1. Podiumsdiskussion der Kemptener OB-Kandidaten

»Manage frei!«

Kempten…Der Termin der Kommunalwahlen in Bayern rückt näher und der Wahlkampf tritt nach schleppendem Beginn in seine heiße Phase. Anlass genug die OB-Kandidaten der Stadt Kempten einmal zusammenzuführen und auf ihre lokalpolitischen Positionen hin abzuklopfen. So lud die Allgäuer Zeitung zu ihrem Wahlforum in das Audimax der Hochschule Kempten ein. Angetreten zur Podiumsdiskussion war neben dem Amtsinhaber Oberbürgermeister Thomas Kiechle (CSU/FW) seine Herausforderer*innen Katharina Schrader (SPD), Gabriela Büssemaker (FDP), Lajos Fischer (Die Grünen) und Franz-Josef Natterer (ÖDP). Moderiert wurde die lebendige Runde von der AZ Redakteurin Aimée Jajes und dem Leiter der AZ-Lokalredaktion Peter Januschke. Offensichtlich hatten die Verantwortlichen den richtigen Nerv getroffen, denn mit rund 350 Besuchern war das Audimax bis auf den letzten Platz gefüllt.

Heiße Themen

Und tatsächlich, am Abend wurden die heißen Themen angepackt und die Kandidaten mit den Themen ÖPNV, 100,- Euro-Ticket, Mobilitätskonzept, Stadtseilbahn, Einzelhandelskonzept und scheinbar liegen gebliebenen Projekten wie „Iller erleben", Entschlammung Bachtelweiher, Burghalde und Zustand des Engelhaldeparks konfrontiert. Auf die Frage in welche zwei Projekte, die Kandidaten investieren würden, um das 2018 verabschiedete Mobiltätskonzept 2030 voran zu bringen, zeigten sich bereits Unterschiede in der Bewertung des ÖPNV der Allgäu-Metropole. Konkret schlug Gabriele Büssemaker Park & Ride-Systeme und Carsharing vor, Lajos Fischer will eine grundsätzliche Verbesserung des ÖPNV und des Radwegenetzes, Josef Natterer outete sich als Unterstützer des 100,- Euro-Tickets, Thomas Kiechle versprach konkret die Ausweitung der ÖPNV-Angebote in die Abendstunden bis 10.30 Uhr und das Anbringen elektronischer Anzeigedisplays an Bushaltestellen, dem sich Katharina Schrader anschloss und ergänzend eine verbesserte Verbindung der Stadtteile untereinander forderte. Für ihren Vorschlag insgesamt die Innenstadt stärker vom Verkehr zu entlasten und den Rathausplatz komplett für den motorisierten Individualverkehr zu sperren, erhielt sie reichlich Beifall.



Mobiltätskonzept

Grundsätzlich wurde auch am Abend von den Herausforderern des amtierenden OBs Kiechle moniert, dass das Ende 2018 beschlossene und 367 Seiten umfassende Moko 2030 in weiten Teilen nicht umgesetzt wird. „Es werden schöne Beschlüsse gefasst, die dann nicht umgesetzt werden.", so Gabriela Büssemaker von der FDP. Lajos Fischer verwies konkret auf die zwar öffentlich angekündigte Einrichtung von Fahrradstreifen in der Immenstädter Straße hin, mußte aber nach Inaugenscheinnahme vor Ort feststellen, dass bis dato nichts passiert ist. Thomas Kiechle verteidigte sich gegen den Vorwurf und verwiess darauf, dass die Umsetzung aller im Mobiltätskonzept gefassten Projekte bis 2030 realisiert werden sollen. 8% der Projekte, wie u.a. die Renovierung der König Ludwig Brücke und die Gründung der mona Verkehrsverbund GmbH, seien bereits umgesetzt.

