verändern wird. Der Hype der Sisha-Bars, der augenblicklich viele Besucher anzieht, wird meiner Meinung nach auch wieder nachlassen, sodass die Leute wieder richtig ausgehen und feiern wollen.

Stefan Egger, Inhaber Disco PM Untermeitingen
Wie und warum hat sich Ihrer Meinung nach das Nachtleben in den letzten Jahren gewandelt?
Das Nachtleben ist anspruchsvoller geworden. Die Gäste möchten aktuell mehr für ihr Geld geboten bekommen und sie fordern mehr Abwechslung.
Wir haben eine alternde Gesellschaft. Ein Hauptgrund ist der demografische Wandel, die Hauptzielgruppe der 16 - 30jährigen schrumpft laufend. Die Generation Disco-Publikum wird somit immer geringer bzw. einfach älter. Viele Jugendliche gehen auch gar nicht mehr aus oder eben nur noch auf große und interessante Events. In den 1990er Jahren schossen Discotheken wie Pilze aus dem Boden, auch zahlreiche Großraumdiscotheken. Am Wochenende ging man fast wie selbstverständlich immer in eine Disco. Heutzutage gibt es ein sehr großes ein breites und vielseitiges Freizeitangebot. Kurzurlaube und Städtetrips, Fitnesstrend, Computer-Game-Abende, Internet, usw. Aber auch einen Wandel zu zahlreichen kleinen Clubs, Bars und Festivals. Die Weggeh-Uhrzeiten haben sich ebenfalls verändert. Immer mehr Leute gehen viel später auf die Piste. 

Inwiefern hat sich dadurch die Situation als Club- und Discothekenbetreiber verändert?
Die Gäste haben etwas weniger Geld zur Verfügung. Handykosten, Auto- und Spritpreise, hohe Mieten, Fitnessabo usw. lassen nurmehr wenig Geld für Freizeit, Spaß und Tanzen in der Disco übrig. Man muss daher besser wirtschaften, kalkulieren und intelligent managen. Der gesellschaftliche Wandel im Ausgangsverhalten der Zielgruppe 16 - 26jährigen fordert auch viel mehr Einsatz und Anstrengungen für den potentiellen Besucher. Es ist nicht mehr selbstverständlich dass er am Wochenende in eine Disco geht. Wir müssen daher mehr aktive Werbung betreiben und weit mehr positive Erlebnisse dem Discothekenbesucher geben um ihn in der nächsten Woche wieder zu sehen. Man muss sehr mit dem Puls der Zeit mitgehen. Ich verstehe eine Veränderung aber auch als Chance mit dem Wandel mitzugehen und größer, besser und interessanter zu werden.

Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit das Nachtleben wieder attraktiver wird?
Man muss die Gäste, vorallem die Jugend, wieder einfangen und ihnen zahlreiche Events und Erlebnisse, ˋdas Party-Glücksgefühlˋ vermitteln. Man muss in der Disco der Zukunft Gäste begeistern und ihnen zahlreiche tolle Abende bieten an denen sie feiern, tanzen, tolle Musik hören und neue Leute kennenlernen können. Ein spannendes Nachtleben, ein Erlebnis am Wochenende mit Stars, DJs und Persönlichkeiten fesselt auch heute noch Gäste an ihre Lieblingsdisco. Beim nächsten demografischen Wandel in einigen Jahren werden die Discotheken dann auch wieder voller und dadurch attraktiver.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach das Nachtleben in naher Zukunft verändern?
Es wird weniger Clubs und Discotheken, also eine Marktbereinigung, geben. Es wird wieder mehr auf Qualität und Abwechslung geachtet werden. Angesagte Nachtleben-Konzepte in Großraumdiscotheken und Szene-Kneipen werden selbstverständlich auch in Zukunft erfolgreich arbeiten und feierwütige Gäste glücklich machen. Du brauchst mehr Attraktivität und als Lokal auch eine eigene und besondere Identität. Discotheken sind keine anonymen Konsumtempel mehr. Die Leute wollen ein familiäres Flair , sozusagen ein Zuhause für das Wochenende.  Nirgends wird soviel geflirtet und werden neue Partner kennengelernt wie in der Disco. Die Besucher möchten auch in Zukunft ihren Alltag vergessen, die Sorgen und den Stress der Schule, der Universität oder der Arbeitsstelle, daher wird sich wahrscheinlich gar nicht so besonders viel in naher Zukunft ändern.

