Die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl 2017 - Teil 2

Ein Vergleich der Wahlprogramme der Parteien (Teil 2)

Klimawandel – gibt es den wirklich? Eine gemeinsame europäische Armee – ist das sinnvoll? Die Obergrenze für Flüchtlinge – „ja“ oder „nein“? In unserer neuen Ausgabe möchten wir Ihnen einen Überblick darüber geben, wie die sechs großen Parteien über die Themen Umweltschutz, europäische Zusammenarbeit sowie Außenpolitik und Migration denken.

Umwelt und Energie

CDU/CSU: Die Umweltbelastung der Städte möchte die Union schnellst möglich und deutlich reduzieren und die europäischen Normen wieder einhalten. Für betroffene Städte sollen individuelle Reduktionspläne ausgearbeitet werden. CDU und CSU halten weiterhin an Diesel-Fahrzeugen fest, setzen sich jedoch für einen Ausbau der Elektromobilität insbesondere in Städten ein. Gerade industrielle Fuhrparks sollen auf Elektromobilität umgerüstet werden. Beim Thema Tierschutz fordert die Union ein staatliches Tierwohllabel für Lebensmittel.
SPD: Die SPD plant, die schnell wachsenden Städte in den Entwicklungs- und Schwellenländern im Rahmen von Urbanisierungspartnerschaften stärker zu beraten und zu unterstützen, um die Klimaziele des Pariser Abkommens verwirklichen zu können. Sie möchte weiterhin eine nationale Strategie gegen Lebensmittelverschwendung unter anderem durch den Einsatz von Zielmarken für die unterschiedlichen Branchen und Informationskampagnen umsetzen. Außerdem will man die natürliche Waldentwicklung fördern und ein staatliches Tierschutzlabel zur Kennzeichnung von Lebensmitteln aus artgerechter Haltung einführen.
Die Grünen: Die Grünen fordern einen Ausstieg aus der Kohlekraft und streben an, bis 2030 zu 100 Prozent auf Ökostrom setzen zu können. Sie möchten Strompreisrabatte für die Industrie zurückschrauben, eine Reform des EU-Emissionshandels, die Wiedereinführung der Brennelementesteuer und ein nationales Klimaschutzgesetz auf Basis des Pariser Abkommens. Es wird weiterhin die Einführung eines Gentechnikgesetzes angestrebt, das Gentechnik verbietet und zusätzlich eine Kennzeichnung tierischer Produkte beinhaltet, die mit Hilfe von Gen-Futtermitteln produziert wurden. Außerdem soll das Tierschutzgesetz gründlich überarbeitet werden und ein bundesweites Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen eingeführt werden.
Die Linke: Die Linke möchte Strom- und Wärmenetze in öffentliche Hand überführen und demokratisch kontrollieren. Sie fordert eine Erhöhung des Ökostromanteils auf 43 Prozent bis zum Jahr 2020, 70 Prozent bis 2030 und auf 100 Prozent bis 2040. Den Einsatz von Blockheizkraftwerken (BHKW) und anderen Formen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) möchte man fördern. Auch ein nationales Kohleausstiegsgesetz und die Festschreibung des Atomkraft-Ausstiegs im Grundgesetz sind Teil des Wahlprogramms der Linken. Besonders umweltschädliche Pestizide wie Glyphosat und Neonikotinoiden sowie Mikroplastik in Kosmetik und Reinigungs- und Pflegeprodukten sei sofort zu verbieten. Der Tierschutz soll durch eine Bestandsobergrenze bei der Nutztierhaltung und ein Verbot von Lebendtiertransporten über vier Stunden vorangebracht werden. Außerdem wird ein Verbandsklagerecht für Umwelt-, Natur- und Tierschutzvereinigungen angestrebt.
FDP: Die FDP möchte die Subvention erneuerbarer Energien durch das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) mit Einspeisevorrang und –vergütung beenden. Weiterhin soll die Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau abgesenkt werden. Das Prinzip des EU-Emissionshandels möchte man auf weitere Sektoren wie zum Beispiel das Wohnen und den Verkehr ausdehnen. Verbesserungen bei der Nutztierhaltung sollen durch gezielte Agrarinvestitionen erreicht werden.
AfD: Die AfD lehnt ein Vorgehen gegen den Klimawandel entschieden ab. Die klimatischen Veränderungen seien nicht menschengemacht und würden sich außerdem nur in eine Reihe von vielen Kälte- und Wärmeperioden der Vergangenheit einfügen. Demnach sei auch das Pariser Klimaabkommen zu kündigen. In punkto Energiepolitik plädiert die AfD dafür, Kernkraftwerke nicht vor Ablauf ihrer technischen Nutzungsdauer aus dem Betrieb zu nehmen. Weiterhin solle das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ersatzlos gestrichen werden, der Ausbau von Windenergie gestoppt und die staatliche Förderung von Elektromobilität eingestellt werden. Die Partei fokussiert sich beim Thema Tierschutz in ihrem Programm auf ein Verbot des Schächtens aus religiösen Gründen.