Die Seilbahn

Ein zentrales Thema des Abends war die von der CSU-Fraktion und Oberbürgermeister Thomas Kiechle ins Spiel gebrachte Stadtseilbahn für Kempten. Derzeit läuft ein vom Haupt- und Finanzausschuss beauftragte Kosten-Nutzen Analyse, die vom Freistaat mit 50.000 Euro bezuschusst wird. „Diese wird klären…", so Kiechle am Abend, „…ob eine Stadtseilbahn überhaupt rentabel ist, d.h. ob ihr Nutzen ihre Kosten übersteigt." AZ-Redakteurin Aimée Jajes liess verlauten, dass bei einer Umfrage ihrer Zeitung das Meinungsbild zur Stadtseilbahn tief gespalten ist. 50% können sich mit der Idee anfreunden, aber 50% der Befragten lehnen eine Seilbahn als Teil des ÖPNV kategorisch ab. Thomas Kiechle verteidigte am Abend seine Idee einer Seilbahn, die die Innenstadt signifikant vom Schwerlastverkehr entlasten könnte. Für seine Äußerung, dass es möglich sein muss, auch solch außergewöhnliche Ideen in die öffentliche Diskussion zu stellen, erhielt Kiechle viel Applaus. Franz-Josef Natterer bezweifelte, ob eine Seilbahn tatsächlich ein sicheres Verkehrsmittel sei und ob die bisherige Höhe der Stützen von 35 Metern ausreiche. Er selbst rechnet mit einer Höhe der Stützen von bis zu 100 Metern. Katharina Schrader brachte ins Spiel, dass es nicht jedem zukünftigen Anwohner einer Seilbahn gefallen würde, wenn deren Fahrgäste in ihre Wohnstuben schauen könnten. Zudem sei sie der Meinung, dass die Seilbahn nicht in den bestehenden ÖPNV eingebunden werden kann. Gabriela Büssemaker merkte an, Kempten sei für ein solches Projekt zu klein und möchte stattdessen lieber in die Fuhrparks der Verkehrsbetriebe investieren. Auch Lajos Fischer, Kandidat der Grünen, lehnt eine Seilbahn ab und fordert zuvorderst einen leistungsstarken ÖPNV zu etablieren.

100,- Euro-Ticket

Das vorgeschlagene 100,- Euro-Ticket, das die Angebote des ÖPNV mit denen der Bahn für das Oberallgäu und Kempten kombinieren soll, war ein weiteres Streitthema des Abends. Thomas Kiechle lehnt ein solches Ticket ab, weil es aus seiner Sicht schlicht nicht zu bezahlen sei. „Wenn ich die 100,- Euro durch 365 Tage teile, komme ich auf einen Betrag von 27 Cent, für den ich einen Tag lang Busse und Bahnen benutzen kann. Das ist so nicht finanzierbar.", so der Oberbürgermeister der Stadt Kempten. Thomas Kiechle rechnet mit einem jährlichen Minus von 8 Millionen Euro. Diesen Betrag stellt Franz-Josef Natterer in Zweifel. „Dieses Geld brauchen wir nicht, weil durch das Angebot wesentlich mehr Menschen den ÖPNV nutzen werden und somit Geld ins System kommt." Für Lajos Fischer ist ein 100,- Euro-Ticket ein Aufschrei der Menschen nach einen bezahlbaren ÖPNV, der für ihn ein Grundrecht darstellt. Allerdings stellen sich Katharina Schrader und Gabriela Büssemaker bei der Einschätzung des Tickets eher auf die Seite des OBs. Schrader erläutert, dass ein solches Angebot nur durch finanzielle Beteiligung des Freistaates zu stemmen sei. „Ob das Land Bayern sich am ÖPNV in Kempten beteiligen wird, ist allerdings fraglich.", sagt Schrader. So macht sich die SPD-Kandidatin ebenso wie ihre FDP-Kollegin und OB Kiechle dafür stark, die Angebote des ÖPNV durch verbesserte Taktung, zeitliche Ausweitung der Angebote und alternative, neue Streckenführungen attraktiver zu gestalten. Dabei regt sie an, dass nicht alle Linien über die ZUM laufen müssen.