Ralf Dreier, ehemaliger Gastronom
Wie und warum hat sich Ihrer Meinung nach das Nachtleben in den letzten Jahren gewandelt?
Ich denke aufgrund des demografischen Wandels und einem freizeittechnischen Überangebotes hat sich die Clubwelt sehr verändert. Früher traf man sich in der Disco um Leute kennzulernen, heute läuft das alles über Facebook, Whatsup und irgendwelche Internetplattformen . Man spielt tagelang nur noch X-Box, stiert  ins Handy und verplämpert so den Tag / Nacht in einer virtuellen Welt. Auch wird heute viel mehr für Statussymbole ausgegeben als für Freizeitgestaltung. Es war auch üblich, das Discotheken mindestens 3 Tage die Woche geöffnet haben und zwar nicht erst ab 23/24 Uhr sondern ab 20.30 Uhr. Heute haben manche Clubs gerade noch einen Tag geöffnet und machen 3 Monate Sommerpause bzw. sperren bestimmt Bereiche ab . Da hat man es mit einer großen Halle / Club schon ein Problem.

Inwiefern hat sich dadurch die Situation als Club- und Discothekenbetreiber verändert?
Verschiedene Vereine machen aus dem früher üblichen Garten-/ Dorffest riesige Events bei denen sogar hochbezahlte Stars aufgefahren werden und die Vereinsmitglieder arbeiten an diesem Wochenende alle umsonst, müssen nicht Stundenlohntechnisch und Sozialversicherungstechnisch entlohnt werden, geschweige von den sonstigen Auflagen der verschieden Institutionen. Unter anderem gibt es einen großen Trend zur Schwarzgastronomie, in sogenannten Buden und umfunktionierten Bauwägen. Hier werden alle Gesetzte ausser Kraft gesetzt, weder Jugendschutz noch Baurecht usw. Hier gilt die Devise :" Zahl 10 € und Du kannst saufen soviel Du willst" Als Betreiber eines Club´s treibt es dir da die Zornesröte ins Gesicht, wenn Du regelmäßig kontrolliert wirst und jeden Handschlag bezahlen musst.

Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit das Nachtleben wieder attraktiver wird?
Als Betreiber musst Du dich täglich neu erfinden und nah am Puls der Zeit sein. Im Sommer auch mal einen Outdoor - Event (Beachparty) miteinplanen, Zusatzprojekte wie Abi- & Jugendpartys oder aus einem großen Bereich 3 kleine Bereiche machen um hier das Musikspektrum zu erweitern. Die Jugendlichen wollen weg vom "Mainstream" und wollen die kleine Clubatmosphäre .

Wie wird sich Ihrer Meinung nach das Nachtleben in naher Zukunft verändern?
Die Anzahl der großen Clubs werden wohl auf lange Sicht zurückgehen oder wie oben beschrieben sich neu erfinden müssen. Tendenziell wird sich mehr in kleinen Kneipen abspielen, denn die haben teilweise schon DJ´s am Wochenende , was früher garkein Thema war. Die kleineren Clubs werden sich auf max. 2 Stylerichtungen fixieren und wenn die Kostenfaktoren passen überleben.