Europa und die Europäische Union

CDU/CSU: Die Partei von Kanzlerin Angela Merkel möchte die deutsch-französische Freundschaft neu beleben. Sie befürwortet außerdem eine Europäische Verteidigungsunion und einen Europäischen Verteidigungsfonds. Auch ein gemeinsamer Währungsfonds wird in Betracht gezogen. Eine Vergemeinschaftung von Schulden stellt für die Union jedoch keine Option dar. CDU und CSU hoffen weiterhin auf eine starke Kooperation zwischen der Europäischen Union und der Türkei sowie auf eine enge strategische Zusammenarbeit in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Da die Türkei die Beitrittsbedingungen jedoch nicht erfülle, sei eine Aufnahme in die EU ausgeschlossen.
SPD: Die Kompetenzen des Europäischen Parlaments möchten die Sozialdemokraten ausweiten. Dieses Vorhaben umfasst insbesondere die vollständige Mitwirkung des Europaparlaments an der Wirtschafts- und Währungspolitik und das Recht zur Gesetzesinitiative. Die SPD unterstützt die Gründung einer Europäischen Verteidigungsunion mit einer Europäischen Armee als Ergänzung zur NATO. Das Wahlprogramm enthält weiterhin den Plan der Aufstockung der EU-Mittel im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit und die langfristige Gründung eines Jugendbeschäftigungsfonds. Die Türkei sei weiterhin ein wichtiger, aber schwieriger Partner der EU. Die Beitrittsverhandlungen müssten vorerst beendet werden. Wichtig sei jedoch, weiterhin mit der Türkei im Gespräch zu bleiben.
Die Grünen: Die Grünen treten für ein vereintes, starkes und friedvolles Europa ein, das sich gegen den aufkommenden Nationalismus wehrt. Man möchte das Europäische Parlament stärken, indem man ihm unter anderem ermöglicht, Regierungen das Misstrauen auszusprechen und eigene Gesetzesvorschläge einzubringen. Gegenüber Afrika habe die Europäische Union laut der Partei außerdem eine historische Verantwortung, weshalb ein Grüner Marshallplan für den afrikanischen Kontinent gefordert wird.
Die Linke: Die Institutionen der EU möchte die Linke grundlegend demokratisieren. Dies umfasst unter anderem den Versuch, die Rechte des Europaparlaments zu stärken und EU-weite Volksbegehren und –entscheide zu ermöglichen. Außerdem sollen Abgeordnete die Kommission und ihren Präsidenten wählen und abwählen dürfen und die EZB unter die Kontrolle des Parlaments gestellt werden. Die Linke möchte einen Neustart der Union, über deren neue Verträge die Bürger in Volksabstimmungen abstimmen sollen. Eine europäische Verteidigungsunion wird dagegen abgelehnt, da die EU dem Frieden verpflichtet sein solle. Dementsprechend fordert die Partei auch ein EU-weites Verbot von Rüstungsexporten.
FDP: Die Freien Demokraten unterstützen den Aufbau einer Europäischen Armee unter gemeinsamem Oberbefehl und parlamentarischer Kontrolle. Weiterhin sei es wichtig, Konsequenzen aus dem Brexit zu ziehen. Großbritannien als einen starken Partner der EU zu erhalten, sei von Bedeutung – aber nicht um jeden Preis. Besonderes Interesse habe man daran, dass die EU und Großbritannien vor Frühjahr 2019 Klarheit über ihr zukünftiges Verhältnis schaffen, damit die nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament auf neuer Grundlage durchgeführt werden können. Auch die Türkei sei weiterhin ein unverzichtbarer Partner bei der EU. Die Beitrittsverhandlungen müssten aber beendet werden.
AfD: Innerhalb der AfD sieht man die EU als gescheitert an. Die Europäische Union zerstöre die einzelnen Nationalstaaten, weshalb ein Austritt Deutschlands befürwortet wird. Damit verbunden ist auch ein Verlassen des Euroraums. Über den Austritt aus der Europäischen Union solle das deutsche Volk abstimmen. Die Türkei gehört für die AfD kulturell nicht zu Europa. Die Mitgliedschaft der Türkei in der NATO sei zu beenden, die Bundeswehr aus Incirlik abzuziehen und alle gewährten Geldleistungen umgehend zu stoppen. Die AfD lehnt ferner den Beitritt der Türkei zur EU ab und fordert das sofortige Ende aller Beitrittsverhandlungen.