Zwischenrunde

In einer Zwischenrunde wurde den Kandidaten durch die beiden Moderatoren jeweils eine individuelle Frage gestellt. So wollten Aimée Jajes und Peter Januschke von Lajos Fischer wissen, ob dieser Vielflieger sei. Fischer verneinte, er sei lediglich zweimal im seinem Leben in ein Flugzeug gestiegen. Franz-Josef Natterer sollte sich als IT-Experte zu G5 äußern. Dieser zeigte sich einserseits von dessen Nutzen überzeugt, verlangte aber, dass der Stromverbrauch der Basisstationen noch erheblich zu senken sei. „Ich werde die Einführung von G5 kritisch begleiten", so Natterer. OB Kiechle wurde etwas provokant gefragt, ob das neu angeschaffte Geschwindigkeitsmessgerät der Stadt häufiger zum Einsatz käme als das bisherige. Kiechle will die Einsatzzeit der beiden Geräte nicht über die vorgesehenen 20 Stunden die Woche ausdehnen, versprach aber, dass verstärkt vor Schulen und Kindergärten „geblitzt" werde. Katharina Schrader antwortete auf ihre Frage nach einer höheren Grundsteuer für Immobilienbesitzer, dass sie diese Pläne nicht bei denen zur Anwendung bringen möchte, die ihre Immobilie selbst bewohnen oder diese zu einem angemessenen Mietzins vermieten. Die vielleicht provozierenste Frage bekam Gabriela Büssemaker gestellt, von der man eine Stellungnahme über einen Jahre zurückliegenden Rechtsstreit abverlangte. Büssemaker reagierte souverän und erklärte die Angelegenheit als für sie abgeschlossen.


Stadtbücherei

In einem weiteren Punkt wurden die Kandidaten nach dem nach ihrer Meinung besten Standort für die neue Stadtbibliothek gefragt. Kiechle zeigte sich offen für die beiden Standorte Sparkassenquartier und Schwaigwiesschule, die Kandidaten der SPD und der Grünen favorisieren einen Standort mit Neubau auf dem Gelände der Schwaigwiessschule, während Gabriela Büssemaker und Franz-Josef Natterer sich für den Verbleib der Stadtbibliothek in der Orangerie aussprachen. Anschliessend wurden Projekte der Stadt Kempten angesprochen, die nach dem Gefühl vieler Bürger zwar begonnen, aber nicht wirklich zu Ende gebracht wurden. Jajes und Januschke sprachen die Projekte „Iller erleben", Burghalde , „Entschlammung Bachtelweiher", und Zustand Engelhaldepark an. Als Verantwortlicher negierte Thomas Kiechle die Aussage, dass bei all diesen Projekten Stillstand herrsche. So entstünde in diesem Jahr ein Bike-Park im Engelhaldepark, an der Iller enstehe eine „Hundemeile" und auf der Burghalde werden in diesem Jahr die Zufahrtswege erneuert und einige Bäume gefällt. Bei der Entschlammung des Bachtelweihers müsse noch entscheiden werden, wer letztlich die geschätzten Kosten von 1,4 Mio. Euro übernehmen wird. Die anderen Kandidaten forderten bei den angesprochenen Projekten kleinere Verbesserungen der Infrastruktur wie auf der Burghalde und grundsätzlich mehr begrünte, generationenübergreifende Begegnungsstätten für die Kemptener Bürger. In punkto „Entschlammung Bachtelweiher" schlug der Kandidat der ÖDP einen „Ausbuddeltag für Freiwillige" vor.

Einkaufsstadt

Als letzten Punkt behandelte die Runde die aktuelle Lage Kemptens als Einkaufsstadt. Leerstände in der Stadt, aber auch u.a. im Fenepark, geben Anllass zur Sorge und ein geplantes Fachmarktzentrum in der Ulmer Straße sorgt bei den Einzelhändler der Innenstadt für Unruhe. Thomas Kiechle spricht sich grundsätzlich für ein solches Zentrum an dieser Stelle aus, betont aber auch,dass dort keine innenstadtrelevanten Sortimente angeboten werden dürfen. Wie beim Streit um das Bauloch, sei man auch hier nicht bereit, Zugeständnisse zu machen. Auch die anderen Kandidaten stimmten mit OB Kiechle überein, dass die sogenannte „Knochenthearpie" - Einzelhandel nur zwischen Residenzplatz im Norden und August-Fischer-Platz im Süden - gestärkt werden solle. Man wünsche sich allerdings eine vom motorisierten Individualverkehr spürbar entlastene und mehr fußgängerfreundliche Innenstadt.