Moritz Wahlster-Bode, Ehemaliger Mitbetreiber YUMClub
Wie und warum hat sich Ihrer Meinung nach das Nachtleben in den letzten Jahren gewandelt?
Das „wie“ der Veränderung ist ebenso vielschichtig wie das „warum“.  Relativ augenscheinlich ist beim „wie“, dass einerseits deutlich weniger Menschen ausgehen als früher und andererseits sich das Ausgehverhalten selbst ebenfalls verändert hat. Dass tatsächlich weniger Menschen in der Stadt unterwegs sind kann man, insbesondere im Sommer, in der Innenstadt sehr gut beobachten. Während vor ein paar Jahren den ganzen Sommer über die Innenstadt gut gefüllt war, sowohl auf der Straße, als auch die jeweiligen Clubs und Bars, kann man heute sehen, dass, trotz gestiegener Anzahl von jungen Einwohnern, insbesondere Studenten, deutlich weniger Personen im Stadtgebiet unterwegs sind.
Auch die Weggeh-Zeit hat sich verändert. Während früher beinahe jeder Club um 22:00 Uhr geöffnet hatte und um 23:00 Uhr bereits gefüllt war, öffnen heutzutage die meisten Clubs erst um 23:00 Uhr und der Andrang kommt überwiegend erst weit nach Mitternacht.  Umgekehrt bleiben die Leute aber nicht länger in der Stadt zum Feiern. Viele Gäste verlassen den Innenstadtbereich weiterhin meist zum letzten Nachtbus um 3:00 Uhr.
Auch das „Vorglühen“, welches noch vor ein paar Jahren lediglich der gemeinsamen Einstimmung auf einen Abend diente, hat sich weiter verbreitet und verstärkt. Nüchtern geht, außer den Fahrern, heute fast keiner mehr los zum Feiern.

Hinsichtlich des „warum“ spielen sicherlich zahlreiche einzelne Faktoren in die Gesamtlage hinein. Wahrscheinlich einer der größten Faktoren ist die größere Verbreitung der sozialen Medien. Während man noch vor ein paar Jahren auch deshalb weggegangen war, um sich mit seinen Freunden zu treffen und auszutauschen, ist das heute überhaupt nicht mehr nötig. Noch bevor man einen Fuß vor die Tür gesetzt hat, weiß man heute, was der gesamte Freundeskreis zu Mittag gegessen hatte, welcher Beziehungsstatus sich verändert hat, wer gerade im Urlaub ist und wo, was er dort erlebt hat und nicht zuletzt welche Meinung er zu dem letzten viralen Video vertritt.
Auch der Aspekt des Weggehens, um neue Bekanntschaften zu schließen, hat sich durch die sozialen Medien weiter zurückgebildet. Zahlreiche Apps zum Flirten „erleichtern“ die Aufgabe. Früher musste man, um neue Menschen kennen zu lernen, tatsächlich noch das Haus verlassen, heute muss man dazu nicht mal mehr von der Couch runter. In der relevanten Zielgruppe können auch weit weniger Menschen als früher zum feiern gehen.

Dies ist zum einen durch die Umstellung von G9 auf G8 bedingt, da dadurch die Kollegstufe um ein Jahr verjüngt wurde. Noch vor ein paar Jahren kamen sogar aus den umliegenden Landkreisen die volljährigen Schüler mit ihren PKW in die Stadt gefahren, um zu feiern. Heute werden die Schüler kurz vor dem Abitur volljährig und gehen dann, in der Abiturvorbereitung, natürlich nicht mehr aus. Aus diesem Grund ist in den letzten Jahren auch die Anzahl der Ab-16-Veranstaltungen stark gestiegen. Ein weiterer Aspekt ist sicherlich auch der Wegfall der Wehrpflicht. Auch dort waren zahlreiche Soldaten und Zivildienstleistende, natürlich insbesondere die Männer, am Wochenende unterwegs, um zu feiern, weil das unter der Woche überhaupt nicht möglich war. Auch das ist weitgehend weggefallen.