Außen- und Verteidigungspolitik

CDU/CSU: Zur Verteidigung soll die Bundeswehr nach Ansichten von CDU und CSU in besonderen Gefährdungslagen unter Führung der Polizei auch im Landesinneren unterstützend zum Einsatz kommen. Weiterhin will die Union die Stadt Bonn als zweites bundespolitisches Zentrum stärken. Das Wahlprogramm beinhaltet auch Vorhaben zur Entwicklungshilfe. CDU und CSU schlagen einen Marshall-Plan mit Afrika vor. Ein solcher moderner Marshall-Plan soll die Empfänger in Afrika zu eigenverantwortlichem unternehmerischen Handeln befähigen.
SPD: Sozialdemokraten möchten für eine Entspannungspolitik und moderne Friedensdiplomatie einstehen. Deutsche Außenpolitik müsse sich an ziviler Krisenprävention und Krisenmanagement orientieren. Eine Steigerung der Ausgaben für das Militär ist demnach nur in einem Rahmen vertretbar, in dem personelle und materielle Missstände behoben werden können, aber nicht in Höhe der geforderten zwei Prozent des Haushalts. Weiterhin fordert die SPD eine Gesetzesinitiative zur Beschränkung der Rüstungsexportpolitik Deutschlands. Außerdem setze man sich für die Umsetzung und Weiterentwicklung der Menschenrechtsstandards weltweit ein.
Die Grünen: Mit den Grünen gäbe es eine Stärkung der Vereinten Nationen. Man möchte Reformen anstoßen und sie sowohl personell als auch materiell besser ausstatten. Einen Ausbau des Militärs lehnt die Partei dagegen ab. Eine Erhöhung der Militärausgaben sei nicht sinnvoll und man stelle sich auch gegen entsprechende Forderungen aus der NATO, die Militärausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Lieber solle das Ziel einer Investition von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit verwirklicht werden. Die Forderungen der Grünen umfassen außerdem den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland und das Ende von Waffenexporten in Krisenregionen durch ein verbindliches Rüstungsstoppgesetz.
Die Linke: Aufrüstung, Waffenexporte und Auslandseinsätze der Bundeswehr, den Einsatz der Bundeswehr im Inneren sowie jegliche deutsche Unterstützung von Militärinterventionen lehnt die Linke entschieden ab. Auch NATO-Kriegsbeteiligungen stehen der Forderung einer friedvollen Politik entgegen. Militärausgaben dürften nicht erhöht, sondern müssten deutlich gesenkt werden. Stattdessen sollen finanzielle Mittel für den zivilen Friedensdienst fließen. Außerdem müssten die deutschen Gelder für Entwicklungszusammenarbeit endlich auf die international zugesagten 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes angehoben werden. Russland solle man mit einer Friedens- und Entspannungspolitik begegnen.
FDP: Auf Seiten der FDP bekennt man sich uneingeschränkt zur NATO und strebt eine stärkere Beteiligung der Bundeswehr an Einsätzen und Missionen an. Ergänzend zur NATO solle eine Europäische Armee wirken. Die FDP warnt in ihrem Wahlprogramm vor einem aufkommenden Antiamerikanismus und fordert, das atlantische Bündnis mit Amerika zu stärken. Dazu gehöre auch die weitere Anhebung des Verteidigungsetats. Die Sanktionen gegenüber Russland seien dagegen aufrechtzuerhalten und eine Wiederaufnahme Russlands in die G8 auszuschließen.
AfD: Landesverteidigung ist für die AfD Sache der Nationalstaaten selbst. Die Schaffung einer EU-Armee wird darum abgelehnt. Die Alternative für Deutschland fordert dagegen die Gewährleistung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr und eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Weiterhin strebt die Partei Reformen der Vereinten Nationen an, die eine Schaffung eines ständigen Sitzes Deutschlands im Sicherheitsrat sowie die Abschaffung Feindstaatenklausel in der Charta der Vereinten Nationen umfasst. Das Programm der AfD beinhaltet auch eine Forderung nach dem Ende der Sanktionspolitik gegenüber Russland und fordert stattdessen eine vertiefte wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Migrationspolitik