Aber auch Veränderungen an der Universität führten zu einer Veränderung beim Zielpublikum. Die Umstellung auf das Bachelor-/Master-System hat dazu geführt, dass die jeweiligen Studiengänge wesentlich straffer durchgezogen werden müssen, sodass die Studenten denklogisch weniger Zeit haben, sich privaten Dingen, natürlich auch dem Weggehen, zu widmen. Mit der Verschulung der Universität einhergehend haben sich natürlich auch die Ausgeh-Tage verschoben. Früher war am Freitag an der Universität wenig geboten, heute ist von 8:00 Uhr früh bis 18:00 Uhr abends Unterricht angesagt.  Diese, und sicherlich auch andere Faktoren, haben das Nachtleben in den letzten Jahren einen erheblichen Wandel unterzogen.

Inwiefern hat sich dadurch die Situation als Club- und Discothekenbetreiber verändert?
Die Anforderungen an die einzelnen Betreiber haben sich aufgrund der Veränderung der Marktlage natürlich ebenso verändert. Einerseits ist es weitaus schwieriger, da viel weniger Leute unterwegs sind, dass alle Läden gut gefüllt sind. Insbesondere Einrichtungen, die besonders groß sind, werden es zukünftig noch schwieriger haben. Dort können, wie beispielsweise im Kesselhaus, nur große Acts eine hinreichende Füllung garantieren.

Bei erhöhtem Kostenrisiko und geringerer Planbarkeit einzelner Veranstaltungen erhöhte dass das Gesamtrisiko für Clubbetreiber. Die Betreiber kleinerer Clubs sind in der derzeitigen Marktlage klar im Vorteil, da sich dort schneller eine Stimmung einstellt, was für die verbliebenen Feierwilligen natürlich besonders attraktiv ist. Ein weiterer Umstand ist der Wegfall des Stammpublikum, wie es noch vor ein paar Jahren weit verbreitet war. Die Leute gehen heute von Veranstaltung zu Veranstaltung, je nachdem was ihnen gerade gefällt und unabhängig vom jeweiligen Club. Dem entsprechend tritt das Eventing selbst klar in den Vordergrund. Standardöffnungstage kann es nur noch in kleineren Clubs geben.

Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit das Nachtleben wieder attraktiver wird?
Unserer Meinung nach müsste die Absprache und Koordination der einzelnen Betreiber untereinander verbessert werden, damit größere Acts sich nicht überschneiden, damit für die potentiellen Gäste jedes Wochenende maximale Attraktivität geboten ist.  Wenn es aber weiter Wochenenden gibt, an denen teilweise fünf inhaltsgleiche Veranstaltungen stattfinden, wird die Gesamtattraktivität darunter leiden.

Auch politisch sollte ein Umdenken stattfinden. Eine attraktive Nachtgastronomie zu haben darf keine leidige Angelegenheit aus Sicht einer Stadt sein. Die Gastronomie ist wirtschaftlich, sowohl als Arbeitgeber, als auch als Steuerzahler, in Augsburg und der Region von erheblicher Bedeutung. Überdies möchte die Region auch weiterhin für Studenten und junge Menschen attraktiv bleiben, die, natürlich insbesondere im unmittelbaren Vergleich mit München, auch etwas geboten bekommen sollen. Kulturelle Vielfalt sollte in einer Universität und Hochschulstadt sich auch im nachtgastronomischen Bereich widerspiegeln

Wie wird sich Ihrer Meinung nach das Nachtleben in naher Zukunft verändern?
In naher Zukunft werden, insbesondere durch die noch größere Verbreitung von sozialen Medien und Internet und den damit verbundenen technischen Möglichkeiten, das klassische Nachtleben noch weiter zurückgedrängt werden. Wenn auch die Politik nicht umdenkt und weiterhin die Maxstraße als sicherheitspolitisches Sperrgebiet ansieht, wird sich die Marktlage noch weiter verschlechtern. Dadurch werden weitere Betreiber dem wirtschaftlichen Druck nicht mehr standhalten können, sodass sich die eigentlich gewünschte Vielfalt noch weiter verringern wird.