CDU/CSU: Europa müsse seine Außengrenzen wirksam gegen illegale Migration schützen, so die Union. Die Grenzschutzagentur Frontex soll gestärkt werden. Solange der Schutz der EU-Außengrenzen noch nicht bewerkstelligt werden kann, hält die Union an Binnengrenzkontrollen fest. Europa müsse außerdem Abkommen nach dem Vorbild des EU-Türkei-Abkommens auch mit anderen Ländern in der Region und im nördlichen Afrika schließen. Wer nach Deutschland gekommen ist, müsse sich auch anpassen. Verweigerung der Integration solle bis zum Verlust der Aufenthaltserlaubnis führen.
SPD: Damit Aufgaben der Flüchtlingshilfe innerhalb der EU zukünftig solidarisch verteilt werden, fordert die SPD, dass Staaten, die Flüchtlinge aufnehmen, finanzielle Unterstützung erhalten müssen, die anderen jedoch Nachteile erfahren. Sie setzt sich auch für ein Europäisches Seerettungsprogramm ein und möchte, dass geschlechtsspezifische Asylgründe besser anerkannt werden. Integrationsarbeit solle bereits in der Erstaufnahme mit Sprachkursen und Extremismusprävention stattfinden.
Die Grünen: Hinsichtlich der Migrationspolitik streben die Grünen eine Verkürzung der Wartezeiten bei Asylverfahren an. Sogenannte „Altfälle“ sollen nach einem Jahr eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Grüne Politik vertritt eine uneingeschränkte Bewahrung des Grund- und Menschenrechts auf Asyl, weshalb Obergrenzen abgelehnt werden. Weiterhin soll der Familiennachzug für Flüchtlinge wieder ermöglicht werden und der Erwerb der Staatsangehörigkeit nach dem Geburtenprinzip erfolgen. Flucht habe ihre Ursachen auch in globaler Ungerechtigkeit, Korruption und schlechten Lebensbedingungen aufgrund der Klimaerhitzung. Deshalb legt die Partei ihren Fokus besonders auf die Bekämpfung von Fluchtursachen und setzt dabei insbesondere auf Entwicklungshilfe.
Die Linke: Die Zuständigkeit für Migration und Integration soll entsprechend der Forderungen der Linkspartei dem Bundesinnenministerium entzogen werden und einem neuen Bundesministerium für Migration und Integration übertragen werden. Frontex sei abzuschaffen und durch eine koordinierte Seenotrettung in europäischer Verwaltung zu ersetzen. Die Linke möchte außerdem die Verfolgung aufgrund von sexueller oder geschlechtlicher Identität uneingeschränkt als Fluchtgrund anerkennen. Außerdem sollen alle Geflüchteten bereits nach drei Monaten in Deutschland eine Arbeitserlaubnis bekommen. Dauerhaft in der Bundesrepublik lebende Flüchtlinge sollen auf Bundes- wie auf Landes- und kommunaler Ebene das Wahlrecht erhalten. Die Staatsangehörigkeit richtet sich nach dem Geburtsprinzip und auch eine Mehrfachstaatsbürgerschaft soll künftig kein Problem mehr darstellen.
FDP: Die Freien Demokraten bekennen sich zu einem Grundrecht auf Asyl für individuell politisch Verfolgte. Für Kriegsflüchtlinge soll dagegen ein eigener Status geschaffen werden. Ihnen möchte man vorübergehend Schutz gewähren, der jedoch auf die Dauer des Krieges beschränkt ist, nach welchem sie wieder in ihr Heimatland zurückkehren müssen. Eine Obergrenze wird abgelehnt. Weiterhin möchte man die Möglichkeit schaffen, Asylanträge bereits im Ausland zu stellen. Besonders wichtig ist im Programm die Schaffung eines fairen Verteilungsschlüssels, der Flüchtlinge nach Quoten, die sich u. a. nach der Bevölkerungszahl und der Wirtschaftskraft eines Landes richten, auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt.
AfD: AfD-Mitglieder fordern die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Suche nach den Verantwortlichen der „Massenzuwanderung“ ab September 2015. Außerdem möchte man eine jährliche Mindestabschiebequote einführen und den Familiennachzug für Flüchtlinge verhindern. Grenzen sollten umgehend geschlossen werden, um weitere Zuwanderung zu verhindern. Den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch das Geburtsprinzip sowohl eine uneingeschränkte Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft lehnt die AfD ab.